Belfaux, ein Vorort von Freiburg, nicht weit von der Autobahn Bern–Lausanne. In vertraulicher Mission machen sich Bundespolizisten mit Vertretern der Freiburger Kantonspolizei und des Wissenschaftlichen Forschungsdiensts der Stadtpolizei Zürich (WFD) in einem abgelegenen Waldstück zu schaffen.

Es ist ein kalter Wintertag im Dezember 1998. Im feuchten Erdreich heben die Männer ein Loch aus. In einem Meter Tiefe stossen sie auf zwei Metallkoffer. Die angerosteten Traggriffe und Schlösser sind mit einer Zündvorrichtung versehen.

Vorsichtig entschärfen die WFD-Spezialisten den Sprengsatz und öffnen die Behälter. Sie finden einen technisch veralteten Funkempfänger und ein Sendegerät. Ein sensationeller Fund: Die Bundespolizei ist auf ein Erdversteck des sowjetischen Geheimdiensts KGB gestossen.

Brandheisse Akten eingeschleust
Den Tipp hatte der russische Uberläufer Wassili Mitrochin geliefert. Mitrochin, seit 1948 im Dienst des sowjetischen Auslandnachrichtendiensts, war von 1972 bis 1984 für die Verlegung des Archivs der Ersten Hauptverwaltung in ein neues KGB-Hauptquartier zuständig. In dieser Zeit fertigte der KGB-Oberst kistenweise Notizen über die streng geheimen Akten an. 1992 wurde er vom britischen Geheimdienst SIS in einem sensationellen Coup in den Westen geschleust. Das brandgefährliche Material hatte Mitrochin unter hohem Risiko mitgebracht.

Das Mitrochin-Archiv enthält laut dem amerikanischen FBI das «vollständigste und umfassendste Material, das je von einer Quelle geliefert wurde». Im Oktober letzten Jahres veröffentlichte der britische Geheimdienstexperte Christopher Andrew ein Buch dazu – auf Deutsch erschienen als «Schwarzbuch des KGB».

Auch die Schweizer Bundespolizei prüfte die Informationen und stellte fest, «dass keine aktuellen Verdachtsgründe bestehen, die zu einer strafrechtlichen Verfolgung Anlass geboten hätten» – nicht zuletzt, weil in den geprüften Fällen die Verjährung eingetreten war.

Immerhin führten Mitrochins Hinweise zum «explosiven Depot» im Freiburger Wald, das Sowjetagenten Mitte der sechziger Jahre angelegt hatten. Das Versteck war professionell mit diversen Gegenständen markiert. «Jeder, der den Behälter bewegt hätte, wäre getötet worden», sagte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft. Er gab sich überzeugt, dass es sich beim aufgefundenen Versteck «nicht um das einzige in der Schweiz» handle.

Das EDA forderte denn auch die russische Botschaft auf, allfällige weitere Verstecke zu melden. Ohne Erfolg, wie die Bundespolizei auf ihrer Homepage festhält: «Bisher erfolgte keine konkrete Meldung.»

Mit Flieder und Rosen bezirzt
Dass der sowjetische Geheimdienst KGB in der Schweiz spitzelte und spionierte, ist nicht neu. Wassili Mitrochins Informationen bringen aber Licht in einige andere Schweizer Spionagefälle der sechziger und siebziger Jahre.

So schildert der ehemalige KGB-Offizier zum Beispiel, wie der 1974 in der Schweiz lebende Schriftsteller Alexander Solschenizyn ausgeforscht wurde. Kaum war der sowjetische Dissident in Zürich eingetroffen, klopfte bei ihm die unbekannte Valentina Holubova an die Tür – mit einem Strauss Rosen und Flieder in der Hand.

Sie stamme aus Rjasan, der Stadt, in der Solschenizyn Lehrer gewesen war. Der Flieder solle ihn an die Fliederbüsche erinnern, die dort im Frühling blühen.

Der ahnungslose Schriftsteller tappte in die Falle und stellte die Geheimagentin als persönliche Sekretärin ein. Die Operation «Pauk» hatte der damalige KGB-Chef Juri Andropow höchstpersönlich abgesegnet.

Eine andere Operation war die geplante Sprengung einer deutsch-italienischen Ölpipeline im Sommer 1968. Der Anschlag hätte die Trinkwasserreserve im Bodenseeraum verschmutzt. Ziel war die Ablenkung vom Einmarsch der Warschau-Pakt-Truppen in der Tschechoslowakei. Die Aktion war so angelegt, dass die Spuren auf Südtiroler Terroristen hingewiesen hätten. Doch die Tat wurde nie begangen.

Ein Agent, der damals mit dabei war, hatte sich 1969 als Schweizer Rückwanderer Igor Mürner in Zollikofen BE gemeldet. Bei der Routineüberprüfung wurde er enttarnt und wegen Verdachts auf politischen Nachrichtendienst verurteilt. Mürners Rolle als potentieller Saboteur wurde erst jetzt bekannt – dank Mitrochins Hinweisen.