«Ich musste kurz untertauchen»
Die Berner FDP-Stadtratskandidatin Sylvia Lafranchi wurde in der «Sonntags-Zeitung» als Offroader-Liebhaberin porträtiert. Von den darauffolgenden Beschimpfungen ist sie ziemlich schockiert.
Veröffentlicht am 26. September 2008 - 16:32 Uhr
Schon am Sonntag ging es los mit SMS und Mails. Beschimpfungen, Beleidigungen, das meiste unterste Schublade, ich vermute, aus dem linksgrünen Lager. Ich muss sagen, irgendwie kann ich das sogar verstehen - so wie ich im Artikel der «Sonntags-Zeitung» daherkomme. Etwa das mit der Sicherheit, daran haben mich die Leserinnen und Leser auch aufgehängt: «Wer gibt mir die Garantie, dass ich mit einem kleineren Auto kein Kind anfahre?» Das klingt natürlich völlig blöd. Vor allem für Angehörige von Verkehrsopfern. Da zieht sich im Nachhinein auch in mir alles zusammen, wenn ich das lese. Ich wollte damit eher sagen, man könne eben nie wissen, was einem im Leben passiert.
Begonnen hat alles mit einem Anruf der «Sonntags-Zeitung». Die Journalistin sagte, sie würden eine Frau suchen, die ein grosses Auto fährt und etwas über ihr Verhältnis zu diesem Auto und zum Autofahren im Allgemeinen erzählen würde. Ich habe spontan zugesagt. Dann musste alles sehr schnell gehen. Die Journalistin kam nach Bern. Das Gespräch verlief gut, ich fand sie sehr sympathisch. Der Fotograf machte dann ein paar Bilder, wie ich vor meinem Auto stehe. Man versicherte mir, dass die Nummer unkenntlich gemacht würde.
Zum Abschuss freigegeben
Als ich dann am Sonntag die Zeitung aufschlug, sah ich, dass der Artikel mit der Offroader-Initiative der Grünen in Zusammenhang gestellt worden war. Das überraschte mich unangenehm, denn mir war versichert worden, dass die Initiative nicht im Zentrum stehen würde.
Am folgenden Sonntag brachte die «Sonntags-Zeitung» dann nochmals ein Bild von mir. Ich stehe mit verschränkten Armen vor meinem Auto. Darum herum waren die Leserbriefe gruppiert - allesamt negativ. Damit wurde ich endgültig zum Abschuss freigegeben. Schon morgens um sieben läutete das Telefon. Ein mir unbekannter Mann begann aufzuzählen, was er alles mit mir anstellen würde. Ich war aus dem Tiefschlaf gerissen worden und kam am Anfang gar nicht draus. Um zehn rief mich ein guter Kollege an und sagte: «Jetzt sitzt du im Stahlbad, gell?» Ich möchte trotzdem erwähnen, dass ich der Redaktion der «Sonntags-Zeitung» keinen Vorwurf mache, denn dank ihr durfte ich viel für meine Wahlkampagne lernen.
Diese negativen Leserbriefe haben offenbar viele Leser veranlasst, zum Hörer oder zum Stift zu greifen. Das war wirklich sehr, sehr unangenehm. Mir wurde gesagt, wie dumm ich sei, wie arrogant. Es hiess, ich sei einfach die Letzte, ich sei eine dämliche Kuh, ich hätte keine Ahnung von der Initiative, ich hätte keine Ahnung von Physik - dabei habe ich Physik an der eidgenössischen Matur mit Note Sechs abgeschlossen. Und menschenverachtend sei ich. Das ist dann schon dicke Post, wenn einem gesagt wird, man sei menschenverachtend, bloss weil man eine andere Meinung hat. Ich habe mir auch schon überlegt, ob ich vielleicht dermassen filetiert wurde, weil ich eine Frau bin. Das hat mir schon zu denken gegeben.
In der Zeitung stand eben nirgends, dass ich das Auto für meinen Beruf als Naturheilpraktikerin brauche. Es ist ein sehr praktisches Arbeitsvehikel. Ich habe teilweise Patienten, die im hintersten Krachen im Emmental wohnen. Ausserdem habe ich im Berner Oberland ein Bauernhaus, das so abgelegen ist, dass man von November bis Januar da nicht hochkommt ohne Vierradantrieb. In der Stadt brauche ich es nicht. Ich hatte das der Journalistin klar gesagt. Es ist ein Occasionsgöppel, den ich erst noch geschenkt bekommen habe.
Spazieren gehen hilft
Dieser ganze Wirbel ist mir dann zu viel geworden, die heftigen Angriffe haben mich am Anfang überfordert. Ich muss mich um meine Kinder und um meine Arbeit kümmern. Wenn ich diese Attacken an mich heranlasse, komme ich vielleicht in einen Sog rein, der mich runterzieht. Und das hilft auch niemandem.
Um Distanz zu gewinnen, musste ich eine Zeitlang untertauchen. Ich fuhr nach Lissabon, wo meine Tochter wohnt. Ich habe mir die Stadt angeschaut, bin viel spazieren gegangen. Spazieren gehen hilft. Wenn man von einem Ort zum anderen geht, befreit das die Gedanken. In Lissabon schliesslich reifte der Entschluss, dass ich das so nicht hinnehmen werde. Ein Spinner beispielsweise ruft mich etwa jede Stunde an. Gegen diese Person werde ich Anzeige erstatten. Ausserdem habe ich ein Communiqué veröffentlicht, in dem ich meine Haltung klarmache. Es geht einfach nicht, dass ein solcher Terror veranstaltet wird, bloss weil jemand eine andere Meinung hat.
Ich habe übrigens überhaupt kein Problem mit Initiant Bastien Girod. Ich kenne ihn nicht. Auf den Fotos sieht er nett aus, er hat so einen Schalk in den Augen. Er ist wahrscheinlich genau wie ich in ein Piranhabecken geworfen worden, nachdem er die Initiative gestartet hatte.
Rückblickend hätte ich gewisse Sachen vielleicht unverfänglicher formuliert. Ich bin jemand, der frisch von der Leber weg redet, wie ich es zu Hause auch tue. Ich bin neu im Politikgeschäft. Das war jetzt eine Art Medien-Crashkurs. Aber ich finde, man muss seine Meinung sagen dürfen, ohne dass man deswegen gleich in eine Ecke gestellt wird. Vielleicht fühlt sich ja jemand, der auch zu Unrecht attackiert wird, durch mein Communiqué bestärkt, sich zu wehren. Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt.