Die Idylle ist nur am Sonntag und am Montag perfekt, wenn das Lokal geschlossen ist. Dann gönnen sich Margriet und Peter Schnaibel im Restaurant Taggenberg eine Tasse Kaffee unter den Bäumen ihres Gartens. Dann haben sie für ihre Kinder mehr Zeit als bloss drei Minuten zwischen zwei Gängen eines Menüs.

Das Gourmetrestaurant in Winterthur-Wülflingen ist Feinschmeckern seit langem ein Begriff. Vor zwei Jahren verkaufte es die Stadt an das Wirteehepaar. Der Deutsche und die Holländerin setzen sich mit viel Engagement dafür ein, dass die Gäste zufrieden nach Hause gehen – und hoffentlich wiederkommen. Das Leben als Angestellte kennen sie schon lange nicht mehr. Peter Schnaibels letzter fester Job war der des Chefkochs in der Brasserie Lipp in Zürich.

Wir treffen uns zur Menübesprechung in der Wirtshausküche. Einen privaten Herd haben Schnaibels nicht. Sie leben und arbeiten im gleichen Haus, bereiten sowohl das Frühstück für die Kinder wie das Mittagessen für die Familie in der chromstählernen Profiumgebung zu. Dann steht oft Margriet Schnaibel am Herd, damit ihr Mann einmal Pause machen kann.

Peter Schnaibel zeigt mir allerhand Tricks mit Messern und Maschinen. Die hauchdünnen Kartoffelscheiben erhält er, indem er die Knollen über ein scharfes Messer reibt. Dabei sollte man allerdings stoppen, bevor die Fingerkuppe weg ist. Ein halbes Dutzend kleine Elektrotimer sind mit Magneten ans Stahlmobiliar geheftet. «Bei Hochbetrieb ist es manchmal schwierig, die Piepser zu orten, denn sie tönen alle gleich», sagt der Wirt.

Die 17 Gault-Millau-Punkte mit der Auszeichnung «Aufsteiger des Jahres» und den diesjährigen Gastro-Suisse-Preis hat sich das Ehepaar im Team erarbeitet. Während er in der Küche sein Bestes gibt, ist seine Frau im Service tätig. Überdies ist sie eine ausgewiesene Weinkennerin, auch wenn es ältere männliche Gäste gibt, die das nicht glauben wollen: «Es kommt immer noch vor, dass man mich bittet, meinen Mann nach einem Weintipp zu fragen.»

«Miss Taggenberg», wie sich Margriet Schnaibel mit einem Augenzwinkern nennt, hat einen Charme, dem man kaum widerstehen kann. Zudem hilft sie durch gezielte Rückmeldungen der Gäste an ihren Mann, die Qualität stetig zu steigern. Dieser hat sich angewöhnt, genau zuzuhören: «Früher kochte ich, wonach ich Lust hatte. Mit der Zeit habe ich gelernt, die Bedürfnisse der Gäste einfliessen zu lassen.» Trotzdem findet er, dass 17 Punkte zurzeit genug seien. «Bevor wir atemlos dem Erfolg hinterherrennen, müssen wir die Balance finden zwischen Beruf und Familie. Nicht nur die Gäste, auch unsere beiden Kinder brauchen uns.»

Der Chef geht selber auf den Markt
Wenn man mit Peter Schnaibel am Herd steht, spürt man bei jeder Verrichtung die Leidenschaft, die ihn antreibt. Er verdreht die Augen vor Lust, wenn er an der Trüffelsauce riecht, und wendet die Steinpilze in der Pfanne mit elegantem Schwung. «Ohne die Liebe zu den Zutaten und den Kreationen könnte ich diesen Job gar nicht machen», sagt er.

Die langen Präsenzzeiten und der ständige Druck, höchste Qualität zu bieten: Das alles verlangt eine gehörige Portion Idealismus. Schnaibel lässt es sich aber auch nicht nehmen, persönlich auf den Markt zu gehen: «Ich lerne die Produzenten kennen und bin froh, wenn sie ehrlich zu mir sind. So gibt einer auch mal zu, wenn ein Produkt nicht von bester Qualität ist.»

Qualitätsunterschiede stellen Schnaibels ab und zu fest, wenn sie im Rahmen ihres Catering-Services in Privatküchen kochen: «Das Mobiliar ist chic und neu, während der Inhalt des Kühlschranks nicht immer mithalten kann.» Der Gourmetkoch lacht, wenn er das sagt. «Aus diesem Grund können wir uns mit unserer Arbeit immer noch vom Durchschnitt abheben.»

Ich lerne nicht nur ein paar Rüst- und Gartechniken, sondern auch das korrekte Anrichten. Die grossen Porzellanteller haben ein beachtliches Gewicht, und die Mitarbeiter müssen diese täglich unzählige Male von der Küche zu den Tischen balancieren – bei schönem Wetter sogar in den Garten. Dieser bietet eine wunderschöne Aussicht auf Winterthur-Wülflingen. Nur der deutliche Geruch nach Landwirtschaft irritiert leicht. Der benachbarte Bauer weiss eben, was sich gehört: Er führt Gülle nur am Wirtesonntag.

Der Jauchegeruch hat sich gelegt, und so geniessen wir ein vorzügliches Mittagessen. Wir sind ein wenig «en famille». Margriet Schneibel schafft es allerdings nicht ganz, aus ihrer Rolle zu schlüpfen: Sie räumt die Teller ab und serviert uns den Kaffee.