Seit 30 Jahren wohnt Lilly Merlo im 17. Stock eines Zürcher Hochhauses. Von ihrer Zweizimmerwohnung aus überblickt sie bei schönem Wetter die ganze Stadt. «Hier bleibe ich bis an mein Lebensende», sagt die lebensfrohe 76-Jährige.

Noch vor ein paar Jahren war sie weniger optimistisch. Merlo leidet an Fibromyalgie, einer Krankheit, die chronische Schmerzen in Muskeln und Sehnen verursacht. Rund 25 Operationen hat sie bereits hinter sich. Die schlimmer werdenden Beschwerden liessen sie in der Wohnung auf immer neue Hindernisse stossen. «Je stärker die Behinderungen wurden, desto mehr Hilfsmittel brauchte ich.» Doch sie liess sich nicht entmutigen und gestaltete ihre Wohnung um: Speziell angebrachte Küchentücher helfen ihr beim Öffnen der Küchenschränke. Dank einer neuen Garderobenstange muss sie sich nicht mehr nach Tasche und Schals bücken. Und mit einer Greifzange kann sie Gegenstände vom Boden hochheben.

Kleine Umbauten machen selbstständig

Bei der Badewanne stiess Lilly Merlo jedoch an ihre Grenzen. Deshalb wandte sie sich an die Fachstelle Wohnberatung und Wohnungsanpassung von Pro Senectute im Kanton Zürich. Diese half ihr, die Wohnung nach ihren Bedürfnissen auszustatten. Ein elektronischer Badelift senkt sie heute in die Wanne und hilft ihr wieder beim Heraussteigen. Ein Haltegriff und Antirutscheinsätze ermöglichen ihr, das Gleichgewicht beim Ein- und Ausstieg zu halten. Unterstützt durch eine Haushalthilfe, kann Lilly Merlo heute wieder so selbstständig leben, wie sie es früher gewohnt war.

Die meisten Menschen möchten so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden leben. Doch im Alter ist dies nicht mehr selbstverständlich: Treppen werden zum unüberwindbaren Hindernis, der Einstieg in die Badewanne zum riskanten Kletterakt. Was viele nicht wissen: Oft reicht es, kleine Dinge neu zu organisieren, um Sicherheit und Selbstständigkeit zu verbessern.

«Viele Leute unterschätzen, wie gut man seine Wohnung an veränderte Bedürfnisse anpassen kann», sagt Felix Bohn. Während vier Jahren leitete er die Zürcher Fachstelle der Pro Senectute. Rund 180 Anfragen pro Jahr erhielt er während dieser Zeit.

Vorwiegend ältere, allein stehende Frauen lassen sich von dieser Fachstelle beraten. «Zu schaffen macht älteren Menschen vor allem die Benutzung von Badezimmer und Treppenhaus», sagt Bohn. Hier entscheide sich häufig, ob jemand zu Hause bleiben könne oder ob sich der Gang ins Heim aufdränge.

Vor jedem Umbau macht der heute selbstständige Bauberater mit der betroffenen Person eine Wohnungsbegehung: Würde ein zweites Geländer im Treppenhaus für mehr Sicherheit sorgen? Sind die Fenster bedienbar, ist das selbstständige Aufstehen vom Sofa und aus dem Bett möglich? Was muss in Badezimmer und Küche verändert werden?

Felix Bohn lässt sich die konkreten Probleme schildern, entwickelt Lösungen, bespricht sie mit den Betroffenen und klärt diese auch über die Kosten auf. «Ich versuche, wenn immer dies möglich ist, mobile Hilfsmittel einzusetzen und bauliche Veränderungen zu vermeiden», sagt der Architekt und Ergotherapeut. Ein Badebrett oder ein WC-Aufsatz zum Beispiel kosten nur wenig und lassen sich leicht wieder entfernen.

Sind jedoch massive bauliche Eingriffe nötig, dann braucht es die Einwilligung des Vermieters. Und ist eine teure Lösung notwendig, muss vor dem Eingriff unbedingt noch die Finanzierung geklärt werden. Denn wer im AHV-Alter plötzlich behindert wird, kann nicht damit rechnen, dass die Invalidenversicherung einen Beitrag an die Wohnungsanpassung zahlt. Hingegen besteht die Möglichkeit, bei der Pro Senectute oder bei anderen gemeinnützigen Organisationen finanzielle Hilfe zu beantragen.

Felix Bohn ist überzeugt, dass Wohnungsanpassungen auch für die Vermieter von Nutzen sind. «Die Menschen bleiben länger in ihrer Wohnung, und die altersgerechten Wohnungen ermöglichen ein grösseres Spektrum an Mietern.» Zudem lassen sich Pflegekosten sparen: Zwei Haltegriffe im Badezimmer und ein Badelift kosten weniger als 3000 Franken; eine Badewanne durch eine Dusche zu ersetzen kommt auf weniger als 10000 Franken zu stehen. Bohn: «Solche Ausgaben entsprechen einem Bruchteil der jährlichen Kosten eines Heimaufenthalts.»

Alles gegen Stürze tun

Auf Prävention setzt auch der Zürcher Stadtarzt Albert Wettstein: «Die grösste Gefahr für ältere Menschen sind Stürze.» Deshalb fordert er: «Weg mit dem Kabelsalat, weg mit allen Hindernissen in Gang und Wohnzimmer. Stattdessen sollte man eine rutschsichere Teppichunterlage anbringen und für eine gute Beleuchtung in allen Zimmern sorgen.»

Einen guten Überblick über diverse Wohnhilfsmittel verschafft ein Besuch an der Schweizerischen Hilfsmittelausstellung Exma in Oensingen. Wichtig ist, dass die Betroffenen sich ausführlich über Möglichkeiten und Grenzen von Wohnungsanpassungen informieren. Dadurch verringert sich das Risiko, dass sich die gewählte Lösung im Alltag nicht bewährt.

Auch Familie Häfeli hat sich beraten lassen. Werner Häfeli, 75, ist seit einem Schlaganfall vor zwei Jahren linksseitig gelähmt. Therapeuten aus der Rehabilitationsklinik sowie ein Bauberater haben mit dem Patienten das Haus besichtigt und mögliche Lösungen geprüft.

Grössere bauliche Eingriffe konnten dank diesem Vorgehen vermieden werden. Geländer auf beiden Seiten der Treppe, ein spezieller Sessel, Haltegriffe, ein WC-Aufsatz, ein Elektrobett sowie der Spitexdienst haben es ermöglicht, dass Werner Häfeli, mit der Unterstützung seiner Frau, wieder zu Hause wohnen kann.

Buchtipp

Felix Bohn:

«Wohnungsanpassungen bei behinderten und älteren Menschen.»

38 Franken.

Bei: Schweizerische Fachstelle für behindertengerechtes Bauen

Kernstr. 57

8004 Zürich

Tel. 01 299 97 97

Weitere Infos

Exma, Schweizerische Hilfsmittelausstellung, Dünnernstrasse 32, 4702 Oensingen, Telefon 062 388 20 20, exma@sahb.ch, www.sahb.ch

Pro Senectute Schweiz, Lavaterstrasse 60, 8027 Zürich, Telefon 01 283 89 89, www.pro-senectute.ch

Pro Senectute Kanton Zürich, Fachstelle Wohnberatung/Wohnungsanpassung, Forchstrasse 145, 8032 Zürich, Telefon 01 421 51 51, www.zh.prosenectute.ch

Spitex-Verband Schweiz, Belpstrasse 24, 3000 Bern 14, Telefon 031 381 22 81, www.spitexch.ch