Maria Magdalena Ischer war 17, als sie ihren Sohn gebar. Das war 1966. Seither hat sie ihn nie mehr gesehen. Die Behörden gaben ihn zur Adoption frei, gegen ihren Willen. Ein Jahr später wurde sie im Frauengefängnis Hindelbank weggesperrt, ohne jedes Urteil.

Jetzt ist Maria Magdalena Ischer 65 Jahre alt. Sie hat bis heute nicht verkraftet, dass sie ihren eigenen Sohn nie kennenlernen konnte. Jahrzehntelang kämpfte sie – wie gegen Windmühlen. Man sagte ihr nicht einmal, wo ihr Sohn lebt. Vor einigen Jahren gab sie den Kampf auf. In ihrer Verzweiflung verfasste sie einen Abschiedsbrief. Ihr Sohn soll dereinst die ganze Wahrheit erfahren.

Die Ämter müssten Auskunft erteilen

Seit Jahren gibt es Bestrebungen, das Adoptionsgeheimnis für solche Fälle zu lockern: Ämter sollten Eltern zumindest allgemeine Informationen über ihre Kinder geben, unabhängig davon, ob ein Kontakt tatsächlich zustande kommen wird. Mehrfach haben sich National- und Ständerat hinter eine solche Änderung gestellt, doch eine gesetzliche Basis fehlt weiterhin. Bis heute haben nur Kinder das Recht, die Identität ihrer leiblichen Eltern zu erfahren. Immerhin liegt inzwischen ein Entwurf für eine neue Regelung vor, die diesen Missstand beheben will, bestätigt das Bundesamt für Justiz.

Was viele Betroffene nicht wissen: Eigentlich müssten Vormundschaftsbehörden (heute: Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden) ihnen schon jetzt Auskunft über die Identität der Kinder erteilen. Das Bundesamt für Justiz schickte Anfang Jahr ein entsprechendes Empfehlungsschreiben an die Vormundschaftsbehörden der Kantone und Gemeinden. Darin steht, dass das absolut formulierte Adoptionsgeheimnis erst seit der Gesetzesänderung von 1973 gilt. Eltern, deren Kinder vor diesem Zeitpunkt unter Zwang zur Adoption weggenommen wurden, sollten die Identität ihrer Kinder erfahren: «Adoptionen, die unter dem alten Recht (d. h. vor dem 1. April 1973) erfolgt sind, fallen grundsätzlich nicht unter das Adoptionsgeheimnis», so das Bundesamt für Justiz.

Doch das amtliche Schreiben hat wenig bewirkt: Die Interessengemeinschaft Zwangsadoptierte begleitete in den letzten Monaten rund ein Dutzend Betroffene bei der Suche nach ihren Kindern. Doch alle seien bei den Gemeindebehörden und Vormundschaftsämtern abgeblitzt, sagt Präsidentin Lisa Hilafu. Sie wurde als Kind selber den Eltern weggenommen und adoptiert, später von den Adoptiveltern bei Pflegefamilien fremdplatziert. Hilafu kritisiert: «Die Mütter kommen alle total enttäuscht von den Ämtern zurück. Sie fühlen sich einmal mehr hintergangen.»

Der Bund will Klarheit schaffen

Dass die eigene Empfehlung folgenlos geblieben ist, hat auch das Bundesamt für Justiz erkannt. Luzius Mader, stellvertretender Direktor und Leiter des runden Tischs zur Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen, kündigt gegenüber dem Beobachter an, demnächst werde man ein für die Vormundschaftsbehörden verbindliches Merkblatt veröffentlichen.

Wiedergutmachungsinitiative: In kürzester Zeit über 20'000 Unterschriften

Bis heute leiden Tausende von Frauen und Männern darunter, dass sie von den Behörden unter dem Titel «fürsorgerische Zwangsmassnahmen» verdingt, gegen ihren Willen sterilisiert und weggesperrt wurden. Ein überparteiliches Komitee kämpft nun gemeinsam mit dem Beobachter für deren Rehabilitierung.

Die Anfang April lancierte Volksinitiative fordert für die Betroffenen eine finanzielle Wiedergutmachung. Innerhalb zweier Wochen unterschrieben weit über 20'000 Personen die Initiative. Damit es zur Volksabstimmung kommt, sind 100'000 Unterschriften nötig. Setzen auch Sie ein Zeichen für die Wiedergutmachung und unterzeichnen Sie die Initiative. Unterschriftenbögen können Sie im Internet beziehen:

www.beobachter.ch/wiedergutmachung

www.wiedergutmachung.ch