Traktorfahrer schlief ein: Stromausfall
«Auf dem Heimweg von einer Beizentour mit dem Traktor schlief ein junger Bauer kurz ein und rammte einen Hochspannungsmasten.» Thurgauer Zeitung, 25.1.02

Auf einen Schlag ist er hellwach. Rund um ihn zischt es, sprüht es Funken, splittert Glas. Dann ist der Spuk vorbei, nur der Motor des Traktors tuckert vor sich hin. Es ist halb drei morgens.

Blitzschnell ist Stefan Reichmuth, 16, wieder bei Sinnen. Er muss eingenickt sein und hat mit dem Traktor einen Hochspannungsmast im thurgauischen Buch gerammt. Dieser knickt ein und verursacht in fünf umliegenden Gemeinden einen Stromausfall. Stefan bleibt unverletzt. Der Traktor ist nur leicht beschädigt.

Etwas benommen fährt der Landwirtschaftslehrling nach Hause. «Ich habe mich noch gewundert, weshalb es überall so dunkel war», erzählt er. Dass er selbst den Stromausfall verursacht hat, ist Stefan noch nicht klar. Zu Hause wird sofort die Polizei informiert.

Im Dorf weiss bald jeder von Stefans Missgeschick. Als dann noch eine Nachrichtenagentur die Polizeimeldung über den Unfall gehörig würzt und Stefan eine «Beizentour» andichtet, ist der Skandal in Neuwilen TG perfekt. «In allen Zeitungen und im Radio wurde darüber berichtet», erzählt Mutter Anni Reichmuth später.

Dabei war es gar kein geselliger Abend. Es war 18 Uhr gewesen, als sich Stefan an jenem Januarabend nach der Gewerbeschule auf den Weg ins Appenzellerland machte, um mit dem Anhänger Heu und Stroh auszuliefern – ein Nebenverdienst der Familie Reichmuth. Über zwei Stunden dauert die Fahrt nach Trogen AR. Bis das Heu bei den drei Bauern ausgeladen ist, verstreicht weitere Zeit. Beim letzten Landwirt gibts noch Käse, Fleisch und Brot «und nur eine Flasche Bier». Nach Mitternacht macht Stefan sich auf den Heimweg. Da geschieht der Unfall.

Natürlich ging der fünfstündige Stromausfall nicht unbemerkt an den Dörfern Kümmertshausen, Buch, Happerswil, Heimenhofen und Andwil vorüber. Die Landwirte konnten nicht melken, die Käsereien ihren Betrieb nicht aufnehmen. «Gestört hat uns das nicht», sagt Heinz Oswald, Bauer aus Kümmertshausen. «Wir konnten einmal ausgiebig bei Kerzenlicht frühstücken.»

Mit 33'000 Franken hat sich der Schaden, für den die Haftpflichtversicherung aufkommen muss, in Grenzen gehalten. Es wartet zwar der Jugendrichter, doch mit einer hohen Strafe muss Stefan nicht rechnen. Etwas beschäftigt ihn sowieso vor allem andern: «Immer noch glauben viele, ich sei von der Beiz gekommen. Ich muss mein Image aufpolieren.»