Wer auf Hermann Hesses Spuren nach Montagnola kommt, hat mehr davon, wenn er die Fähigkeit hat, Sachen auszublenden. Zum Beispiel vorbeiröhrende Porsches – es ist halt kein beschauliches Nest mehr, sondern ein Nobelvorort Luganos.

Warum sich nicht am Autor selbst orientieren? Zum Vorwurf, er habe als Künstler zu wenig Sinn für die Wirklichkeit, schrieb er, man dürfe auf keinen Fall mit ihr zufrieden sein. «Und sie ist, diese schäbige, stets enttäuschende und öde Wirklichkeit, auf keine andere Weise zu ändern, als indem wir sie leugnen, indem wir zeigen, dass wir stärker sind als sie.» Wer also versucht, den Ort mit Hesses Augen zu sehen, kann sich auf eine Entdeckungsreise voller Poesie begeben.

Sie beginnt an der Casa Camuzzi, wo er Mieter war. Ein Märchenschloss, heute unzugänglich, doch in der Torre Camuzzi nebenan ist ein liebevoll bestücktes Museum. Die Zahl der Objekte – Fotos, Briefe, Aquarelle, Manuskripte, aber auch Gartenschere und Strohhut – ist wohltuend überschaubar. Sie helfen, den Menschen Hesse zu spüren, seine Liebe zur Natur, zur Kunst, seinen rebellischen Geist. 15000 Leute pro Jahr kommen hierher; einige immer wieder, US-Rocksängerin Patti Smith etwa.

Nach dem Museum empfiehlt sich der längere der beiden Spazierwege. Etwa 2,5 Stunden geht es mit dem informativen Audioguide mal durch Gassen, mal durch Kastanienwald, bietet sich mal der Blick auf den See, mal in Grotti, wo schon Hesse zechte. Zu den Höhepunkten zählt die Kirche Sant’Abbondio, bei der er begraben ist.

Die Tour endet in einem Villenviertel. Etwas oberhalb lebte Hesse ab 1931 in der Casa Rossa. Heute weiss statt rot, ist sie nicht ganz leicht zu finden. Und statt des einst wohl zauberhaft blühenden Gartens erspäht man öden Rasen und neuerdings auch Bauprofile - wenn man sich mit der Wirklichkeit allein begnügt.

Quelle: Fondazione Hermann Hesse Montagnola
  • Anfahrt: Torre Camuzzi, Ra Cürta, Montagnola; 13 Minuten ab Bahnhof Lugano mit Buslinie 436

  • Öffnungszeiten: März bis Oktober: täglich von 10 bis 18.30 Uhr; November bis Februar: Samstag und Sonntag von 10 bis 17.30 Uhr; Auskunft: Telefon 091 993 37 70

  • Eintrittspreis: Fr. 8.50 (ab 12 Jahren)

  • Internet: www.hessemontagnola.ch

  • Zwei markierte Hesse-Spaziergänge: Rundgang 1: zirka 2,5 Stunden; Rundgang 2: zirka 30 Minuten

  • Verpflegung: Literaturcafé Boccadoro beim Museum; Grotti auf dem Spaziergang

  • Tipp: Ausstellung «…die Grenzen überfliegen» mit Hesses Bildern im Kunstmuseum Bern (bis 12. August 2012)