Eins, zwei, drei. Eintauchen, durchziehen, raus. Und nochmals. Eins, zwei, drei. Unser gelbes Kanu, das wir sitzend oder kniend mit dem Stechpaddel bewegen, gleitet durchs kühle Wasser. Als Anfängerin spürt man bald Rücken- und Armmuskeln.

Riverraft-Instruktorin und Tauchlehrerin Amanda Stämpfli erklärt die grundlegende Paddeltechnik: möglichst senkrecht einstechen, bis knapp unter den Schaft eintauchen, lange durchziehen und wieder von vorn. 

Stämpfli ist in Ausbildung zum Internationalen Kanu-Guide und Tripleader bei Patrick Frehner, dem Gründer der Kanuschule Schweiz. Bei der 35-jährigen Abenteurerin fühle ich mich gut aufgehoben. Denn obwohl ich das Wasser liebe – vor Wildwasserfahrten habe ich Angst. Völlig unnötig auf dieser Strecke, wie sich zeigen wird. Der Doubs ist – zumindest zwischen Goumois und Soubey – ein harmloser Geselle.

Gemütliches Grenzschlängeln

Wir starten in Goumois bei der Brücke und fahren die ersten zehn Kilometer durch Frankreich. Nach der roten Fussgängerbrücke sind wir wieder im Schweizer Jura. Das Dörfchen Goumois gehörte einst zu Frankreich, bevor der Ortsteil am rechten Ufer vom Wiener Kongress 1815 der Schweiz zugeschlagen wurde. 

Aufgrund kompliziert ausgehandelter Hoheitsrechte verläuft die Landesgrenze nicht wie sonst üblich in der Flussmitte, sondern am rechten Ufer – der Doubs gehört also ganz zu Frankreich, bis zum Punkt Clairbief bei der Brücke, wo er die Schweizer Grenze überquert.


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Auf dem Wasser merkt man davon nichts, alles ist grün. Vom Kanu aus hat man eine ganz neue Sicht auf die Landschaft, es zieht alles vorbei, wie im Kino. Die üppige Böschung spiegelt sich auf dem Wasser. Links und rechts ziehen sich dunkelgrüne Wälder die Hänge hoch – unterbrochen von weissen Felsbändern. Es geht gemächlich voran, die Strömung ist schwach. Gleichmässiges Paddeln ist pures Entschleunigen. Wenn wir uns nähern, stieben Stockenten auf. Einmal sitzt eine Entenfamilie mit acht Küken auf einem Felsen am Ufer. Ab und zu begleiten uns Fischreiher. 

Eins, zwei, drei. Plötzlich steht Amanda Stämpfli auf, sie ist die Steuerfrau, sitzt sonst hinten. Sie beobachtet das Wasser genauer. Es rauscht lauter. Vor uns ist ein Wehr, das wir überwinden müssen. Die Stromschnellen danach mag ich gar nicht angucken. 

Die meisten Kanuten umtreideln die Stelle, ziehen das Boot ans Ufer und wassern nach dem Wehr wieder ein. Stämpfli aber entscheidet sich fürs Durchfahren. Sie gibt das Kommando: paddeln, paddeln, schneller. Die Geschwindigkeit macht das Kanu stabiler, bei Stromschnellen muss das Boot schneller als die Fliessgeschwindigkeit des Flusses sein. Nach dem Bruchteil einer Sekunde ist der Spuk vorbei – und ich bin bis über die Hüfte nass. Aber ich staune: Es hat Spass gemacht. Jetzt haben wir uns ein Picknick auf einer der Sandbänke verdient.

Impressionen der Kanufahrt auf dem Doubs

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Unterwegs mit Amanda Stämpfli im Wasser.
Quelle:  
Das Risiko ist dem Vermieter zu gross

Ich bin fast ein bisschen enttäuscht, dass die Strecke bis Soubey dann nur noch ganz sanft verläuft. Erst danach kommt die heikelste Stelle der Tour, Stromschnellen mit Grad drei auf der Wildwasser-Schwierigkeitsskala von eins bis sechs. Ziemlich bewegtes Wasser also, schwierig zu durchfahren, wenn man die Route nicht kennt und nicht ausgebildet ist.

Der Bootsvermieter macht uns einen Strich durch die Rechnung. Wir dürfen die Stromschnellen nicht durchfahren, es sei dort schon zu viel passiert, das Risiko sei ihm zu hoch. In der Schweiz sind in den letzten 15 Jahren 10 Menschen beim Canyoning tödlich verunglückt, im Schnitt ertrinken jährlich 47 Menschen beim Bootfahren oder beim Baden. Auch in Soubey seien schon Leute ums Leben gekommen, sagt der Vermieter.

Am nächsten Tag fährt er uns zur Einwasserungsstelle nach den Schwellen. Paddeltechnisch ist die Fahrt von Soubey nach St-Ursanne spannender als die Fahrt am ersten Tag. Landschaftlich aber ist der erste Abschnitt wilder und ursprünglicher. Je näher wir St-Ursanne kommen, desto stärker spürt man die Zivilisation. Der Fluss wird breiter. Nach den ganzen Anstrengungen freuen wir uns auf ein Glas Weisswein zur Forelle im mittelalterlichen Städtchen. Schöner speisen als direkt am Fluss kann man kaum irgendwo sonst.

Tipps zur Paddeltour

Für Details zur Route, in die Karte klicken:

Anreise/Rückreise 
Mit Zug und Postauto via Saignelégier nach Goumois; St-Ursanne liegt am Bahnnetz.


Route

  • 1. Tag: Goumois–Soubey, 15 km, 3–4 h, einfach (WW I–II)*
  • 2. Tag: Soubey–St-Ursanne, 15 km, 4 h, Erfahrung nötig (WW I–III)
  • Alternative für den 2. Tag: Wanderung von Soubey entlang des Doubs nach St-Ursanne, 3.45 h


Anforderungen 
Durchschnittliche Kondition, Schwimmkenntnisse, für den ersten Abschnitt keine Paddelerfahrung nötig, im zweiten von Vorteil. Für Kinder ab zirka 10 Jahren geeignet (im Boot mit mind. 1 Erwachsenen).


Saison 
Mai bis Oktober (je nach Pegelstand, mindestens erforderlich 6 m3/s, Tel. 032 461 33 07)


Ausrüstung 
Je nach Wetter: Badekleid, Neoprenanzug und Neoprensocken, alte Turnschuhe, Ersatzkleider (keine Baumwolle), wasserdichte Tasche, Sonnenbrille und Sonnencreme.

Kosten 

  • CHF 55.-/Person (mit Guide: CHF 75.-); inbegriffen sind Kanu, Paddel und Schwimmweste. Miete bei Denis Houlmann, 2887 Soubey, Tel. 032 955 12 31 oder 079 444 62 31, www.doubs-evasion.com
  • Variante: nur Strecke Clairbief–Soubey (5 km, zirka 1 Stunde, CHF 35.-/Person)


Wildwasser-Schwierigkeitsskala

Die Skala bewertet die Befahrbarkeit des Gewässers mit den Schwierigkeitsgraden I (unschwierig) bis VI (Grenze der Befahrbarkeit).


Auswahl von Fahrten in der Schweiz

  • I = einfach: Reuss: Mellingen–Windisch; Thur: Frauenfeld–Andelfingen; Ticino: Biasca–Bellinzona
  • III = schwierig: Braucht bereits einige Erfahrung, schnelle Strömung, grössere und längere Schwälle, Stufen und Verblockungen. Die Fahrroute ist nicht immer leicht zu erkennen. Muota: Muotathal–Stausee; Simme: Heidenweidli–Weissenburg; Vorderrhein: Compadials–Trun
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Kanuschulen mit Ausbildungsangeboten


Buchtipps

  • Beat Oppliger / Patrick Frehner: «Paddelland Schweiz. Die schönsten Kanutouren auf Flüssen und Seen»; Thomas-Kettler-Verlag, 2014.
  • Iwona Eberle: «Gummibootführer Schweiz. Spass, Erholung und Abenteuer auf Schweizer Flüssen»; Werd-Verlag, 2015.
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Jasmine Helbling, Redaktorin
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