Geschichten aus der Nachbarschaft

Nachbarinnen und Nachbarn erleichtern unser Leben, helfen, wenn das Salz ausgeht, tragen schwere Einkaufstaschen die Treppen hoch. Oder aber sie machen uns die Hölle heiss, beklagen sich über ein nicht ordnungsgemäss angebrachtes Schuhgestell, schimpfen über lautes Kinderlachen, petzen bei der Verwaltung. 

Nachbarschaft ist ein soziales Phänomen, das zwar alle kennen, aber ganz unterschiedlich aufgefasst wird. Über die Feiertage erzählen Angehörige der Beobachter-Redaktion, was sie mit ihren Nachbarinnen und Nachbarn erlebt haben.

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Meine Tochter Carlotta, 9, meldete sich ab. Sie ging zu Nachbar Heinz zum Abendessen. Dort gab es jeweils Milchreis mit Zwetschgenkompott, weil seine Tochter Anouk fast nur das ass. Unsere Hausgemeinschaft in einem fünfstöckigen Haus am Idaplatz in Zürich hatte für die acht Kinder der vier Familien Vorteile. Sie konnten essen, wo das Essen am besten schmeckte. Und ich stand allein in der Küche mit meinem Lammfilet mit Kräutersenfkruste an Portweinhonigjus. Denn Tochter Paulina, 6, ass gerade bei Nachbarin Süse, die eine Gemüselasagne kredenzt hatte.

Eine Hausgemeinschaft ist ein urliberales Modell, wurde mir in der einsamen Küche bewusst. Sie führt zu knallharter Konkurrenz. Und ich erinnerte mich an jene denkwürdigen Weihnachten. «Was, du hast ein ponygrosses Einhorn bekommen?», sagte Paulina zu Alma. Und es folgte das unweigerliche «Papi, das will ich auch!».

Und dann der «Style-Druck» – plötzlich wollten alle Erstgeborenen im Haus ein Tattoo oder standen mit der Dächlikappe vor den Spiegel und sagten: «Hey, Mann!» 

Welcher Nachbarschaftstyp sind Sie?

Die Distanzierten (47 Prozent der Bevölkerung)

Ihnen sind Abstand, Diskretion und Unabhängigkeit wichtig, sie möchten weder gestört werden noch jemandem zurLast fallen. Im Notfall sind sie aber zur Stelle. Und ab und zu schätzen sie auch zweckorientierte Treffen.

Die Inspirationssuchenden (30 Prozent)

Für sie stehen Toleranz und anregende Begegnungen im Vordergrund. Inspirationssuchende schätzen kollektive, sinnerfüllte Aktionen und Vielfalt und suchen den Blick überden eigenen Tellerrand hinaus.

Die Beziehungspflegerinnen und -pfleger (14 Prozent)

Sie wünschen sich ein freundschaftliches, fast familiäres Verhältnis in einer homogenen, harmonischen Nachbarschaft. Sie legen Wert auf enge Kontakte, Gemeinschaftsaktivitäten und gegenseitige Unterstützung im Alltag.

Die Wertorientierten (9 Prozent)

Sie möchten unter Leuten leben, die ähnliche Ansichten teilen. Statt enger Beziehungen wünschen sich Wertorientierte respektvolle Distanz und einen rücksichtsvollen Umgang miteinander. Sie sind hilfsbereit. Im Alltag reicht ihnen ein gelegentlicher Austausch im Treppenhaus.

Quelle: «Hallo Nachbar:in. Die grosse Schweizer Nachbarschaftsstudie» des Gottlieb-Duttweiler-Instituts, August 2022. Um die Studie einzusehen, hier klicken.