Werner Ferrari: Kindermord wird neu beurteilt
Veröffentlicht am 24. Juni 2003 - 00:00 Uhr
Wegen fünf Kindermorden wurde Werner Ferrari 1995 zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt. Einen Mord hat er allerdings immer bestritten – denjenigen an der zwölfjährigen Ruth Steinmann.
Gestützt auf neue Fakten, die der Beobachter-Autor Peter Holenstein 22 Jahre nach der Tat recherchierte, hat das Aargauer Obergericht nun eine neue Beurteilung des Tötungsdelikts angeordnet.
Hanna Utz (Name geändert), die wichtigste neue Zeugin, hat Holenstein eine ganz andere Tatversion geschildert. Sie habe als 13-Jährige auf Geheiss ihres Onkels Ruth Steinmann in den Wald gelockt. Dort habe ihr Onkel Ruth getötet – gemeinsam mit Werner Ferrari.
Holenstein hingegen glaubt nicht, dass es sich beim Mittäter um Ferrari gehandelt hat. Anhand der recherchierten Indizien weise alles auf Jürg Bär (Name geändert) hin, «der Ferrari zum Verwechseln ähnlich sieht». Bär wird auch von einem weiteren Zeugen, einem Familienangehörigen, schwer belastet. Am Tattag sei er verspätet und mit einer frischen Bisswunde am Arm nach Hause zurückgekehrt. Bär habe zudem wirres Zeug geredet – zum Beispiel: «Warum müssen diese Weiber immer so schreien?»
Verwechslung wäre möglich
Auch Ruth Steinmanns Vater schliesst nicht aus, dass er Bär mit Ferrari verwechselt haben könnte. Er fand seine Tochter am Tatort. Kurz zuvor war ihm ein Mofafahrer begegnet, den er aufgrund von Fotos als Ferrari identifizierte. Ein weiterer Hinweis: Bär besass ein Mofa des gleichen Typs, wie es Ferrari zugeordnet wurde. Laut Zeugen habe er es nach dem Tattag «wie ein Irrer gereinigt». Ausserdem besass Bär eine dunkle Lederjacke, wie sie der verdächtigte Mofafahrer getragen hatte.
Was die Beweisführung erschwert: Beide möglichen «neuen» Täter sind inzwischen verstorben. Und Hanna Utz behauptet neuerdings, sie habe ihre Geschichte erfunden. Was Peter Holenstein allerdings bezweifelt: «Hanna sagte mir, dass die Täter Ruth mit deren linker Socke erstickt hätten. Das stand nicht in den Medien. Das kann nur jemand wissen, der dabei gewesen ist.»
Zudem hat die Polizei auf der Leiche ein Schamhaar sichergestellt. Laut der erst jetzt erstellten DNA-Analyse stammt es nicht von Ferrari. Damit drängt sich eine Neubeurteilung auf.