Editorial: So ein einfaches Leben!
Chefredaktro Ivo Bachmann beleuchtet die unterschiedlichen Sorgen eines Ex-ABB-Managers und seiner Angestellten.
Veröffentlicht am 4. März 2002 - 00:00 Uhr
Was tun mit 148 Millionen Franken? Die Expo.02 aus der nächsten Finanzkrise retten? Ein paar idyllische Südseeinseln kaufen? Für die nächsten zehn Jahre alle Anzeigenseiten im Beobachter buchen? Der ehemalige ABB-Chef Percy Barnevik ist nicht zu beneiden. Da hat er schon über 30 Millionen auf der hohen Kante und nun das: 148 Millionen aus der Beletage der ABB-Pensionskasse! Seine Anlageberater rotieren, seine Steuerberater schwitzen und seine PR-Berater werfen sich in die Schlacht ihres Lebens. Er habe doch immer «ein verhältnismässig einfaches Leben geführt», sagt Barnevik. Wie treffend! Es ist tatsächlich alles eine Frage der Verhältnismässigkeit.
Ein paar tausend Angestellte des ABB-Konzerns wären jedenfalls froh, sie hätten nur einen Deziliter des immensen Geldregens und nur einen Bruchteil der schönen Sicherheit. Stattdessen bangen sie um ihren Job; der von Barnevik gezimmerte Weltkonzern steht vor gewaltigen Problemen. Eine Reorganisation jagt die andere; es droht ein weiterer Stellenabbau.
Was eine solche Situation für Angestellte bedeutet, erfahren wir aus den Anfragen bei unserem Beratungszentrum. Und noch dramatischer in den Hilfsgesuchen an die Stiftung SOS Beobachter. Da sind nicht nur berufliche Existenzen bedroht, da steht das Schicksal ganzer Familien auf dem Spiel. Doch an solche Verhältnisse denkt ein verhältnismässig bescheiden lebender Mensch wie Barnevik wohl nicht.
Ein Glück, tun das andere. SOS Beobachter hilft Jahr für Jahr über 2000 Einzelpersonen und Familien aus einer finanziellen, sozialen oder rechtlichen Notlage. Das ist möglich, weil uns die Beobachter-Leserinnen und -Leser Jahr für Jahr zwischen zwei und drei Millionen Franken schenken «ehrlich verdientes und hart erspartes Geld», wie uns kürzlich etwa eine Spenderin schrieb. Allein die Feriengeldaktion des Beobachters brachte umgerechnet rund 300000 Franken ein! «Wir wünschen uns, dass alle Kinder so glückliche Ferien haben wie wir», stand zum Beispiel auf der Postkarte von Tamara und Sven und beigelegt war ein dickes Kuvert mit dem Ferienrestgeld der ganzen Familie.
Der kleine Unterschied. Da gibt es Leute, die sich ihren Abgang aus einer kriselnden Firma mit Millionenabfindungen vergolden lassen. Gewissensbisse? Keine. Und umgekehrt finden sich immer wieder Menschen, die ihr vergleichsweise bescheidenes Glück ganz gern und ganz selbstverständlich mit andern Leuten teilen. Nicht auszumalen, was solche Menschen mit 148 Millionen bewirken könnten, Herr Barnevik.