Wenn das Militär stolz paradiert, kann es den Steuerzahlern ein reichhaltiges Arsenal vorführen. Als die Felddivision 6 kürzlich auf der Panzerpiste Kloten einen «Vorbeimarsch» veranstaltete, waren die Militärgefährte schon beinahe so zahlreich wie die 600 Zuschauer: Mehrere hundert Kampfpanzer, Schützenpanzer, Panzerhaubitzen, Brückenlegepanzer und sonstige Fahrzeuge rollten anderthalb Stunden lang vorbei die Fans von Armeegerät kamen voll auf ihre Rechnung.

Die breite Allgemeinheit erwartet von der neuen Armee aber vor allem eines: dass sie deutlich weniger kostet als heute. Dies ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage zum Thema Sparen beim Bund, die das Basler Meinungsforschungsinstitut Konso im Auftrag des Beobachters durchgeführt hat. Bei 13 Staatsaufgaben wurde gefragt, ob hier gespart oder mehr Geld ausgegeben werden soll. Das Resultat ist eindeutig: Sparen möchte das Volk zuerst bei der Landesverteidigung. 57 Prozent wollen in diesem Bereich weniger Geld ausgeben als geplant; bloss sechs Prozent wünschen dafür mehr Bundesgelder. In zweiter und dritter Linie würde die Bevölkerung im Strassenbau und im Asylbereich abspecken (siehe Nebenartikel «Volk: Wo wir sparen, wo mehr ausgeben wollen»).

Zauberwort Opfersymmetrie

Auffallend ist, dass das Volk beim Sparen klare Prioritäten setzen würde. Gerade das Gegenteil planen Finanzminister Kaspar Villiger und der Bundesrat. In ihrem Entlastungsprogramm 03 für die Bundesfinanzen schlagen sie Kürzungen an allen Ecken und Enden vor. Opfersymmetrie heisst das Zauberwort: «Ein Gleichgewicht der Opfer ist gerechter als ein einseitiger Kahlschlag, der die Erfüllung einzelner Staatsaufgaben verhindern würde», rechtfertigt Villiger das Vorgehen (siehe Interview, Seite 29). Für den Verteidigungsbereich sieht das offizielle Sparpaket einen Abstrich von gerade mal 240 Millionen Franken vor sechs Prozent der geplanten jährlichen Ausgaben von mehr als vier Milliarden.

Sparen bei der Landesverteidigung war dem Nidwaldner Nationalrat Edi Engelberger, Militärspezialist der FDP, noch nie ein Anliegen. Im Gegenteil: Mitte der neunziger Jahre gehörte er zu jenen, die eine Vorlage für eine billigere zentrale Beschaffung mit einem Referendum zu Fall brachten aus Angst um Militäraufträge im Berggebiet. Die Kürzung im bundesrätlichen Sparpaket ist für ihn die Schmerzgrenze: «Mehr liegt nicht drin, wenn die Armee XXI umgesetzt werden soll.»

Vom Resultat der Beobachter-Umfrage zeigt sich Edi Engelberger unbeeindruckt: «Bisher haben wir Bürgerlichen alle Abstimmungen zur Armee gewonnen. Dies ist der wahre Volkswille.» Allerdings: Auch bürgerliche Wähler befürworten Kürzungen bei der Landesverteidigung. Die Anhänger von Engelbergers FDP sprachen sich mit 62 Prozent noch deutlicher dafür aus als das Volk im Durchschnitt. Für CVP- und SVP-Wähler rangiert dieser Sparauftrag mit 56 und 53 Prozent an erster beziehungsweise zweiter Stelle (siehe Nebenartikel «Sparwille: Parteispitzen und Wähler im Vergleich»).

Einigkeit einzig im Asylbereich

Vor den eidgenössischen Wahlen vom 19. Oktober 2003 wollte der Beobachter genauer wissen, ob die Politiker so sparen wollen wie ihre Wählerschaft. Er unterbreitete allen 209 National- und Ständeräten, die sich erneut zur Wahl stellen, dieselben Fragen wie dem Publikum; 126 antworteten. Haupterkenntnis der Parallelerhebung: Die Volksvertreter setzen die Gewichte deutlich anders als das Volk.

So möchten die Wiederkandidierenden in erster Linie im Asylbereich sparen womit die Politiker sogar populistischer sind als die Basis (siehe «Volksvertreter», Seite 23). Unpopulär sind hingegen die zweiten und dritten Prioritäten der Parlamentarier, Wohnbauförderung und Kinderkrippen: Für diese Aufgaben würde das Volk sogar mehr Geld ausgeben.

Hans Hirter, Politikwissenschaftler an der Universität Bern, überrascht dieses Auseinanderdriften der Meinungen nicht: «Die Politiker agieren aktualitätsbezogen und haben konkrete Sachgebiete im Auge. Das Volk hingegen orientiert sich beim Sparen eher an allgemeinen Themen, bei denen die Folgen eines Abbaus nicht unmittelbar ersichtlich sind.» Zudem vermutet Hirter, dass die Aufwendungen für Militär und Strassenbau tendenziell überschätzt werden.

CVP die wahre Volkspartei?

Doch es gibt auch deckungsgleiche Ansichten. Hier tut sich namentlich die CVP hervor. Die Sparprioritäten der CVP-Politiker entsprechen exakt jenen des Volkes: zuerst Landesverteidigung, dann Strassenbau und Asyl. Bei genauerem Hinsehen erstaunt der Sparwille bei der Armee, sind doch die CVP-Parlamentarier bei der jährlichen Rüstungsdebatte in den eidgenössischen Räten keineswegs auf die Ausgabenbremse getreten.

Dies dürfte sich auch in Zukunft kaum ändern, wie die Nachfrage bei Parteipräsident Philipp Stähelin zeigt. Demnach unterstützt die CVP, wie alle bürgerlichen Parteien, lediglich «die massiven Kürzungen, die der Bundesrat bei der Armee vorschlägt». Ein zusätzliches Potenzial sieht Stähelin bei der Umnutzung von Militärliegenschaften. Wirklich massive Kürzungen, etwa um einen Viertel auf gut drei Milliarden Franken pro Jahr, sind für ihn jedoch «weder sinnvoll noch möglich». Dass sich die CVP-Parlamentarier in der Umfrage als besonders sparwillig beim Militär zeigen, ist also ein Etikettenschwindel.

Widerspruch beim Strassenbau

Während seit dem Kalten Krieg das Verteidigungsbudget immerhin effektiv gekürzt wurde, zeigte sich das Parlament beim Strassenbau zuletzt überaus spendabel: Als Gegenvorschlag zur Volksinitiative Avanti der Autoverbände votierten National- und Ständerat für sechsspurige Autobahnen, eine zweite Gotthardröhre und mehr Strassen in der Agglomeration. Kosten würde dies laut Bundesrat 16 Milliarden Franken. Während das Parlament mit der grossen Kelle anrichtet, möchte das Volk hier gemäss der Beobachter-Umfrage sparen: 37 Prozent der Befragten wollen für Strassen weniger ausgeben als geplant.

Dieses Resultat kontrastiert allerdings mit der Leichtigkeit, mit der Strassenbauvorlagen in den Kantonen jeweils Mehrheiten finden. Politologe Hans Hirter hegt denn auch Zweifel, ob das Volk im Bedarfsfall seinen Worten Taten folgen lassen würde: «Je konkreter ein solches Projekt ist, umso stärker gewichtet der Einzelne das Opfer, das er bei einem Verzicht erbringen müsste. Da gerät der Sparwille schnell einmal ins Wanken.»

Auch SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner, erfolgreicher Kämpfer für mehr Strassen, nimmt das Umfrageergebnis betont gelassen zur Kenntnis. Er ist überzeugt, dereinst bei der Volksabstimmung über den Avanti-Gegenvorschlag zu den Siegern zu gehören: «Wir können den Leuten erklären, dass die Bahnen noch mehr kosten.» Entschieden lehnt er sogar die bescheidene Kürzung um gut 150 Millionen Franken im Sparpaket des Bundesrats ab. Zum Vergleich: 2002 gab der Bund drei Milliarden für Strassen aus.

In dritter Priorität möchte das Volk im Asylbereich Abstriche machen: 35 Prozent der Befragten möchten hier weniger Geld ausgeben, nur 10 Prozent mehr. 2002 kostete der Asylbereich knapp eine Milliarde Franken. Der Bundesrat will in seinem Entlastungsprogramm die Fürsorge für abgewiesene Bewerber streichen, was für die Bundeskasse eine Entlastung von 80 Millionen Franken brächte.

Die Berner SP-Nationalrätin Ruth-Gaby Vermot-Mangold, die sich für Asylsuchende einsetzt, lehnt dies ab: «Die Kosten würden auf die Kantone verlagert.» Einsparungen im Asylbereich kann sie sich dennoch vorstellen. «Wenn man das Arbeitsverbot für Asylbewerber lockert, kann man die Fürsorgekosten wirksamer senken.» Diese machen mit fast 700 Millionen Franken das Gros des Asylbudgets aus.

Überhaupt wird sich die SP um die Kosten im Asylbereich kümmern müssen, wenn ihr die Meinung ihrer eigenen Basis wichtig ist: Immerhin ein Fünftel der Parteianhänger wünscht hier Einsparungen in der Rangfolge Priorität Nummer drei. Bei den sozialdemokratischen Mandatsträgern rangiert das heisse Eisen Asyl nur «unter ferner liefen». Dafür schafft es der vergleichsweise bescheidene Ausgabenposten «Unterstützung für Randregionen» auf den Bronzeplatz der Sparhitparade nirgends ist die Diskrepanz zwischen Fraktion und Wählern grösser.

SP-Vizepräsidentin Christine Goll kann sich die hohe Bereitschaft ihrer Parteigenossen, am Service public in den Randregionen rütteln zu wollen, «schlicht nicht erklären». Kein Wunder: In den bisherigen Budgetdebatten im Rat hielt die SP dieser Staatsaufgabe stets die Stange.

Auch bei der Frage, wie in die Bundesfinanzen eingegriffen werden soll, offenbart sich, dass sich der Sparwille der sozialdemokratischen Vordenker nicht mit demjenigen der Wählerschaft deckt. Während die SP-Fraktion praktisch einhellig Defizite in Kauf nehmen beziehungsweise die Steuern erhöhen würde, finden in der Parteibasis beachtliche 40 Prozent, dass die Korrektur durch Sparen zu erfolgen habe; Defizite akzeptieren nur 21 Prozent.

Für Christine Goll liegt der Grund für die unterschiedlichen Ideen von Wahlvolk und Fraktion vor allem in einem Kommunikationsproblem: «Es ist wahnsinnig schwierig zu erklären, warum in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Defizite in Kauf genommen werden müssen.» Schulden seien in der Schweiz nun einmal unpopulär, ebenso Steuererhöhungen.

Höhere Steuern? Nein danke!

Die Beobachter-Umfrage bestätigt, dass das Sparen nicht nur unter SP-Wählern, sondern im ganzen Schweizer Volk populär ist: Eine Mehrheit von 44 Prozent will den Bundeshaushalt mit dieser Methode in Ordnung bringen, bloss 14 Prozent würden dafür Defizite in Kauf nehmen. Steuersenkungen wünschen sich 28 Prozent, nur gerade eine Minderheit von 11 Prozent akzeptiert höhere Steuern (siehe Nebenartikel «Sparrezepte: Wie das Volk sparen will»).

Die SVP verlangt in ihrer Wahlpropaganda am lautesten tiefere Steuern und einschneidendes Sparen und dürfte damit die Volksmeinung am genauesten treffen. Einsparungen von «sieben Milliarden Franken bis 2006» erachtet Parteipräsident Ueli Maurer als «zwingend nötig». Das ist mehr als doppelt so viel, wie das Entlastungsprogramm 03 erreichen will. Die Partei fordert daher rasch ein zweites Sparpaket.

Die entscheidende Frage bleibt allerdings, wo die SVP den Rotstift ansetzen will. In der Parlamentarierumfrage fällt auf, dass ihre Ratsmitglieder ausgerechnet bei den grössten Ausgabengebieten nur wenig eingreifen wollen: Sozialstaat, Verkehr, Landesverteidigung und Landwirtschaft sind die vier gewichtigsten Posten; einzig beim öffentlichen Verkehr sehen die SVP-Politiker ein Sparpotenzial. Die SVP-Wähler dagegen verlangen auch bei der Armee Einsparungen und wollen anderseits für Kinderkrippen und Wohnungsbau gar zusätzliche Gelder bewilligen Bereiche, bei denen die Parlamentarier der Volkspartei bremsen. «Die SVP hat unzählige Vorschläge zum Sparen gemacht», verteidigt Ueli Maurer die offensichtliche Konzeptlosigkeit und ärgert sich über die «völlig undifferenzierte Umfrage» des Beobachters als Präsident einer Partei, die selber oft und gern zu Vereinfachungen greift.

Vorsichtige Stellungnahmen

Auffallend ist die Zurückhaltung, mit der die prominenten Finanzpolitiker des Landes ihre Ansichten darlegen mochten. «Als Präsident der Finanzkommission des Ständerats ist es meine Aufgabe, für Symmetrie im Entlastungsprogramm zu sorgen und die finanzpolitische Linie des Programms so zu halten, wie es dem Parlament unterbreitet wird», schreibt etwa der Ausserrhoder FDP-Vertreter Hans-Rudolf Merz vorsichtig. Und der Berner SVP-Ständerat Hans Lauri, Mitglied der Spezialkommission, die ebendieses Entlastungsprogramm mit Einsparungen von 3,3 Milliarden Franken noch vor den Wahlen durchberaten soll, findet die Frage nach einer Rangliste der wichtigsten Sparprioritäten «nicht zielführend». Sein Patentrezept: «Praktisch überall muss der Zuwachs zurückgenommen werden.»

Wie auch immer der Haushalt wieder ins Lot gebracht wird: Die Bevölkerung wünscht sich dabei mehr Demokratie. Ein Finanzreferendum, das die Mitsprache bei neuen Aufgaben ermöglichen würde, befürworten 60 Prozent der Befragten (31 Prozent sind dagegen). Falls es beim Entlastungsprogramm 03 zur Referendumsabstimmung kommen sollte, wird das Volk jedoch nur Ja oder Nein sagen können.

«Eine Arbeit fürs Parlament»

Dennoch beunruhigt es FDP-Präsidentin Christiane Langenberger nicht, dass das Volk anders sparen will als die Politiker. «Das Publikum konnte ja nicht stundenlang nachdenken und Akten studieren, bevor es die Umfrage beantwortete. Das ist eine Arbeit für das Parlament.»

Wer dort für die kommenden vier Jahre Einsitz nimmt, entscheidet sich in knapp zwei Monaten. Und hier darf das Volk in abschliessender Zuständigkeit zum Streichkonzert ansetzen auf den Wahlzetteln.

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