Die Probleme mit den Wasserleitungen im Mehrfamilienhaus von Philippe und Stephanie Moser in Ruswil LU (Namen und Ort geändert) fingen vor vier Jahren harmlos an. «Das Wasser war klar, aber an vielen Hahnen war der Wasserdruck zu gering», sagt Stephanie Moser. Beim Duschen wünschen sich aber die Bewohner einen starken Wasserstrahl.

Mosers beauftragten eine Spezialfirma mit der Behebung des Mangels. Die Spülung und die chemische Behandlung des Leitungssystems brachten aber keinen Erfolg, ebenso wenig der Einbau verschiedener Geräte, die die Korrosion bekämpfen sollten. Die Probleme haben sich seither sogar verschärft: «Nachdem die Firma säurehaltige Stoffe eingesetzt hatte, kam das Wasser sogar brandschwarz», ärgert sich Philippe Moser. Sein Nachbar Ingo Felder (Name geändert) machte die gleichen Erfahrungen: «Seit der angeblichen Sanierung haben wir nur riesige Probleme und braunes Wasser.»

Auch im Tessin wurde gepfuscht
Gleich lautende Reklamationen kommen von Angela Gagliardi, Miteigentümerin eines Elf-Familien-Hauses in Cagiallo TI. Fast drei Jahre nach Rohrsanierung bleibt das Resultat unbefriedigend. «Wir fühlen uns betrogen. Wir erhielten die schriftliche Garantie, dass das Wasser innerhalb von vier bis sechs Wochen rostfrei sei», sagt sie. Das Wasser sei nach wie vor gelb verfärbt und mit schwarzem Sand vermischt.

Für die missratene Arbeit stellte die Firma aber Rechnung: je rund 17'000 Franken. Hinzu kamen für die Hausbesitzer hohe Kosten für die monatelangen Umtriebe, Reklamationen der Mieter, Anwalts- und Expertenkosten – und ein erheblicher Mehrverbrauch an Wasser. Denn der Geschäftsführer der Spezialfirma verlangte, dass in den Häusern alle Wasserhahnen dreimal täglich gespült werden. Nachdem alle seine Bemühungen nichts gefruchtet hatten, ging er nicht einmal auf die Forderung einer teilweisen Rückerstattung der Kosten ein. Ursache der Probleme seien stagnierendes Wasser in den Leitungen und ein ungenügendes Spülen durch die Bewohner. «Wenn eine einzige Zapfstelle nicht gespült wird, kann sich kein homogener Schutzfilm aufbauen», erklärte er.

Robert Haas vom Schweizerischen Verein des Gas- und Wasserfachs (SVGW) sind solche Probleme bekannt: «Rohr-Innensanierungen sind immer Flickwerk», sagt der Experte. Sobald Rostwasser aus den Leitungen komme, sei dies ein klares Indiz für eine Beschädigung der Rohre – mit Ausnahme von einer gewissen rötlichen Verfärbung des Wassers nach einer Ferienabwesenheit. Für Haas ist klar, dass solche Sanierungen eine blosse Symptombekämpfung darstellen und die Probleme bestenfalls kurzfristig beseitigen können.

Reinigungen mit Chemikalien gelten gar als ausgesprochen heikel: Sobald diese Stoffe zu lange auf die Leitungen einwirken, greifen sie die schützende Zinkschicht an. «Wenn einmal das blanke Eisen hervortritt, besteht erst recht Gefahr, dass die Wasserleitungen korrodieren», warnt Robert Haas. Die Zusammenhänge sind auch den zuständigen Wasserwerken bekannt, sagt Kurt Keller, Verwalter der Gemeindewasserversorgung Ruswil: «Die Behandlung mit Chemikalien hat in einigen Fällen erst recht zu Wasserschäden geführt, weil während der Sanierung Feuchtigkeit aus den Leitungen ins Mauerwerk drang.»

Bei den meisten Verfahren und Geräten, die die auf Rohr-Innensanierungen spezialisierten Firmen einsetzen, ist die Wirksamkeit kaum oder nicht erwiesen:

  • Kathodischer Korrosionsschutz: Mit Hilfe eines elektrochemischen Verfahrens soll Korrosion vermieden werden. Sinnvoll für grosse Stahlbehälter in der Industrie, aber wenig geeignet für den Wohnungsbau.
  • Dosiergeräte, die Silikat ins Wasser pumpen: Die Bildung einer Schutzschicht gelingt in der Praxis oft nicht. Weil Wasser Sauerstoff enthält, rostet die Leitung unter der Schutzschicht oftmals einfach weiter.
  • Rohrspülung und anschliessende Bildung einer Zwei-Komponenten-Beschichtung: ein relativ aufwändiges Verfahren, bei dem das Risiko von Rohrbrüchen besteht, weil mit hohem Druck gespült wird.
  • «Esoterische Verfahren» wie Energetisierung, Verwendung von Granderwasser oder Impfen mit Heilwassern: Wissenschaftliche Belege zur Wirksamkeit existieren nicht. Es droht indes ein Gesundheitsrisiko: Wenn die beigemischten Heilwasser eine Zeit lang stehen gelassen werden, gedeihen Keime, die dann ins Trinkwasser gelangen. Robert Haas vom SVGW warnt ausdrücklich vor der «Verkeimungsgefahr beim Stehenlassen solcher Wasser».


Besser ist es, das ganze Leitungssystem zu ersetzen. Ob und zu welchen Kosten dies möglich ist, hängt vom jeweiligen Gebäude ab. Sofern die Wasserleitungen im Keller und im Gebäudeinnern gut zugänglich sind, lohnt sich in jedem Fall eine Erneuerung aller sichtbaren Leitungen. Auch wenn ohnehin Renovationen und Umbauten anstehen, sollte diese Variante geprüft werden. Denn im Gegensatz zu den lange Zeit verwendeten verzinkten Stahlrohren sind heute neue Produkte aus Edelstahl oder Kunststoff erhältlich, die kaum mehr für Rost anfällig sind.

Das erwies sich auch bei Familie Moser als einzig wirksames Mittel. Stephanie Moser sagt: «Eine massive Besserung stellte sich erst ein, als wir durch einen Sanitärinstallateur einen Teil der Rohre ersetzen liessen.» Nachdem die Spezialfirma für die unbrauchbare «Entrostung» bereits Rechnung über 17'000 Franken gestellt hatte, kamen so noch einmal rund 9000 Franken für das Ersetzen der Rohre dazu.

Die Behörden wissen längst Bescheid
Hätte sich die Rohrreinigungsfirma beim lokalen Wasserwerk oder beim verantwortlichen Brunnenmeister erkundigt, so hätte man von Anfang an Klarheit gehabt: Aufgrund häufig auftretender Korrosion empfehlen die Behörden in Ruswil seit längerem, Stahlrohre durch rostfreie Installationen zu ersetzen.