Auf Ansichtskarten des Bodensee-Städtchens Rorschach SG wird das unansehnliche Ufer am östlichen Ortsrand meist ausgeblendet: vergammelte Produktionsstätten eines Stahlbauers, ein Parkfeld, Schienenanlagen der SBB – und dazu eine Durchgangsstrasse. So etwas eignet sich nicht für Ansichtskarten.

Doch nun sollen dort glanzvollere Zeiten anbrechen. Unter dem Namen Swiss Marina ist auf 300'000 Quadratmetern ein gigantischer Freizeitpark mit einem 40-stöckigen Hotel mit 3000 Zimmern geplant, ergänzt durch ein Kasino, Kongressräume für 7000 Leute, eine Sportarena für 10'000 Besucher, einen neuen Bootshafen, ein Freilufttheater und Konzertsäle. Damit nicht genug, gibts dazu noch Restaurants, Boutiquen, eine Wellness-Bäderlandschaft und Wohnungen.

Mit 13'000 neuen Arbeitsplätzen und einem Investitionsvolumen von 1,3 Milliarden Franken wird jetzt für das Mini-«Las Vegas» am Bodensee die Werbetrommel gerührt. Eröffnet werden soll der Park im Jahr 2006, gerechnet wird mit sieben bis acht Millionen Besuchern pro Jahr.

Loblied auf «brachliegende Perle»
Am meisten ins Zeug legt sich Ernst Tobler, Gemeindeammann von Rorschacherberg: «Es bietet sich die einmalige Chance, mit dieser brachliegenden Perle den Wachstumsschub für das neue Jahrtausend auszulösen.» Seinen Amtskollegen Marcel Fischer, Ammann von Rorschach, hat er ebenfalls für Swiss Marina erwärmen können. Denn der geplante Park liegt auf dem Gebiet beider Gemeinden.

Fischer ist allerdings weniger euphorisch. Er spricht erst von einem «Denkmodell». Noch sei die politische Diskussion nicht geführt – ausserdem könne er den «Puls der Bevölkerung» nicht spüren. «Was hier geplant wird, sprengt alles Bisherige.» So braucht es einen Sondernutzungsplan für das Gebiet, weil Swiss Marina die geltenden Vorschriften mehrfach nicht einhalten kann. Zudem müssten auch Kanton und Bund einige Ausnahmebewilligungen erteilen.

Trotzdem ist es bisher ruhig geblieben – wohl weil die Schweizer nicht recht glauben wollen, was da an ihr Bodenseeufer hingeklotzt werden soll. Margot Benz, Sektionspräsidentin des Verkehrs-Clubs der Schweiz, findet den Standort zwar nicht grundsätzlich schlecht, «aber wie man die erwarteten 20'000 Besucher pro Tag bewältigen will, ist mir schleierhaft». Entschieden gegen das «gigantomanische Projekt» ist Pro Natura St. Gallen/Appenzell.

Ernst Tobler, langjähriger FDP-Kantonsrat, weiss um die Fallstricke für Swiss Marina. Deshalb hat er eine Arbeitsgruppe beauftragt, die rechtlichen und volkswirtschaftlichen Aspekte abzuklären. Tobler schaffte es, mit dem ehemaligen FDP-Regierungsrat Walter Kägi, dem CVP-Ständerat Eugen David und dem früheren Universitätsprofessor und SP-Nationalrat Hans Schmid ein parteipolitisch ausgewogenes Trio einzuspannen.

Der Bericht der «drei Weisen» liegt nun vor. Ihr «Ja, aber» zeigt, dass eine ganze Reihe von Hürden zu nehmen sind, bevor dereinst die Bagger auffahren können. Walter Kägi sagt es knapp: «Das geht nicht ohne Schmerzen.» Ernst Tobler will sich der Herkulesaufgabe stellen und verlangt geschlossene Reihen: «Wir haben vor den Bürgern nur eine Chance, wenn wir das Projekt gemeinsam tragen.»

Potenter Investor aus England
Der Aufruf ist berechtigt, denn der Investor Fordgate Development möchte sich bei der Bevölkerung mit einer Konsultativabstimmung absichern. Die Firma mit Sitz in London und milliardenschweren Immobilien in England, Osteuropa, Nord- und Südamerika setzt auf die Kombination von Erlebnispark und Business-Center. Fordgate gehört der jüdischstämmigen Gertner-Familie, und die ist es sich gewohnt, mit der grossen Kelle anzurichten.

So soll etwa das geplante Kasino in Rorschach vom gleichen Management wie das Venetian-Hotel-Casino in Las Vegas betrieben werden. Die Bonität des Investors sei – so versichert Tobler – ausser Zweifel. Und: Die Gertners haben sich mit der Fordinvest Immobilien GmbH im Steuerparadies Pfäffikon SZ bereits ein Schweizer Standbein zugelegt.

Noch steht aber vieles auf wackeligen Füssen; ungewiss ist etwa auch die Spielbankenkonzession. Der Bundesrat beabsichtigt, Ende Jahr vorerst vier bis acht Grand Casinos und etwa doppelt so viele Kursäle zu konzessionieren. Sicher ist, dass Swiss Marina in der ersten Runde nicht mit dabei sein wird. Grund: Das Konzessionsgesuch konnte nicht termingerecht eingereicht werden. Sollte also etwa die Stadt St. Gallen eine so genannte A-Konzession erhalten, hat es für ein zweites A-Kasino in Rorschach keinen Platz. Das wäre dann das Aus für Swiss Marina. Denn für die Investoren rechnet sich das Projekt nur mit Kasino.

Daran will Gemeindepräsident Tobler zurzeit nicht denken. Voller Optimismus prophezeit er: «Die Chancen für eine Realisierung stehen bei siebzig Prozent.»