Aufgezeichnet von Jasmine Helbling:

Nach einem Foul lassen sich Männer fallen und rollen umher. Frauen stehen auf und machen weiter. Früher dachte ich, das sei ein Klischee. Aber Studien haben wirklich bewiesen, dass wir weniger Show abziehen. Das gefällt mir am Frauenfussball: Er ist ehrlich.

Manche behaupten, er sei langweilig. Weniger schnell und ausgeklügelt als Männerfussball. Das war einmal! Haben Sie die Frauen-EM gesehen? Ich habe alles mitverfolgt, das war genial! Klar, Frauen haben andere Körper als Männer, da gibt es kleine Unterschiede. Aber bei Tempo und Technik – nichts.

Ich liebe Fussball! In meiner Erinnerung habe ich schon immer gespielt. Zuerst draussen mit den Nachbarsbuben, mit sechs dann in einer ersten Gruppe. Dabei waren fast nur Jungs, vielleicht zwei oder drei Mädchen. Das war ganz normal, kein Thema für mich. Blöde Sprüche hörte ich nie. Es gab auch keinen Grund: Ich war zwar einen Kopf kleiner, konnte aber genauso gut spielen.

Als meine Freundin und ich zum ersten Mal mit Mädchen spielten, nahmen wir sie auseinander. Fussball war nie nur Spass für mich. Ich wusste immer, dass ich mehr wollte. Mehr trainieren und mehr erreichen. Mit neun fing ich so richtig an. In der Mädchenmannschaft des FC Blue Stars in Zürich, mit drei Trainings pro Woche und Spielen an den Wochenenden.

Das brauchte viel Zeit, also hörte ich mit Klavierspielen auf. Das war mir aber egal. Ich übte sowieso nie und hatte keinen Spass daran. Der Austritt aus der Spanisch-Schule fiel mir schwerer. Mein Zwillingsbruder ist noch immer da, das merkt man. Meine Mutter spricht Spanisch mit uns. Ich antworte auf Schweizerdeutsch, obwohl ich fliessend Spanisch spreche. Die Frühlingsferien verbringen wir immer bei den Grosseltern in Spanien.

Ich liebe Spanien – genau wie Fussball. Irgendwie gehört das zusammen. In Cádiz habe ich mein erstes grosses Stadionspiel gesehen. Mein Grossvater ist der einzige Fussballfan in der Familie, Real Madrid sein Team. Bei den Männern ist Real auch meine Lieblingsmannschaft. Bei den Frauen mag ich Barça. Ja, es ist kompliziert, da versteht mich niemand. Eigentlich sind Real und Barça wie FCZ und GC: Man muss sich entscheiden. Aber was soll ich machen? Die Barça-Frauen sind halt einfach die beste Mannschaft der Welt. Im letzten Mai habe ich zum ersten Mal wegen Fussball geweint. Im Final der Champions League, als Barça gegen Lyon verlor.

«Fussball ist meine ganze Freizeit. Ich trainiere an vier Tagen die Woche, Mittwoch ist mein einziger freier Abend.»

Débora Serrano

Natürlich bin ich auch Fan der Schweizer Nati. Bei den Männern mag ich fast alle Spieler, aber meine Vorbilder sind Frauen. «Mapi» León von Barça. Ana Maria Crnogorčević, die für Barça und die Schweizer Nati spielt. Als ich klein war, war Lara Dickenmann mein Idol. Heute ist sie General Manager bei den GC-Frauen. Das heisst, ich sehe sie ab und zu. Das ist krass, ein komisches Gefühl.

Die erste Anfrage von GC kam, als ich zwölf war. Sie sahen mich bei einem Turnier und wollten mich anwerben. Da lehnte ich noch ab. Es gefiel mir beim FC Blue Stars, und ich wusste nicht, ob ich wirklich zu GC wollte. Ein halbes Jahr später ging ich einmal pro Woche ins GC Training – zur Probe. In dieser Zeit bekam ich auch eine Anfrage vom FCZ. Wie gesagt: Man muss sich entscheiden. Ich wählte dann doch GC. Im Sommer 2020 wechselte ich, heute spiele ich als Aussenverteidigerin im Kader der U15.

Fussball ist meine ganze Freizeit. Ich trainiere an vier Tagen die Woche, Mittwoch ist mein einziger freier Abend. An den Wochenenden spielen wir gegen andere Mannschaften, fast immer Jungs. Es gibt schon Frauenteams, aber zu wenige auf hohem Niveau. Das wird sich ändern, die Mädchen rücken nach. Heute gibt es viel mehr Teams und Vorbilder. Frauen werden stärker gefördert, das macht einen grossen Unterschied.

Im letzten Jahr wurde ich an der Kunst und Sportschule Zürich aufgenommen. Da sind die Stundenpläne flexibler, und ich kann zweimal in der Woche zum Morgentraining. Stress in der Schule hatte ich zum Glück nie. Nächsten Frühling mache ich die Aufnahmeprüfung fürs Gymi. Wenn das klappt, möchte ich später Jura studieren und Anwältin werden. Das ist mein «normales» Ziel.

Mein ultimativer Traum ist ein anderer. Ich möchte Profi-Fussballerin werden, das war schon immer so.

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Quelle: Beobachter
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Die Weltmeisterschaft in Katar hat begonnen. Fussball ist aber mehr als Spitzensport und Big Business. Doch was ist er eigentlich? Der Beobachter hat sich umgesehen – und den Fussball in seiner ganzen Vielfalt angetroffen. Zum Beispiel an der Bergdorfmeisterschaft im Wallis und in den launigen Erzählungen der Reporterlegende Beni Thurnheer; unterwegs mit einem Groundhopper oder bei einem Juniorentrainer, der auch Sozialarbeiter und Ermutiger ist. Geschichten über den etwas anderen, den echten Fussball. Über die Gefühle, die er weckt, und die Menschen, die ihn ausmachen. Mit schönen Grüssen nach Katar: das Beobachter Spezial «Unser Fussball» inklusive Video, Audio und Wettbewerb.

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Jasmine Helbling, Redaktorin
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