Klar, die Erwachsenen meinen es ja gut. Sie geben nützliche Tipps zur Lehrstellensuche und schreiben kluge Bücher darüber. Aber sie haben auch leicht reden: Sie erleben den Frust der 30. Absage und den Stress der drohenden Beschäftigungslosigkeit nur aus Distanz - genauso wie die Freude, wenns dann doch geklappt hat. Weshalb also nicht einmal jene zu Wort kommen lassen, deren praktische Erfahrungen noch ganz frisch sind? Sechs kaufmännische Lehrlinge des Zürcher Verlagshauses Jean Frey AG, das auch den Beobachter herausgibt, geben Tipps auf Augenhöhe für Jugendliche, die vor der Lehrstellensuche stehen.

Silvan Leibacher, 17, im zweiten Lehrjahr bei der Jean Frey AG, derzeit auf der Redaktion von «TV-Star». Sechs Bewerbungen genügten, da hatte der vormalige Sekundarschüler mit Niveau A seine Stifti auf sicher.

  • Das war meine Strategie: Ich habe es bewusst vermieden, Serienbriefe zu schreiben. Es ist wichtig, seine Bewerbung spezifisch für eine Firma zu verfassen - ansonsten ist das Schreiben nicht einmal das Porto wert. Ein Serienbrief wird sofort erkannt und beiseite gelegt.
  • Das hat mir am meisten geholfen: Gespräche mit Eltern und älteren Kollegen.
  • Das würde ich heute anders machen: Früher mit der Suche beginnen, mehr Berufe ins Auge fassen und mehr als nur eine Schnupperlehre absolvieren.
  • Das rate ich jenen, die auch nach der 30. Bewerbung noch erfolglos sind: Dranbleiben! Und sich vielleicht weniger häufig bewerben, dafür mehr Aufwand pro Bewerbung betreiben - der Empfänger in der Firma muss merken, wie viel einem an der Lehrstelle liegt. Bei schlechten Schulnoten: ein zusätzliches Blatt beilegen, auf dem die ungenügenden Zensuren kommentiert werden.

Désirée Michel, 17, seit letztem Sommer im Betrieb, zurzeit in der Abteilung Werbemittelproduktion. Absolvierte nach der Sekundarschule Typ B ein zehntes Schuljahr, während dessen sie die Jobsuche lancierte. Aus 15 Bewerbungen resultierten schliesslich Angebote für vier Lehrstellen.

  • Das war meine Strategie: Im Berufsinformationszentrum (BIZ) druckte ich Adressen von Firmen aus, die eine Lehrstelle ausgeschrieben hatten - und diese Liste arbeitete ich dann systematisch durch. Da ich meine Lehre in einem abwechslungsreichen Unternehmen machen wollte, kamen Banken und Versicherungen nicht in Frage.
  • Das hat mir am meisten geholfen: Ich habe eine Kollegin, die ein Jahr zuvor auf Lehrstellensuche war. Von ihr liess ich mir zeigen, wie eine Bewerbung aussehen sollte und was besonders zu beachten ist.
  • Das rate ich jenen, die auch nach der 30. Bewerbung noch erfolglos sind: Sich ans BIZ wenden und die Auswahl der Wunschberufe erweitern. Wenn es immer noch nicht funktioniert, wäre ein Sprachaufenthalt sicher eine vorübergehende Lösung, die sich positiv auf die zukünftige Lehrstellensuche auswirken kann.

Evelyne Siegenthaler, 17, seit Sommer 2004 in der Lehre, momentan tätig im Sekretariat der «Bilanz». Ein früher Start, «ziemlich viele» Bewerbungen und Schnupperlehren im Bereich Tourismus führten die Bezirksschülerin letztlich zum Ziel.

  • Das war meine Strategie: Ich habe auf eine gewisse Breitenwirkung gesetzt: zahlreiche Bewerbungen, möglichst breit gefächert in verschiedenen kaufmännischen Branchen. So kann man, wenns gut geht, am Schluss sogar auswählen, wo man seine Lehre absolvieren will.
  • Das hat mir am meisten geholfen: Die Unterstützung durch die Schule und durch meine Eltern.
  • Das rate ich jenen, die auch nach der 30. Bewerbung noch erfolglos sind: Ein Zwischenjahr absolvieren, beispielsweise in der Romandie. Und sich ausserdem nicht scheuen, auch zur Berufsberatung zu gehen.

Fabrice Plisch, 21, seit 2002 im Unternehmen, zurzeit im Anzeigen-Innendienst des Beobachters. Dort gelandet ist der vormalige Sekundar-A-Schüler nach zehn Bewerbungen und vier ganz unterschiedlich gelagerten Schnupperlehren: Automechaniker, Detailhandel, Elektromonteur und kaufmännische Richtung bei der Jean Frey AG.

  • Das war meine Strategie: Ich habe darauf geachtet, bei Gesprächen sicher und natürlich aufzutreten. Wichtig ist, echtes Interesse an der Arbeit zu signalisieren.
  • Das rate ich jenen, die auch nach der 30. Bewerbung noch erfolglos sind: In Ruhe und ehrlich überlegen, woran es liegt - und diese Probleme dann angehen.

Laura Bazzigher, 18, seit August 2005 in der Firma, aktuell beim Beobachter-Buchverlag. Rund 30 Bewerbungen brauchte es, bis sie nach der Sekundarschule A am Ziel war.

  • Das war meine Strategie: Ich war immer motiviert und gab jederzeit mein Bestes. Wichtig ist, dass man einen guten Eindruck macht und die Bewerbung gut aussieht - und zwar vom Deckblatt über den Lebenslauf bis zum Bewerbungsfoto.
  • Das hat mir am meisten geholfen: Meine Eltern haben mich enorm unterstützt. Ebenfalls haben mir diverse Unterlagen geholfen, die ich zur Vorbereitung für ein Vorstellungsgespräch von meinem Klassenlehrer erhalten habe.
  • Das rate ich jenen, die auch nach der 30. Bewerbung noch erfolglos sind: Nicht aufgeben und vielleicht nochmals über die Bewerbungsunterlagen gehen.

Raphaela Gut, 18, Stiftin im dritten Jahr, momentan in der Online-Redaktion des Beobachters. Über 80 von Hand geschriebene Bewerbungen brauchte es, bis nach der Sekundarschule B der Einstieg in die Berufswelt klappte.

  • Das war meine Strategie: Ich war mir bewusst, dass man bei der momentanen Wirtschaftslage nicht zu wählerisch sein darf. Hauptsache, man kann eine Lehre abschliessen - danach stehen einem alle Wege wie andere Branchen oder Weiterbildung offen.
  • Das hat mir am meisten geholfen: Die Infos im BIZ über offene Stellen und die Unterstützung meiner Eltern, die für mich Stelleninserate zusammengetragen haben. Zudem meine Lehrerin, die sämtliche Bewerbungen durchgelesen und korrigiert hat.
  • Das würde ich heute anders machen: Früher mit der Suche beginnen - nicht erst im November, das war zu spät. Und ich würde vermehrt persönlich bei einer Firma vorbeigehen, statt nur telefonisch abzuklären, ob es eine offene Lehrstelle gibt.
  • Das rate ich jenen, die auch nach der 30. Bewerbung noch erfolglos sind: Kollegen, Bekannte und Verwandte fragen, ob sie jemanden in einer Lehrfirma kennen: Mit Vitamin B geht es einfacher.