Editorial: Zeit für Solidarität
«Täglich werden wir via Medien mit dem unerschöpflichen Elend der Welt überfordert.»
Veröffentlicht am 10. Juni 2003 - 00:00 Uhr
Vielleicht sind wir doch besser als unser Ruf. Klar: Wir leben in einer Ego-Gesellschaft, die sich der Jagd nach dem persönlichen Vorteil verschrieben hat. Gewiss: Wer zunehmende soziale Kälte beklagt, erntet kaum Widerspruch. Und bei Ebbe in den Kassen auch da besteht kein Zweifel hat es Solidarität besonders schwer. Egal, ob es darum geht, mehr Geld für Behinderte auszugeben, Pensionskassen zu sanieren oder auch den schlecht Verdienenden die Frührente zu ermöglichen. Doch bei einem Wechsel der Perspektive sehen die Dinge anders aus: Mag die staatlich verordnete Solidarität kriseln die individuelle Hilfsbereitschaft ist sehr vital.
Jeremias Janki ist eins von vielen Beispielen dafür. Der Hundeführer packte in wenigen Stunden seine Sachen, um mit seinem Border Collie ins algerische Erdbebengebiet zu fliegen. Dort suchten die beiden nach Verschütteten ein erschütterndes Erlebnis, das Edith Lier aufgezeichnet hat (siehe Artikel zum Thema «Die Tragik bewegte mich sehr»). Schlimmer jedoch als diese Eindrücke wäre für Janki die Aussicht gewesen, zu Hause bleiben zu müssen. Den Einsatz sieht der Hundeführer als Wertschätzung für sein jahrelanges Engagement der Helfer bedankt sich, dass er helfen durfte.
Zu Dank hingegen verpflichtet sind die Firmenleitungen von Swissmetal, Alstom und der «Winterthur». Wo ihnen als Antwort auf die wirtschaftliche Misere nur noch Massenentlassungen einfielen, setzen ihre Angestellten auf Solidarität. Birthe Homann zeigt, wie sie freiwillig ihre Pensen reduzieren und auf Lohn verzichten, um Jobs zu retten (siehe Artikel zum Thema «Kreativer als die Bosse»).
Auch Urs Zanoni und Ueli Zindel gehen in unserer Titelgeschichte (siehe Artikel zum Thema «Solidarischer, als man denkt») der privaten Solidarität nach.
Sie kommen zum Ergebnis, dass trotz aller Individualisierung die Zeiten für freiwilliges Engagement so schlecht nicht sind. Allerdings hat es sich verlagert. Solidarität gilt weniger der Gesellschaft insgesamt, sondern wir wenden uns eher den überschaubaren Problemen zu verständlich, zumal wir täglich via Medien mit dem unerschöpflichen Elend der Welt überfordert werden.
Um individuelle Hilfe in konkreter Not geht es auch unserer Stiftung SOS Beobachter. Tausende Menschen können wir jedes Jahr dank Ihnen unterstützen gelebte Solidarität, um die wir Sie in dieser Beobachter-Ausgabe wieder bitten. Wie immer kommt jeder Spendenfranken direkt den Bedürftigen zugute. In ihrem Namen danken wir schon heute.