Von Toni Wirz

Schulbehörden, Eltern und Öffentlichkeit sind gebührend empört, als bekannt wird, dass Lehrer an der bekannten Internatsschule «Sonnenberg» in Filters regelmässig Jugendliche geschlagen haben sollen. Die Schule wird umgehend geschlossen. Jetzt wird ermittelt, die angeschuldigten Lehrkräfte sind entlassen. Der Schulbetrieb darf weitergehen – mit «strengen Auflagen», wie die kantonale Erziehungsdirektion betont. Andernorts werden besonders schwierige oder gewalttätige Jugendliche vorzeitig ausgeschult und müssen, da noch schulpflichtig, einzeln unterrichtet werden. Immer häufiger kommt es auch zu Zuweisungen renitenter Kids in Sonderklassen oder Jugendheime.

Lehrkräfte die ihre Handflächen und Fäuste nicht unter Kontrolle haben, gehören nicht ins Schulzimmer. Und es gibt auffällige Jugendliche, die Sonderlösungen brauchen, weil sie ihren Mitschülerinnen und -schülern und Lehrkräften nicht mehr zugemutet werden können. Aber einfach die Störenfriede vor und hinter dem Lehrerpult zu entfernen – das bleibt nur Symptombekämpfung. Generelle Lösungsansätze sind gefragt. Und Präventionsprojekte braucht es. Mit Massnahmen, welche der Entwicklung von aggressiven Konfliktsituationen vorbeugen.

 

Frieden stiften

Solche Ansätze und Projekte gibt es. Zum Beispiel an der Primarschule Wettingen AG. Dort engagieren sich Schülerinnen und Schüler als so genannte «Peacemakers» gegen Mobbing und Prügeleien im Klassenzimmer und auf dem Pausenplatz. Das Konzept stammt vom amerikanischen Sozialpädagogen Ron Halbright, der sich seit sieben Jahren mit dem Phänomen Jugendgewalt beschäftigt. Und etwas dagegen tut. Er verwirklichte die Idee, die Kinder zu Friedensstiftern auszubilden. Jetzt ist die Idee aus Amerika in die Schweiz gekommen. Mit vollem Erfolg, wie das Projekt in Wettingen beweist. Die Stimmung sei friedlicher geworden, sagen Lehrerinnen und Kinder. Vor allem jüngere Kinder fühlen sich sicherer, weil sie wissen, dass ihnen die Peacemakers helfen, wenn sie in Schwierigkeiten geraten.

 

Konflikte managen

Konfliktmanager, Psychologen und Betriebsfachleute. Das sind Fähigkeiten und Funktionen welche heutzutage mehr und mehr von Lehrkräften aller Stufen erwartet werden, sagt der Zentralsekretär des Lehrerinnen- und Lehrerverbandes, Urs Schiltknecht.

 

Schön und gut. Doch das «Kerngeschäft» der Lehrerinnen und Lehrer ist und bleibt das Unterrichten. Sie sind in erster Linie Fachleute für das Lernen. Was kann ihnen sonst noch alles aufgebürdet werden? Wo ist die Grenze des Tragbaren? Ist der Beruf des Lehrers nicht schon anforderungs- und konfliktreich genug?

 

Sicher ist es sinnvoll die Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte zu verbessern, ihnen zusätzliches Rüstzeug in die Hand zu geben – gerade für das bessere «Handling» von Konflikten. Aber Lehrerinnen und Lehrer müssen nicht alles selbst können und machen. Es steht Ihnen auch zu, sich von anderen Fachleuten unterstützen und helfen zu lassen.

 

Zum Beispiel von eigens für die Konfliktprävention und -lösung an der Schule ausgebildeten Sozialarbeiterinnen. Die Schulsozialarbeit, eine noch junge Disziplin, hat da und dort schon Fuss gefasst, wird in Pilotprojekten in verschiedenen Gemeinden der Schweiz seit einigen Jahren erprobt.

 

Schulsozialarbeit heisst Prävention und Intervention vor Ort:: Direkte Beratungsangebote durch Expertinnen und Experten fürs Zusammenleben an Schülerinnen und Schüler im Schulhaus; Beratung und Unterstützung der Lehrkräfte im Schulalltag; Intensivierung des Austausches und der Zusammenarbeit mit den Eltern.

 

Die Erfahrungen mit Schulsozialarbeit sind ermutigend. Es zeigt sich, dass die Schule mit ihrer Hilfe aus dem Dilemma herauskommen kann, aus Uberforderung schwierige Jugendliche an die Institutionen der Jugendhilfe abschieben zu müssen.

 

Mehr zu den laufenden Versuchen mit Schulsozialarbeit: www.schulsozialarbeit.ch

 

Vermitteln

Nicht selten spielen sich die Konflikte um Schulfragen vorwiegend auf der Ebene der beteiligten Erwachsenen ab. Das Beziehungsdreieck Eltern–Lehrkraft–Schulbehörde ist oft von emotionaler Hochspannung geprägt. Hitzige Auseinandersetzungen über Klasseneinteilung, Zeugnisnoten, Promotion, unterschiedliche Auffassungen über Unterrichtsstil und -anforderungen häufen sich ebenso, wie die Probleme im Klassenzimmer.

 

Gibt es keine Einigung in strittigen Fragen, wird schnell der Rechtsweg beschritten. Im Alltag des Beobachter-Beratungszentrums ein häufig zu beobachtendes Phänomen. Manche Eltern sind wild entschlossen, die Nicht-Promotion ihres hoffnungsvollen Sprösslings wenn nötig bis vors Bundesgericht zu bringen. Leider oft auch dann, wenn eine ruhige Auseinandersetzung über die pädagogischen und psychologischen Gründe des Ereignisses für das betroffene Kind erheblich nutzbringender wären als der juristische Kampf der Erwachsenen.

 

Zum Kampf mit juristischen Waffen gibt es eine gute Alternative: Die Schulmediation. Mediation, zu Deutsch «Vermittlung», ist in den letzten Jahren vor allem als Scheidungs- und Trennungsmediation bekanntgeworden. Mehr und mehr Fachleute, ausgebildete Mediatorinnen und Mediatoren bieten auch in Schulstreitigkeiten den Parteien ihre guten Dienste an.

 

Mediation ist ein ganzheitlicher Lösungsansatz, der sowohl die emotionalen, wie auch die rechtlichen Aspekte einbezieht. Mediatorinnen und Mediatoren übernehmen eine Vermittlerfunktion. Entsprechend beschränken sie sich darauf, die Konfliktparteien auf der Grundlage von gegenseitigem Vertrauen und Versöhnungsbereitschaft miteinander (wieder) ins Gespräch zu bringen. Sie selber beanspruchen für sich keine Entscheidungsbefugnis. Diese liegt alleine bei den Betroffenen. Die Mediatorinnen und Mediatoren sind aber dafür besorgt, dass alle Beteiligten ihre je eigenen Interessen autonom und eigenverantwortlich vertreten.

 

Mehr zu Mediation: www.infomediation.ch

 

Dass Lehrkräfte, Schulbehörden, Väter und Mütter einsehen, dass sie die heute immer drängenderen Probleme nicht (mehr) nur aus eigener Kraft lösen können, ist nicht selbstverständlich. Dass Sie die Bereitschaft entwickeln, sich von dafür spezialisierten Fachleuten helfen zu lassen auch nicht. Doch sie tun gut daran, sich über diese Möglichkeiten ins Bild zu setzen und an Versuchen teilzunehmen. Und zwar dann, wenn sie noch die Wahl haben. Es kommt den Kindern zu Gute – und auch ihnen selbst.