Das Wohnhaus «Pfirsich» an der Pfirsichstrasse 11 steht mitten in einem Wohnquartier im Zürcher Kreis 6. Das weisse, sechsgeschossige Mietshaus fällt in der Häuserzeile allenfalls durch die modernen Balkone aus gelochtem Aluminium auf. Gleich hinter der Eingangstür im Parterre liegt die Hausküche. Am Anschlagbrett hängt neben dem städtischen Entsorgungskalender ein Terminplan für Reservationen des Gästezimmers. Das tönt ungewohnt. Sind wir hier in einer Pension gelandet oder was?

Keineswegs. Das Haus «Pfirsich» ist ein so genanntes Singlehaus. Dabei handelt es sich um ein normales Mietshaus, das ausschliesslich von Alleinstehenden bewohnt wird. Im Mieterland Schweiz ist das neu.

Ursprünglich gehörte das Gebäude dem Hotel Storchen in den 40 Einzelzimmern schlief das Personal. 1996 kaufte die ökologisch-ethische Anlagestiftung «Nest» die Liegenschaft mit der Absicht, ein Mietshaus für Singles einzurichten. Mit dem «Pfirsich» habe die Stiftung eine Nische füllen wollen, die im üblichen Wohnungsangebot fehle, sagt «Nest»-Geschäftsleiterin Andrea Ramisberger. «Wir ergänzen das Angebot der Baugenossenschaften, die vor allem Familienwohnungen erstellen; an Singles hingegen denkt kaum ein Investor.»

Das «Pfirsich»-Konzept stammt von der Zürcher Architektin Iris Neukom, die auch für den Umbau zuständig war. Das Resultat: 14 grosszügige und offene Wohnungen samt Bad und Küche mit etwa 50 Quadratmeter Grundfläche. Die Wohnungsmiete von 1500 Franken, inklusive Nebenkosten, ist für Zürcher Verhältnisse bescheiden.

Von WG-Ambiance keine Spur

Heute blickt man im Haus «Pfirsich» auf drei Jahre Wohnerfahrungen zurück. Was unterscheidet es von anderen Mietshäusern? «Während in Siedlungen Spielplätze gebaut werden, investierten wir im Singlehaus fürs gleiche Geld in Gemeinschaftsräume», sagt Andrea Ramisberger. Dazu gehören das Gästezimmer, die Hausküche sowie der Partyraum für gemeinschaftliche Anlässe. Monatliche Pflichtabende wie in einer Wohngemeinschaft gebe es aber nicht, stellt Architektin Iris Neukom beim Kaffee in der Hausküche klar. «Hier kann man für sich wohnen und ist doch nicht isoliert wie in einem anonymen Wohnblock.» Von der Grösse her erachtet sie ein bis zwei Dutzend Parteien als ideal für ein Singlehaus. «So entsteht kein sozialer Druck durch zu viel Nähe.»

Hauswirtin als guter Geist

Die acht Männer und sechs Frauen zwischen 25 und 54 Jahren sind alle berufstätig und bilden eine lockere Gemeinschaft. Sie werden ein Novum für Schweizer Mietshäuser von einer Hauswirtin umsorgt. Selber überzeugter Single, wohnt diese zuoberst im Haus «Pfirsich». Als ehemalige Lehrerin, Hüttenwartin und Reiseorganisatorin hat Ursula Keller (Bild) langjährige Erfahrung im Umgang mit Menschen. Als «guter Geist» im Haus schaut sie nicht nur bei Waschküche und Heizung nach dem Rechten; sie ist für die Mieterinnen und Mieter vor allem der gute Kumpel. Wer Lust auf einen Schwatz hat, kann bei ihr anklopfen, und das auch mal um elf Uhr abends.

Im Haus spricht man sich mit Vornamen an. «Hier kennen sich die Bewohner garantiert schneller als in einem herkömmlichen Mietshaus», sagt Ursula Keller. So kann aus dem Schwatz im Treppenhaus ein spontaner Apéro werden. Und es kann schon mal vorkommen, dass ein Mitbewohner für das ganze Singlehaus kocht. Bei der Hauseinweihung 1998 lud man die Nachbarn der umliegenden Häuser im Innenhof zu Open-Air-Kino, Häppchen und Getränken. «Ein Riesenerfolg», erinnert sich Ursula Keller. Das Singlehaus sei eine Bereicherung für das Quartier, ist sie überzeugt. Für ihre Arbeit erhält die Hauswirtin von der Verwaltung 700 Franken pro Monat. Das ist etwas mehr als bei einem üblichen Hauswartungsjob.

Doch die Hülle allein mache das Konzept eines Singlehauses noch nicht aus, ist Architektin Iris Neukom überzeugt. Die Hauswirtin oder der Hauswirt gehörten dazu. Mit diesem Modell wurde Neuland betreten. So glaubte die Baupolizei, bei der Bezeichnung «Hauswirtin» in den Baueingabeplänen handle es sich um einen Druckfehler, da müsse doch garantiert die Hauswartin gemeint sein.

Das Projekt war aber auch für die Hausverwaltung gewöhnungsbedürftig. «Grosse Immobilienfirmen winkten bei unserer Anfrage ab, da sie sicher waren, eine Hauswirtin verursache nur Mehrkosten.» Diese Renditerechnung sei jedoch grundfalsch, sagt Iris Neukom. Externe Hauswartungen, heute gang und gäbe, bewährten sich oft nicht. Eine Vertrauensperson im Haus zahle sich aus, weil die Liegenschaft dadurch besser gepflegt werde.

Keine Isolation für Senioren

Das Singlehaus brachte Iris Neukom im letzten Herbst mit Simone Gatti, Fachfrau für Organisationsentwicklung, zusammen. Anfang Jahr gründeten die beiden das gemeinsame Unternehmen «Zukunftswohnen für Einzelpersonen». Die zwei hatten sich an einer Veranstaltung kennen gelernt, als Simone Gatti mit ihrem Projekt der Senioren-Wohnbaugenossenschaft «Segeno» in Opfikon ZH neue Wege für das Zusammenleben für Seniorinnen und Senioren vorstellte.

«Die Segeno-Hausgemeinschaft bietet seit 1997 über 60-Jährigen eine eigenständige, gemeinschaftliche und damit sinnvolle Alternative zum Wohnen im Alterszentrum», sagt Simone Gatti. Bei Bedarf ist der Mahlzeitendienst, die Spitex und ein Arzt ganz in der Nähe. Wie im Haus «Pfirsich» herrscht in der «Segeno» eine offene Grundstimmung; die Bewohner laden sich zum Kaffee ein und helfen sich gegenseitig. Derzeit steht ein Ergänzungsbau kurz vor der Fertigstellung.