Man scheint den rotierenden, wuchtigen Flügeln ausgeliefert zu sein, die sich drohend von hinten nähern. Und manche Mutter umklammert die Hand ihrer kleinen Tochter fester. Am Flughafen Köln/Bonn hatte ein eineinhalbjähriger Junge keine Chance: Am 4. März 2004 ging er mit seiner Mutter und der kleinen Schwester durch eine der Drehtüren des Flughafens, stolperte und geriet in den Spalt zwischen Tür und Aussenverglasung. Der Motor schaltete nicht ab. Als ein Passant den Notknopf betätigte, zog die Tür den Jungen vollends in den Spalt und quetschte ihn zu Tode. Wie die Ermittlungen zeigten, war es am Kölner Flughafen in den Jahren zuvor zu 14 ähnlichen Unfällen gekommen.

Auch in der Schweiz gefährden Drehtüren Menschen. Weil die Unfälle aber nicht erfasst werden, bleibt ihre Zahl im Dunkeln. Im Kanton Waadt wurde im letzten Jahr ein kleiner Junge in einer Karusselltür eingeklemmt - die Helfer konnten ihn nur mit Mühe und Not befreien. Der Kleine übergab sich und wurde zur Überwachung ins Spital eingeliefert.

Tödlich endete ein Unfall in der Migros-Filiale in Solothurn: Am 15. Juni 2005 stiess die Drehtür einen 88-Jährigen zu Boden, der sich mit einer Gruppe von Pensionären auf einem Ausflug befand. «Der Mann wurde mit der Ambulanz ins Bürgerspital Solothurn eingeliefert», sagt Migros-Aare-Sprecher Thomas Bornhauser. Diagnose: Oberschenkelhalsbruch. Der Rentner starb drei Wochen später an den Komplikationen der Operation. Die Migros hatte die Tür ein Jahr zuvor ersetzen lassen. Schon die alte Karusselltür hatte mehrmals Menschen so stark verletzt, dass sie per Ambulanz ins Spital eingeliefert werden mussten.

Fast 90 Prozent fallen beim Test durch
Sind Drehtüren für Kleinkinder und ältere Menschen eine Todesfalle? Der Beobachter liess erstmals in der Schweiz ihre Sicherheit prüfen und bewerten. In einer Stichprobe untersuchte die akkreditierte Zertifizierungsstelle SIBE Schweiz des Nationalen Sicherheitsbüros Industrie und Verkehr (NSBIV) in Luzern 27 Drehtüren in Kaufhäusern, Hotels und Spitälern. Das Resultat ist erschreckend:

  • Nur gerade 3 der 27 geprüften Drehtüren erhielten in Sachen Sicherheit die Note «gut».
  • Bei 8 Drehtüren beurteilten die Experten die Sicherheit als «mangelhaft».
  • 16 Drehtüren wurden sogar als «gefährlich» eingestuft.


Das heisst: 24 von 27 Drehtüren fielen im Sicherheitstest durch («Drehtüren auf dem Prüfstand», PDF-Dokument (32 kb) zum herunter laden). Das besondere Augenmerk der NSBIV-Spezialisten galt der Hauptschliesskante der Türen. An dieser Stelle trifft das drehende Element auf die fixe Kante. Gerät dort ein Mensch dazwischen, wird er gequetscht. Damit keine Personen eingeklemmt werden, sollte die an der Kante angebrachte Kontaktleiste hinter einem Wulst aus Gummi die Tür rechtzeitig stoppen. Um die Wucht des Stosses zu testen, hielten die Sicherheitsingenieure ein Messgerät in die Tür, auf das der rotierende Flügel prallte.

Die Drehtür des Kantonsspitals Baden stauchte das Messgerät derart wuchtig zusammen, dass die Skala nicht ausreichte, um den tatsächlichen Wert anzugeben. «Die Kraft, die hier auf eine Person einwirkt, beträgt weit über 100 Kilo. Und dies ausgerechnet bei einer Tür, die ohnehin von kranken und geschwächten Menschen benutzt wird», bemängeln die Sicherheitsexperten. Sie setzten den Grenzwert für die Tests bei 20 Kilogramm fest.

Dem Hersteller der Kantonsspitaltür ist die Gefahr bewusst. Im Sicherheitsnachweis, der dem Beobachter vorliegt, bezeichnet die Tormax Mittelland AG bei einem Antriebsumbau im Jahr 2005 die Kräfte als «hohes Risiko». Die Firma aus Rupperswil AG baute in der Folge vier Bremsen ein - «zur Verminderung von gefährlichen Anstoss- und Quetschstellen». Die Stichprobe indes zeigt: Gebracht hat diese Massnahme nichts.

Auch bei der Tür des Einkaufszentrums Sonnenplatz in Emmenbrücke LU sowie bei zwei Türen des Shoppi-Einkaufscenters in Spreitenbach AG betrugen die Aufprallkräfte mehr als 100 Kilogramm. Der Beobachter hielt im Shoppi zum Test einen Abfalleimer aus Stahlblech in eine Tür - beim Aufprall wurde dieser regelrecht zerquetscht. Eine zwei Zentimeter dicke Holzleiste zerbrach mit einem lauten Knall, und die Tür drehte noch mindestens einen halben Meter weiter, bis sie endlich stoppte.

«Sehr gefährlicher Zustand»
In ihrem Fazit kommen die Sicherheitsfachleute zu einem klaren Schluss: «Die Sicherheit der Drehtüren in der Schweiz ist bedenklich.» Es mache den Anschein, dass «sich die Hersteller und Inverkehrbringer zu wenig mit dem gesetzlichen Wandel der Sicherheitsvorschriften befasst haben», so NSBIV-Geschäftsleiter Andreas Etzweiler. Die Stichprobe erhärte den Verdacht, dass manche Türlieferanten ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben und dadurch die Forderungen des Bundesgesetzes über die Sicherheit technischer Einrichtungen und Geräte nicht erfüllen. Dieses schreibt vor, dass Drehtüren «bei bestimmungsgemässer und sorgfältiger Verwendung Leben und Gesundheit der Benützer und Dritter nicht gefährden dürfen». Zudem halten die Hersteller die gesetzlichen Mindestanforderungen der Maschinenrichtlinie nicht ein; diese verlangt, dass «Gefahren durch bewegliche Teile» verhütet werden.

Ein leitender Ingenieur mit langjähriger Erfahrung in der Türautomatik, der anonym bleiben will, bestätigt gegenüber dem Beobachter: «Bei der Einhaltung der Maschinenrichtlinie bestehen erhebliche Sicherheitslücken.» Verfügbare Technik würde nicht eingebaut, «teils aus Unkenntnis, aber auch weil sich die Hersteller Aufwand und Kosten ersparen wollen», kritisiert er. Vor allem ältere Karusselltüren seien oft in einem «sehr gefährlichen Zustand und sollten unbedingt nachgerüstet oder stillgelegt werden».

Bei der Sicherheit herrsche «ein eigentlicher Vollzugsnotstand», sagt NSBIV-Experte Andreas Etzweiler. «Die ‹Kontrolle am Markt› fehlt in der Schweiz praktisch vollständig.» Die Verantwortung für den Vollzug liegt bei der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU) sowie beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). Die BfU beschäftigt zwar einen Verantwortlichen für Tore und Türen und versteht sich als «Marktkontrollorgan». Doch aktiv unternimmt die Beratungsstelle nichts, und genauso wenig führt sie eine Unfallstatistik.

Die Todestür galt als sicher
«Wir prüfen eine Tür nur dann, wenn wir durch die Medien oder durch Betroffene aufmerksam gemacht werden», sagt der BfU-Türenverantwortliche Robert Nyffenegger. Bisher sei dies erst einmal der Fall gewesen. Aufgescheucht durch die Beobachter-Stichprobe, will die BfU jetzt aber alle 24 mangelhaften und gefährlichen Türen kontrollieren und «wenn nötig das Inverkehrbringen gefährlicher Türen unterbinden», verspricht Nyffenegger.

Was die BfU bisher nicht getan hat, übernahmen in der Vergangenheit die Hersteller: Sie untersuchten sich immer mal wieder selbst. Die Kaba Gilgen AG in Schwarzenburg BE etwa prüfte im Frühling 2005 in den Kantonen Aargau, Bern und Solothurn 30 Drehtüren von Migros-Aare-Filialen. Bei 26 Türen sei die Sicherheit «einwandfrei» gewesen, sagt Migros-Aare-Sprecher Thomas Bornhauser. Bei vier Türen seien «vorsorglich Komponenten im Rahmen der normalen Kontrollen» ausgewechselt worden.

Der Beobachter weiss: Der Migros lag neben der Offerte des Herstellers auch jene einer unabhängigen Sicherheitsfirma vor. Man habe sich jedoch wegen der «besseren Kompetenz» für den Türhersteller entschieden. Nur einen Monat nach dessen Sicherheitscheck kam es bei der Migros-Filiale in Solothurn zum Unfall: Die Drehtür stiess jenen Pensionär um, der drei Wochen später im Spital verstarb.

Bei der Beobachter-Stichprobe blieb jeweils eine Testperson im Innern der Tür stehen und liess einen der Flügel auffahren. Bei sechs von 27 Türen war der Aufprall zu hart, oder die Tür drehte nach einem kurzen Stopp mit voller Kraft weiter. «Der Antrieb vieler Türen liesse sich mit einfachen technischen Mitteln drosseln», sagen die Ingenieure des NSBIV. Dass dies möglich ist, zeigt das Beispiel Coop Pfauen in Basel: Bei jeder Umdrehung wird die Tür im Bereich der gefährlichen Schliesskante langsamer. Positiv fielen auch die Drehtüren im Technopark Zürich und im Basler Hotel Ramada Plaza auf: Sie drehen nach dem Aufprall sogar ein Stück rückwärts, um einen allenfalls eingeklemmten Menschen freizugeben.

Bevor ein Hersteller eine Drehtür verkauft, muss er laut Gesetz einen Sicherheitsnachweis erbringen. Diesen kann er zusätzlich durch ein anerkanntes Institut wie beispielsweise die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) oder den Technischen Überwachungsverein (TÜV) in Deutschland absegnen lassen. Doch die Stichprobe zeigt: Die von den Herstellern eingereichten Dokumente, die den Karusselltüren Sicherheit attestieren sollen, genügen den Mindestanforderungen nicht. So ist ein von der Record Türautomation AG in Fehraltorf ZH eingereichtes TÜV-Zertifikat für zwei der geprüften Türen schlicht ungültig: Es bezieht sich auf unverbindliche Bestimmungen statt auf das entsprechende Gesetz.

Im Fall einer anderen Tür reichte das Unternehmen eine Sicherheitsbescheinigung ein, die die Suva längst zurückgezogen hatte. Das Papier bezog sich auf überholte Gesetze und genügte damit nicht mehr dem Stand der Technik. «Diese Bestätigungen zeigen sehr wohl, dass diese Türen die Tests vom TÜV bestanden haben», weist der Türhersteller Record die Vorwürfe zurück.

Massive Mängel gibt es auch bei den Lichtschranken und Sensoren, die Personen im Gefahrenbereich der Drehtüren erkennen müssten: Die Prüfexperten konnten bei vielen getesteten Türen das Messgerät problemlos in den Schliessbereich halten, ohne dass die Türen sich verlangsamten oder stoppten.

Sensoren sind blind für Kinder
Diese Erfahrung machte auch Olaf Mewes vom deutschen Berufsgenossenschaftlichen Institut für Arbeitsschutz in Sankt Augustin. Das Institut testete 18 Drehtüren in Deutschland: Bei 14 waren die Sicherheitsmängel so gross, dass das Institut die sofortige Stillsetzung empfahl. «Der Totbereich von Lichttastern betrug oft über einen Meter», sagt Mewes. Das heisst: Kleinkinder werden gar nicht erfasst, weil der sensible Bereich der Taster nicht annähernd bis zum Boden reicht.

Im Internet sind Sensoren für Karusselltüren schon ab 70 Franken zu haben. Experten sprechen in diesen Fällen jedoch von «Pissoirsensoren»: Sie bringen zwar eine Spüle in Gang, sind für den Personenschutz aber nicht geeignet. Olaf Mewes: «Die Sensoren können sich schon nach wenigen Wochen durch Witterungseinflüsse so stark verstellen, dass sie Personen im schlimmsten Fall nicht mehr erkennen.»