Es sei ein lang gehegter Traum, den er sich erfüllt habe, erzählte Gemeindepräsident Adolf Gucker den Medien, die sich zur Einweihungsfeier des Erlenbacher Sportplatzes eingefunden hatten. Hobbyspringer Gucker war eben am Fallschirm hängend aus grosser Höhe eingeschwebt und punktgenau auf der neuen Spielwiese gelandet. «Das Springen war eine kurze Zeit des Glücksgefühls», liess er die Presse wissen.

Aus allen Wolken fielen einige Erlenbacher, als bekannt wurde, dass sich der Gemeindeammann die Kosten für seinen freien Fall von der Gemeinde bezahlen liess. Der Luftsprung belastete das Budget nicht sehr, brachte aber das Fass zum Überlaufen. «Mitglieder des Gemeinderats verwechseln ihre persönlichen Interessen mit jenen der Gemeinde – und betreiben Vetternwirtschaft», erklärt ein verärgerter Erlenbacher Bürger dem Beobachter.

Nur wenige dagegen kritisieren die Situation so offen wie Walo Deuber, Mitglied der Erlenbacher Kulturkommission: «Der Gemeinderat nimmt seine sozialpolitische Verantwortung zu wenig wahr. Viele im Dorf sind unzufrieden.»

Der Beobachter schaute genauer hin: Gemeindepräsident und FDP-Mitglied Adolf Gucker, Inhaber einer Schreinerei, war nicht nur bei der Eröffnungsfeier des Sportplatzes ein Hauptdarsteller. Seine Firma war auch bei der Sanierung des zugehörigen Verwaltungsgebäudes beschäftigt. Allein der Umbau des Gebäudes kostete insgesamt über 2,8 Millionen Franken. Wie viel er für den Auftrag kassierte, wollte Gucker dem Beobachter nicht sagen.

Vergaben bleiben im Dunkeln


Auch die Gartenbaufirma von Gemeinderat und SVP-Mitglied Hans Bachmann ging neben anderen Firmen auf dem Sportplatz zu Werke. Die Gestaltung des Platzes und der umgebenden Grünanlagen schlug mit insgesamt 677000 Franken zu Buche – 177000 mehr als veranschlagt, wie die Investitionsrechnung zeigt, die am 21. Juni 2004 von Erlenbachs Bevölkerung genehmigt wurde. Auch Gemeinderat Bachmann will nicht sagen, wie viel er an diesem Gemeindeauftrag verdiente.

Bachmanns Firma bekam überdies den Zuschlag, ein Doppel-Beachvolleyballfeld zu bauen. Das Feld wurde ohne den Segen der Erlenbacher Bevölkerung erstellt, der Gemeinderat legte das Projekt der Gemeindeversammlung gar nicht vor.

Er vergab es in eigener Kompetenz – an Bachmann. Wie dies geschah, bleibt im Dunkeln. Auch dazu will der Gemeinderat keine Stellung nehmen. Neben Bachmann hätte ein Zweitanbieter offerieren müssen – dies schreibt das Erlenbacher Gemeindereglement bei Bauvorhaben über 20000 Franken vor. Auch zu diesem Punkt will auf Anfrage niemand bestätigen, ob eine Zweitofferte eingeholt wurde oder nicht.

Die Kosten hingegen sind in der dem Beobachter vorliegenden Investitionsrechnung 2003 ausgewiesen: 115000 Franken. Dies ist viermal so viel, wie ein solches Feld laut dem Schweizer Volleyballverband Swiss Volley durchschnittlich kostet, wenn die Aktiven noch selbst Hand anlegen. Bachmann überzog auch den Voranschlag – um satte 25000 Franken.

Die Tieferlegung des Felds und eine Stützmauer hätten diese hohen Kosten des Beachvolleyballfelds verursacht, sagt der Gemeindepräsident. Von Vetternwirtschaft oder von Filz im Gemeinderat könne laut Gucker keine Rede sein: «Solche Vorwürfe sind absolut haltlos und entbehren jeglicher Grundlage.»

Als Beweis für seine Ehrenhaftigkeit führt er den Umbau des Gemeindehauses an. Gucker war Mitglied der Baukommission. Deshalb habe seine Firma keine Offerte eingereicht, «geschweige denn einen Auftrag ausgeführt», sagt Gucker.

Weniger zurückhaltend war da sein Gemeinderatskollege Hans Bachmann. Er erhielt den Zuschlag, den Garten des Gemeindehauses zu bestellen. Auch die Granitbänke für den kürzlich renovierten Pausenplatz der örtlichen Primarschule errichtete Bachmann. Und gemeinsam bauten die Firmen von Gucker und Bachmann die Kinderkrippe JoJo um.

Klare Kritik von Expertenseite


«Weder Herr Bachmann noch ich genossen je bei einer Bauvergabe eine Vorzugsbehandlung», verteidigt sich Gucker. In Erlenbach werde die geltende kantonale Submissionsverordnung strikt eingehalten. Vergaben an Behördenmitglieder würden mit der notwendigen Sorgfalt konsequent nach den Vorschriften umgesetzt.

«Es fehlen Angaben, ob und wie die Aufträge ausgeschrieben wurden», sagt Anwalt und Vergabespezialist George M. Ganz, der für Kantone und Gemeinden die heute geltenden Submissionsgrundlagen erarbeitet hat. «Man müsste genau wissen, wer an der Erarbeitung der Ausschreibungsunterlagen mitgewirkt hat.» Diese Unterlagen muss die Gemeinde nicht herausrücken, weil die Verfahren abgeschlossen sind. Ohne diese Informationen, so Ganz, könne den Gemeinderäten ein Gesetzesverstoss nicht nachgewiesen werden. Ganz ist jedoch ebenfalls erstaunt, «in welchem Mass wesentliche Bauaufträge an Behördenmitglieder vergeben worden sind».

Die Häufigkeit der Aufträge mache stutzig, sagt auch Anne Schwöbel, Geschäftsführerin von Transparency International Schweiz. «Einzelne Gemeinderäte könnten da in Konflikte zwischen priva-tem und öffentlichem Wohl geraten sein», sagt Schwöbel, die Schweizer Vertreterin der Organisation zur Korruptionsbekämpfung. «Bei Vetternwirtschaft sind Beweise grundsätzlich schwierig zu erbringen, weil jeweils vieles mündlich und hinter verschlossenen Türen abläuft.»

Gucker bestreitet, an der Gemeinde viel zu verdienen. «Meine Firma hat in den letzten sechs Jahren mit Gemeindeaufträgen 240000 Franken Umsatz gemacht. Diese Arbeiten machen weniger als zwei Prozent des Firmenumsatzes aus», behauptet er. Bei Gartenbauer Bachmann seien es weniger als fünf Prozent.

Einen unbekannten Teil des Familienumsatzes konnte auch die Frau des Gemeindepräsidenten mit Hilfe der öffentlichen Erlenbacher Hand bestreiten. Eleonore Gucker durfte der Gemeinde zwei ihrer Kunstwerke verkaufen, die jetzt das neue Gemeindehaus zieren. Die Idee für den Kauf der Plastiken stamme nicht von ihm, sondern von einem anderen Mitglied des Gemeinderats, entgegnet Gucker. Zudem sei auch Kunst von anderen Künstlern gekauft worden. In der Bauabrechnung ist jedoch nur der Kauf zweier Plastiken vermerkt – derjenigen von Eleonore Gucker.

Das Budget für den Gemeindehausumbau wurde laut Bauabrechnung gleich um 80000 Franken überschritten. Mehrkosten für Möbel und EDV-Kabel sind laut Abrechnung verantwortlich für die Überschreitung – und die Kunst am Bau.

Quelle: ZSZ