Er hätte es sich leicht machen können, der amtierende Mister Schweiz. Für den Beobachter zu kochen und dabei gut abzuschneiden hätte ihn ein Lächeln gekostet, wenn er sich von seinem WG-Partner Damien, der von Beruf Chefkoch ist, hätte helfen lassen. Aber Sven Melig möchte persönlich am Herd stehen und nimmt die Herausforderung gern an.

Die Ein-Zimmer-Dachwohnung im aargauischen Berikon ist auf den ersten Blick geräumig. Wenn man aber weiss, dass in diesem einen Raum zwei junge Single-Männer wohnen, schlafen, kochen, essen, Gewichte heben und ab und zu sogar Frauenbesuch haben, macht man sich seine Gedanken, wie das alles aneinander vorbeigeht.

Zum Nudelchef ernannt
Am gekachelten Boden erkennt man die Ecke, die sich Küche nennt. Hier werden wir ein chinesisches Nudelgericht zubereiten. Sven Melig präzisiert: «Es ist ein Rezept aus der Provinz Sichuan, das ich mir von Mister Mong Vo, einem befreundeten chinesischen Koch, habe geben lassen.» Öl, Gewürze und Saucen hat er im exakten Mass in Plastikbechern mitgeliefert bekommen. Uns bleibt vorbehalten, Zwiebeln zu hacken, Rüebli zu raffeln und Nudeln zu kochen.

Sven Melig übernimmt das Zepter. Er lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Kleine Unsicherheiten überspielt er, indem er mich mit ins Boot nimmt: «Ich mache das zum ersten Mal – jetzt bist du gefordert, damit nichts schief geht!» Sagts und befördert mich umgehend zum Nudelchef.

Bisher hatte Melig wenig Gelegenheit, seine Kochkünste zu beweisen. In seiner Familie kochte meistens der Vater. «Als ausgewanderter Tscheche war mein Daddy spezialisiert auf Palatschinta.» Sven schwärmt von den süssen Mehlspeisen, gefüllt mit Konfitüre oder Schokolade.

Mit zwölf Jahren änderte sich Svens Leben drastisch. Aus einem Ferienbesuch bei Verwandten in Florida wurde ein zweijähriger Aufenthalt in den USA. Sein Onkel bemerkte Svens Tennistalent und ermöglichte ihm eine Ausbildung an einer renommierten Tennis-Academy. Dort lernte er Berühmtheiten wie André Agassi oder Anna Kurnikova kennen.

Heute teilt sich Sven Melig die Arbeitswoche nach verschiedenen Jobs und Jahreszeiten ein. Mal ist er als Tennislehrer engagiert, dann wieder macht er sich in Snowboardschulen in St. Moritz oder Davos nützlich. Den Rest der Zeit verbringt er im Laden als Sportartikelverkäufer oder als amtierender Schönster der Schweiz. In dieser Rolle tritt er an diversen Kochen mit Sven Melig: eranstaltungen auf, posiert für Fotos, signiert Autogrammkarten oder serviert Gästen Cüpli.

Dass er für die repräsentativen Aufgaben weit weniger Geld verdient als sein weibliches Pendant, stört ihn nicht. Denn wichtig ist ihm der Spass an der Sache: «Eigentlich tue ich als Mister Schweiz nichts anderes als im Sportgeschäft – ausser dass das Produkt, das ich verkaufe, ich selber bin.» Sven Melig übt seinen Beruf mit so viel Leidenschaft aus, dass er «am liebsten auch Grossmüttern Snowboards verkaufen würde».

Ein gebranntes Kind
Tatsächlich scheint der 27-jährige Verkäufer keinerlei Hemmschwellen zu haben, wenn es darum geht, mit jemandem in Kontakt zu treten. Sven Meligs Lockerheit hat ihm wohl auch zum Titel «Mister Schweiz» verholfen. Nachdem ihn seine Schwester ohne sein Wissen zum Wettbewerb angemeldet hatte, schaffte er es trotz – oder vielleicht auch dank – seinen frechen Sprüchen vor der Jury ins Finale und schliesslich aufs Podest.

Wenn es eine Botschaft gibt, die Sven Melig jungen Schweizerinnen und Schweizern vermitteln möchte, dann ist es ein Aufruf zu mehr Freundlichkeit und positivem Denken. Diese Eigenschaften, die durchaus seinem Charakter entsprechen, wurden ihm im Mentaltraining an der amerikanischen Sportschule beigebracht.

Melig ist derzeit in allen Medien, auf allen Kanälen. Aber nicht alle Geschichten, die über ihn geschrieben wurden, waren positiv. Als der «Blick» ihn als verantwortungslosen Casanova darstellte, für den «Gummi» ein Fremdwort sei und der damit auch noch angebe, wehrte er sich: «Da wurde eine meiner Aussagen falsch wiedergegeben. Die Folgen dieses Artikels spüre ich heute noch.» Aber er will nicht unnötig grübeln: «Was solls, das ist vorbei. Ich habe daraus etwas gelernt und bin jetzt vorsichtiger mit meinen Aussagen, vor allem gegenüber Journalisten, mit denen ich schlechte Erfahrungen gemacht habe.»

Wir sind in der Schlussphase der Menüzubereitung. Melig beweist, dass er nicht zum ersten Mal am Herd steht. Mit einem Zwick aus dem Handgelenk wendet er das Bratgut in der Pfanne, genau wie die Profis. Da will ich ihm verzeihen, dass er vergessen hat, die Peperoni in die Pfanne zu geben. Immerhin bietet er sie dem Fotografen für das Bild als Dekoration an.

Ganz stressfrei ist die Kocherei dann doch nicht verlaufen. Beim Essen erfahre ich, was Sven Melig bei den Vorbereitungen ins Rudern gebracht hat: «Nachdem mir der Koch gestern das Menü gezeigt hatte, wollte ich heute Morgen einkaufen, hatte aber vergessen, dass der 1. November im Aargau ein Feiertag ist. Das bedeutet: Alle Läden sind geschlossen.» So war er gezwungen, Gemüse und Fleisch auswärts zu besorgen. Mister Schweiz auf interkantonaler Shoppingtour.

Das gegenseitige Feedback zum Menü fällt unterschiedlich aus. Ich lobe das chinesische Gericht und finde, dass es weit besser schmeckt, als die Fast-Food-Atmosphäre am Stehtisch vermuten lässt. Sven hingegen ist mit dem Nudelchef nicht ganz zufrieden. «Die Teigwaren hätten noch ein paar Minuten länger kochen dürfen!»