Ein Betroffener spricht: Opferhilfe erst nach vier Jahren
Nach der Ermordung seiner Frau wäre Heinz Waldner froh um Hilfe gewesen: Er stand nicht nur unter Schock - er litt auch unter der üblen Nachrede.
Veröffentlicht am 28. Mai 2002 - 00:00 Uhr
Mit 22 Schuss aus einer Uzi-Maschinenpistole exekutierten die beiden Täter die Filialleiterin Renate Waldner. Beim Raubüberfall auf den Volg-Laden in Schneisingen AG am 22. Februar 1994 wollten sie keine Zeugen.
Der Schock bei Ehemann Heinz Waldner, Elektroniker, heute 61, sass tief. «Verarbeiten konnte ich den Tod meiner Frau nie. Dazu fehlte mir die Zeit, ich musste mich selbst wehren», erzählt er. Wehren musste er sich gegen die Hypothesen der Ermittler, die einen Mord im Auftrag des Ehemanns nicht ausschlossen. Die Polizisten stellten den Dorfbewohnern denn auch Fragen über die Verhältnisse in der Familie Waldner.
Die Gerüchteküche brodelte. Unversehens sah sich Heinz Waldner in der Rolle des krankhaft eifersüchtigen Gatten, der seiner Frau sogar die Arbeit und die Mitgliedschaft im Kirchenchor habe ausreden wollen. «Diese Lügen über unsere Familie und meine tote Frau haben mich beinahe zerstört», sagt er.
Für Heinz Waldner war es nicht der erste Schicksalsschlag. Seine erste Frau war sehr jung wegen eines ärztlichen Kunstfehlers gestorben. «Das habe ich damals verarbeiten können. Aber der Mord und zusätzlich dieses üble Gerede waren einfach zu viel.» Er hätte gern Hilfe in Anspruch genommen. Doch die Opferhilfe sei erst im Aufbau, ihr Psychologe hoffnungslos überlastet gewesen.
Eine Woche nach der Tat erwies sich der Verdacht gegen ihn als gegenstandslos. Untersuchungen ergaben, dass mit derselben Waffe zuvor ein weiteres Tötungsdelikt begangen worden war. Die Polizei fasste die beiden Täter, die als «Uzi-Killer» in die Kriminalgeschichte eingegangen sind.
Waldner suchte Hilfe bei einem Psychiater, den die Krankenkasse bezahlte, nachher bei zwei Psychologen, für die er selber aufkommen musste.
Sein Anwalt erreichte, dass Waldner eine Genugtuung von 70000 Franken erhielt, seine beiden Kinder bekamen 20000 und 30000 Franken. Dies allerdings erst vier Jahre nach der Tat.
«Eigentlich ist das viel Geld», sagt Waldner. «Doch drei Monate nach der Tat verlor ich meine Stelle. Auch dies wegen der üblen Gerüchte – ich habe nämlich meine Leistung immer erbracht. Anderthalb Jahre war ich arbeitslos.» Dann fand er wieder einen Job – bis die Firma in Schwierigkeiten geriet und Waldner frühpensionierte. Er hat inzwischen wieder eine Stelle gefunden – die Rente reichte nicht zum Leben.
Waldner kämpft auch mit gesundheitlichen Problemen: «Psychisch bedingt habe ich Zucker und zu hohen Blutdruck.»