Tief hängen düstere Wolken an den Hügeln
des Laufentals, die Birs führt Hochwasser und Schlamm
Richtung Basel. Ähnlich getrübt ist die Atmosphäre
in der unscheinbaren 1200-Seelen-Gemeinde Duggingen BL. Hier
hat es die kommunale Finanzverwalterin Ursula Gygax (Bild), 39, gewagt,
sich mit dem Gemeindepräsidenten anzulegen.
Reinhard Vögtlin, 73, ist eine Art Dorfkönig.
Der pensionierte Ingenieur hatte in den achtziger Jahren im
langwierigen Kampf der Laufentaler an vorderster Front für
die Loslösung vom Kanton Bern gekämpft und sich
über die engen Talgrenzen hinaus einen Namen gemacht.
Noch heute verrät sein Tonfall Überlegenheit; meisterhaft
kann er debattieren, Seilschaften bilden und Sachverhalte
herunterspielen. Gegen den Politfuchs haben die übrigen
Gemeinderäte wenig zu melden selbst wenn sie wollten:
Vize Richard Köhli, Mirjam Fehr, René Tschan und
Rebekka Utzinger.
Umstrittener Lohnausweis
Ganz anders die Finanzverwalterin: Sie sei ein «Buchhaltertyp»,
sagt Ursula Gygax. Parteilos, unauffällig, mit den Dorfgewaltigen
nicht verbandelt, verwaltet sie seit 13 Jahren die Dugginger
Gemeindefinanzen. Noch diesen März erklärte sich
der Gemeinderat mit der Finanzverwalterin «sehr zufrieden»,
eine Visura-Studie attestierte ihr im Jahr 1996 «Kompetenz».
Doch neuerdings hängt der Haussegen schief: Ursula
Gygax hatte sich geweigert, einen Lohnausweis für den
Gemeindepräsidenten zu unterschreiben. Das Dokument deklarierte
einerseits Bezüge, die weit über der von der Gemeindeversammlung
bewilligten Pauschale von 5000 Franken pro Jahr lagen; anderseits
war dieser deklarierte Lohn immer noch tiefer als Vögtlins
effektive Bezüge. Diesen Frühling erstattete Gygax
Anzeige. Ihr Motiv: «Ich wollte nicht zur Mittäterin
werden.»
Die Untersuchungsrichterin liess auf der Gemeindeverwaltung
massenhaft Akten beschlagnahmen und eröffnete gegen Vögtlin
sowie Gemeindeverwalter Urs Schönenberger ein Strafverfahren
wegen Amtsmissbrauchs, versuchter Anstiftung zur Urkundenfälschung
im Amt, Begünstigung und Urkundenunterdrückung.
Neuerdings muss Ursula Gygax um ihren Job bangen. Eine
Anfang September eiligst in Auftrag gegebene Reorganisationsstudie
der BDO Visura schlägt vor, das Pensum der Finanzverwalterin
aufzustocken. Auf diese Idee waren früher schon andere
gekommen: Bereits Ende Juli, einen Monat nach Bekanntwerden
der beiden Strafverfahren, hatte der Gemeinderat beschlossen,
das 35-Prozent-Pensum von Gygax in eine 100-Prozent-Stelle
umzuwandeln für die Mutter zweier schulpflichtiger
Kinder ein Ding der Unmöglichkeit.
Stimmberechtigte entscheiden
Die Stellenaufstockung begründet Visura-Mandatsleiterin
Erika Bachmann mit einer verbesserten Stellvertreterlösung
und der Übernahme von Arbeiten, die der nächstes
Jahr zurücktretende Gemeindepräsident Vögtlin
bisher geleistet habe. Die Beraterin widerspricht dem Vorwurf,
als blosses Feigenblatt für die Kaltstellung der couragierten
Finanzverwalterin zu dienen: «Ich fühle mich nicht
vorgeschoben. Es ist eine offene Situation. Entscheiden muss
die Gemeindeversammlung.»
Nun lastet am 15. Oktober auf den Dugginger Stimmberechtigten
die Gewissensfrage, ob sie ihre Finanzverwalterin durch Pensumserhöhung
abservieren wollen. Pikant: Die Stellenausweitung erhöht
die Personalkosten in einer Gemeinde, die bereits einen hohen
Steuerfuss aufweist.
Der Beobachter wollte von Gemeindepräsident Vögtlin
wissen, ob er der geistige Vater der Reorganisation gewesen
sei. Vögtlin wollte aber nicht Stellung nehmen: «Ich
bin nicht betroffen, ich ging immer in den Ausstand, ich weiss
von nichts.»