Einem «Reisli» übers verlängerte Osterwochenende ins nahe Ausland ist Hansruedi Hählen aus dem zürcherischen Rafz nur selten abgeneigt. Klar ist aber eines: «Nie wieder fahre ich nach Österreich!» Grund dafür sind die Erfahrungen bei seinem letzten Ausflug, als die Reiselust des 70-jährigen Rentners abrupt auf der Strecke blieb: Nachdem er sich auf einer Raststätte vor Innsbruck verpflegt hatte, fand er unter dem Scheibenwischer seines Autos eine Busse über 120 Euro (185 Franken): Die Vignette – in Österreich Pickerl genannt – sei nicht ordnungsgemäss angebracht.

Der ehemalige Zöllner fühlte sich ungerecht behandelt. Denn er hatte das Pickerl sehr wohl aufgeklebt – am linken hinteren Seitenfenster. Doch auch ein Rekurs änderte nichts am Verdikt der österreichischen Gendarmen. Im Gegenteil: Schliesslich musste Hählen 404 Euro (620 Franken) bezahlen. Denn die Österreicher wollen die Vignette nicht am hinteren Seitenfenster sehen, sondern an der Frontscheibe. Dies ist auf dem Pickerl auch unmissverständlich beschrieben.

Ignorieren ist nicht ohne Risiko



Hansruedi Hählen wäre besser weggekommen, hätte er die Busse ignoriert. «Wenn ein Schweizer in Österreich eine Parkbusse oder eine andere geringe Busse erhält und nicht bezahlt, muss er nicht mit unmittelbaren Konsequenzen rechnen», bestätigt Dominik Tschol, Jurist beim österreichischen Automobilklub ÖAMTC. Das Gleiche gilt für vergleichbare Bussen, die in Italien, Frankreich oder Deutschland eingefangen werden.

Das Nichtbeachten einer Busse ist allerdings nicht ganz ohne Risiko, denn man kann von der Polizei registriert werden. In Deutschland und Österreich beträgt die Verjährungsfrist drei, in Frankreich ein bis drei und in Italien fünf Jahre. Kehren die Verkehrssünder wieder ins Land zurück, in dem die Busse fällig ist, müssen sie diese gleich bei der Einreise bezahlen. «Dies geschieht jedoch relativ selten, da das Auto zuerst von der Polizei erkannt werden muss», erklärt Patrick Dorner von der Rechtsschutzversicherung Assista. Wird ein Wagen hingegen auf einem Parkplatz abgestellt und dort erkannt, befestigt die Polizei einen Radschuh. Eine Weiterfahrt ist dann nicht mehr möglich. Wer nicht genügend Geld bei sich hat, muss mit der Polizei direkt zur Bank gehen. Ist auch dies nicht möglich, wird das Fahrzeug bis zur Bezahlung stillgelegt – dies handhaben die vier Nachbarländer gleich.

Parkbussen selten nachgeschickt



Unterschiedlich hoch fallen die Gebühren beim Nachbezahlen einer Busse aus. Während die Deutschen bei einer Parkbusse 25.60 Euro zusätzlich verlangen, muss man in Italien das Doppelte, in Österreich bis zum Dreifachen der ursprünglichen Busse bezahlen. Frankreich verlangt pauschal 375 Euro. Nur in seltenen Fällen wird eine Parkbusse ins Ausland nachgeschickt: «Der Aufwand ist zu gross für den kleinen Betrag», sagt Dominik Tschol vom österreichischen Automobilklub.

Ausländische Beamte schicken deshalb erst bei Bussen ab etwa 100 Franken eine Rechnung in die Schweiz – auf Bezahlung dürfen sie allerdings bestenfalls hoffen. Denn ausländische Behörden haben keine Möglichkeit, hierzulande Bussen einzutreiben; auch Inkassofirmen sind dazu nicht berechtigt. Deshalb zieht die örtliche Polizei, wenn ihnen ein Schweizer Fahrer in flagranti ins Netz geht, die Busse oder die Kaution in allen Anrainerstaaten gleich an Ort und Stelle ein.

Bis zu zwei Jahre Fahrverbot



Bei schweren Delikten, bei denen die Fahrerlaubnis entzogen wird, melden die ausländischen Behörden den Fall in der Regel den zuständigen Schweizer Ämtern. Diese entziehen dann den Ausweis oder sprechen eine Verwarnung aus. «Allerdings ist dies Ermessenssache der Schweizer Behörden und wird von Kanton zu Kanton unterschiedlich streng gehandhabt», sagt Hanspeter Eugster, Mediensprecher der Kantonspolizei St. Gallen. Eine allenfalls bereits vollstreckte Entzugsdauer im Ausland wird in der Schweiz angerechnet.

Neben Bussen wird das Fehlverhalten auf fremden Strassen auch mit Negativpunkten bestraft. Alle Nachbarländer ausser Österreich (Einführung erst Mitte Jahr) kennen ein solches Punktesystem. Beispiel Deutschland: Hier erhalten bei einer Geschwindigkeitsübertretung von mehr als 21 Kilometern pro Stunde auch Schweizer Fahrer je nach Schwere des Vergehens ein bis vier Punkte, die dann ins Flensburger Punkteregister eingetragen werden. Sind 18 Punkte erreicht, gibt es ein Fahrverbot auf deutschen Strassen für mindestens sechs Monate, ausserdem werden die Vergehen den Schweizer Behörden gemeldet. In Italien müssen Automobilisten, die nach groben Verkehrsverletzungen 20 Punkte auf dem Buckel haben, gar mit einem Fahrverbot von bis zu zwei Jahren rechnen.

Dann gibts für den Kurztrip nach Como oder Turin wirklich nur noch eines: den Zug nehmen.

Lektüre



TCS-Broschürenserie «Show your Card!» mit Infos und Verkehrsregeln in europäischen Ländern; Download oder Bestellung unter www.tourismustcs.ch


Daniel Leiser: «Meine Rechte im Strassenverkehr»; Beobachter-Buchverlag, 2004, 34 Franken; Bezug: Telefon 043 444 53 07, Fax 043 444 53 09

Radiotipp



Mehr zum Thema: Beobachter-Ratgeber auf DRS 3, Mittwoch, 30. März, 10.10 Uhr

Quelle: Archiv