Naxhije Rexhepi zeigt stolz auf das Büroschild mit ihrem Namen. Sie macht seit letztem September ein Zwischenjahr bei Job Plus, einem Brückenangebot des Laufbahnzentrums der Stadt Zürich. Vier Tage in der Woche arbeitet sie als Praktikantin beim städtischen Elektrizitätswerk (EWZ), wo sie am Computer Baupläne erstellt. Naxhije sagt begeistert: «Ich zeichne praktisch den ganzen Tag, manchmal gehe ich auf Baustellen mit und kürzlich habe ich selber die Masse für Armierungen in einem Schacht genommen.»

Anfang Jahr erhielt die junge Frau den Vertrag für die vierjährige Lehre als Konstrukteurin beim EWZ. «Ich wollte schon in der Sek einen technischen Beruf erlernen», sagt die 17-Jährige. Um dieses Ziel zu erreichen, musste sie nach dem Schulabschluss zwei Zwischenjahre absolvieren. Die Sek-B-Schülerin bewarb sich im letzten Schuljahr vergeblich um Lehrstellen als Bauzeichnerin. «Von unserer Klasse konnte nur etwa die Hälfte sofort eine Lehre beginnen, darunter keine einzige Frau», sagt sie.

Um ihre Chancen zu verbessern, machte Naxhije Rexhepi das zehnte Schuljahr. «In dieser Zeit bewarb ich mich um die 60 Mal.» Als einziges Angebot kam eines als Haustechnikerin, das sie ablehnte. «Während des Praktikums bewarb ich mich dann nur noch bei zwei Firmen, bei denen ich auch wirklich ausgebildet werden wollte.» Eine davon das EWZ. Dort wurde sie nach denselben Kriterien wie die anderen Bewerber beurteilt – und erhielt die Lehrstelle.

Im August 2008 begannen 21'500 Jugendliche ein Zwischenjahr; für 2009 werden ähnlich viele erwartet. Ein Viertel der Schulabgänger – in Kantonen wie Bern, Zürich oder Aargau gar ein Drittel – muss nach Schulabschluss in die Warteschleife. Rund drei Viertel aller Angebote für Zwischenjahre sind staatlich finanziert – als Brückenangebote oder Motivationssemester.

Um die 100 Bewerbungen hatte Nathan W. (Name der Redaktion bekannt) bis letzten Sommer geschrieben – ohne Erfolg. So kam der 17-Jährige direkt von der Sek zu Job Plus, wo er ein Detailhandelspraktikum bei Mobilezone macht. Dass er keine Lehrstelle fand, erklärt er mit ungenügenden Bewertungen für Betragen und Pünktlichkeit. In der kleinen Filiale soll er am Schluss des Jahres alle Bereiche kennen und Kunden selbständig bedienen können.

Keine Lehrstelle – was tun?

Zeichnet sich ab, dass die Lehrstellensuche schwierig wird, sollten Schulabgänger früh zweigleisig fahren – mit einer Zwischenlösung als Option. Eine persönliche Standortbestimmung hilft, das passende Angebot zu finden:

Kombinierte Brückenangebote/Motivationssemester: drei bis vier Tage praktische Arbeit mit einem Lohn von 400 bis 500 Franken, ein bis zwei Tage Schule pro Woche.

  • Bedingungen: Brückenangebote stehen allen Jugendlichen offen; für Motivationssemester muss man sich zusätzlich beim regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) anmelden.

  • Termine: Ab sofort können sich Interessierte anmelden, Eintritte sind während des ganzen Jahres möglich. Die praktische Arbeit beginnt frühestens im Juli und dauert im Schnitt zehn Monate, maximal zwölf.

  • Auskünfte zu geeigneten Zwischenjahren gibt es in den Berufsinformationszentren (BIZ). Adressen für alle Kantone: www.adressen.sdbb.ch

Um die 100 Bewerbungen geschrieben, aber noch keine Lehrstelle: Nathan W., 17

Quelle: Vera Hartmann
Krankgemeldet und erwischt

Unterdessen bewirbt er sich nicht mehr wie anfangs nur für eine KV-Lehrstelle, sondern auch als Lastwagenführer oder Automechaniker. «Ich weiss gar nicht so recht, was mich eigentlich interessiert», sagt er. Das Praktikum habe ihm nicht geholfen, dies herauszufinden. «Ich habe vor allem gelernt, pünktlich zu sein. Und bei der Bedienung der Kunden bin ich sicherer geworden», sagt er. Beworben hat er sich auch bei der Praktikumsfirma – anfangs mit guten Chancen. Dann hat er sich am Samstag, als alle Mitarbeitenden für das Inventar aufgeboten wurden, krankgemeldet. Der Filialleiter sah ihn dann aber auf der Strasse – die Lehrstelle konnte er vergessen.

Job Plus versteht sich als eine Art Steigbügel auf dem Weg in die Berufswelt: Schulabgänger ohne Lehre können erste Erfahrungen «on the job» sammeln; mit dem Ziel, ihr Berufsziel zu erarbeiten oder zu festigen. Dazu müssen sie – mit Unterstützung der Job-Plus-Leute – einen Praktikumsplatz in einer Firma finden, die beim Projekt dabei ist oder sich anschliessen will. Neben der praktischen Arbeit vertiefen die Teilnehmer an einem Tag pro Woche den Schulstoff.

Wer sich anmeldet, wird zu einem Gespräch eingeladen. Dabei wird geprüft, ob man die nötigen Voraussetzungen mitbringt. An erster Stelle dabei: «Wir wollen die nötige Motivation für die Lehrstellensuche spüren», sagt Berufsberater Thomas Luzzi. Deshalb seien auch die vorherigen Bewerbungsbemühungen entscheidend.

Im Sommer 2007 wurden 211 Jugendliche bei Job Plus aufgenommen. Eine Mehrheit von ihnen hatte bereits ein Zwischenjahr hinter sich. Die Erfolgsbilanz kann sich sehen lassen: Ein Jahr später begannen 139 eine Lehre oder Anlehre, 23 traten eine Stelle an, 12 ein zweites Zwischenjahr – nur für 25 gab es keine Anschlusslösung. Angebote wie Job Plus gibt es in zahlreichen Städten und Kantonen (siehe Box «Keine Lehrstelle – was tun?»).

Für Jugendliche ist es nicht einfach, das passende Zwischenjahr zu finden, denn nur für die Motivationssemester gibt es eine zentrale Koordinationsstelle. Weil die Motivationssemester über die Arbeitslosenversicherung finanziert werden, müssen sich die Teilnehmenden beim RAV als arbeitslos anmelden. In der ganzen Schweiz werden 7100 Plätze angeboten.

Ein Drittel mehr Frauen als Männer

Brigitte Müller von der Fachhochschule Nordwestschweiz hat die Motivationssemester untersucht: «Der Anteil Jugendlicher aus Ausländerfamilien ist doppelt so hoch wie jener aus Schweizer Familien. Und ein Drittel mehr Frauen als Männer machen Zwischenjahre.» Der Verdrängungskampf auf dem Lehrstellenmarkt von oben nach unten sei härter geworden. Jeder fünfte Jugendliche mit Sek-B- oder Sek-C-Abschluss macht keine Berufsausbildung mehr (siehe Grafik).

Wieder mehr Leute ohne Lehre

Prozentsatz der Schulabgänger ohne Lehre oder weitere Ausbildung, nach Altersgruppen

Wendepunkt 1998: Bis vor zehn Jahren gab es immer weniger unqualifizierte Arbeitnehmende. Seit 1998 steigt die Zahl der Leute aber wieder, die nur über eine obligatorische Schulbildung verfügen, also keine Lehre oder weiterführende Schule absolviert haben. (dos)

Quelle: BFS, SAKE 2008

Quelle: Vera Hartmann
«Ich habe mich durchgesetzt»

Naxhije Rexhepi, die vor 15 Jahren aus dem Kosovo in die Schweiz kam, hat es geschafft, im Wunschberuf eine Lehrstelle zu finden. «Meine Eltern waren gegen einen technischen Beruf, doch ich habe mich durchgesetzt.» Nach dem zehnten Schuljahr sei sie froh gewesen, dass sie nun etwas Geld verdiene. Im Praktikum erhält sie 493 Franken Lohn. Ihr Praktikumsleiter Christof Oertli sagt: «Naxhije leistet so gute Arbeit, dass die Firma finanziell davon profitiert.» Und eigentlich sei es unverständlich, dass eine so vife junge Frau nicht direkt nach Schulabschluss eine Lehrstelle gefunden habe.

Nathan W. hatte mit der Sek A und als gebürtiger Schweizer bessere Karten. Etwas kleinlaut sagt er jetzt, dass er sich nun halt weiterbewerben müsse. «Meine Mutter verlangt, dass ich nun abends zu Hause Bewerbungen schreibe.» Während des Zwischenjahrs wird er von Berufsberater Thomas Luzzi betreut: «Ich werde mit ihm nun die beruflichen Ziele nochmals anschauen – allenfalls auch zusammen mit den Eltern.» Wenn es bei der Lehrstellensuche dann wirklich eng wird, versucht der Berufsberater auch über persönliche Kontakte zu Personalverantwortlichen eine Lösung zu finden: Nach zwölf Jahren kann Job Plus auf ein Netz von 450 Firmen zurückgreifen.

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