Meinem letzten Kollegen habe ich schon ein wenig nachgetrauert», sagt Guido Schnetz. Seit zwei Jahren ist er der einzige Lehrer unter fünf Lehrerinnen an der Primarschule in der Baselbieter Gemeinde Lupsingen.

Ein Mann unter lauter Frauen – das wird an Schweizer Primarschulen bald der Normalfall sein. Denn die Zahl der jungen Männer, die ein Primarlehrerpatent erwerben, hat in den letzten zwanzig Jahren markant abgenommen. Heute kommen auf jeden Lehrer drei Lehrerinnen, und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. «Mit Kindern zu arbeiten ist unter jungen Männern nicht besonders angesagt», bestätigt Marco Torsello. Er gehört zu den wenigen Primarlehrerstudenten in Schaffhausen.

Es droht das Mittelmass

Urs Schildknecht, Zentralsekretär des Dachverbands Schweizer Lehrerinnen und Lehrer, begründet diese Entwicklung mit Prestigeproblemen. «Die fachlichen und erzieherischen Aufgaben haben ständig zugenommen, während der Lohn stagniert. Das schreckt viele Männer ab. Die Folge: An der Primarschule zieht das Mittelmass ein.»

Obwohl auch die Zahl der Junglehrerinnen stetig sinkt, scheinen Frauen weniger schwarz zu sehen. «Weil sie die Vorteile besser nutzen», glaubt Peter Loretz, Leiter der berufspraktischen Ausbildung am Lehrerseminar Chur. «Der Primarlehrerberuf ermöglicht es ihnen, aus- und wieder einzusteigen und in sehr flexiblen Teilzeitmodellen zu arbeiten.» Die meisten Männer hingegen orientieren sich im Dreieck von Kindern, Küche und Karriere noch immer am letzten K – entsprechend unattraktiv ist für viele die Teilzeitarbeit.

«Es ist schlecht für die Kinder, wenn Männer in der Primarschule fehlen», sagt Urs Schildknecht. Anders sieht es die Zürcher Psychiaterin Cécile Ernst: «Eine Primarschule in Frauenhänden hat keine negativen Folgen. Wichtig für die Kinder sind die Väter. Wie Frauen und Männer miteinander umgehen, lernen die Kinder nicht in der Schule, sondern zu Hause.»

Das Aussterben der männlichen Primarlehrer war kürzlich auch Thema im Magazin des Zürcher Lehrerverbands. Die optimistischen Stimmen überwogen. Wenn die Schule ihre Leistungen besser verkaufe, so der Tenor, dann steige auch das Berufsprestige wieder. Zuversichtlich ist auch Hans-Jürg Keller, Leiter des Lehrerseminars Zürich-Oerlikon: «Unsere Studentinnen sind hoch motiviert und leistungsfähig. Von Mittelmass kann keine Rede sein.»

Lehrer fordern eine Berufsreform

Wie aber könnte man wieder mehr junge Männer für den Primarlehrerberuf begeistern? «Mit einer Berufsreform», sagt Urs Schildknecht. «Bessere Entwicklungsmöglichkeiten und Arbeitsbedingungen würden den Beruf attraktiver machen. Ausserdem sollte der Wechsel in verwandte Berufe erleichtert werden.»

Auch Cécile Ernst hofft, dass der Primarlehrerberuf wieder attraktiver wird – und zwar für Männer wie für Frauen. «Wer für den Primarlehrerberuf geeignet ist, sollte diesen ergreifen können, ohne sich fragen zu müssen, ob das Berufsumfeld männlich oder weiblich ist. Manchmal sind Frauen die besseren Lehrer und Männer die besseren Lehrerinnen.»