«Ich habe einen Suppenspleen», sagt Radiomann Roland Jeanneret. Zum einen, weil er als Journalist viel Elend auf der Welt gesehen habe. «Das hat mich gelehrt, auch die kleinen Dinge zu schätzen.» Anderseits, weil er sich darüber ärgere, dass das klassische Armeleutegericht hierzulande so sträflich vernachlässigt werde. «In vielen Restaurants wird die Suppe so nebenbei als Stopfgang angeboten.»

Aus diesem Grund haben Jeanneret und seine Frau Suzanne vor ein paar Jahren begonnen, regelmässig Freunde zu einem Suppenmahl einzuladen – eine kleine Idee, die heute Kultstatus hat. Denn das Paar verbindet den Anlass mit Vernissagen von Künstlern, die Bilder zum Thema malen. Oder es wird ein Ausflug nach Paris organisiert, um das einschlägige Lokal Bar à soupes zu testen.

Die Glaubwürdigkeit in Person
Über das Radio hinaus bekannt geworden ist Jeanneret als Aushängeschild der Stiftung Glückskette, die seit 20 Jahren Geld sammelt für die Opfer von Naturkatastrophen, Hungersnöten, Krisen oder Kriegen. (Zurzeit läuft eine Sammelaktion für die Not leidende Bevölkerung im Irak: Postkonto 10-15000-6, Vermerk «Irak».)

Besonders erfolgreich sind jeweils Sammlungen zugunsten inländischer Opfer. Nach dem Erdrutsch von Gondo im Oktober 2000 kamen 74 Millionen Franken zusammen – ein Sammelrekord. Im Ausland kamen erfolgreiche Hilfsaktionen den Vertriebenen aus dem Kosovo zugute sowie den Opfern des Wirbelsturms Mitch in Mittelamerika.

Dass so viele Menschen in der Schweiz ihr Geld grosszügig für Bedürftige hergeben, hat viel mit der Person von Roland Jeanneret zu tun. Der altgediente Radiomann hat Charisma. Er inszeniert die Sammlungen medienwirksam, ohne dabei reisserisch oder aufdringlich zu wirken. Kurz: Er strahlt viel Vertrauen und Glaubwürdigkeit aus. Bei der Glückskette beschränkt er seine Funktion auf die Rolle des Koordinators und Mediensprechers. Den Rest überlässt er den Profis. «Bei den Hilfswerken, mit denen wir zusammenarbeiten, sind erfahrene Spezialisten am Werk, die die Logistik für die Verteilung der Güter im Griff haben.» Zudem verfüge man über qualifizierte Leute, die das Spendengeld ohne Risiko anlegen.

Doch Schluss mit dem Fachsimpeln. Jetzt möchte sich Jeanneret auf seine Suppe konzentrieren. Er studiert das Rezept – und kommt beim Umbinden der Kochschürze (Motto: «Hier kocht der Chef») schon wieder ins Philosophieren. Die Suppe müsse trotz gepflegtem Ambiente bescheiden bleiben. «Ich mag es nicht, wenn sie mit edlen Zutaten künstlich aufgemotzt wird.» Einfachheit als Herausforderung? Oder als willkommene Ausrede für einen Workaholic, der für aufwändige Kocherei sowieso keine Zeit hat? Die Frage bleibt unbeantwortet.

Roland Jeannerets Stimme zählt zum Inventar von Schweizer Radio DRS. Trotz einem längeren Abstecher zum Fernsehen, wo er Jugendsendungen wie das «Kafi Stift» moderierte, blieb er dem akustischen Medium immer treu. Ein- bis zweimal pro Woche ist er in der Mittagssendung «Rendez-vous» von Radio DRS zu hören.

Auch ohne Mikrofon ist er ein lebendiger Erzähler, dessen Geschichten sich in meinem Kopf zu farbigen Bildern verwandeln: die «Cantina» am Luganersee, die er zusammen mit einem Freund vor 20 Jahren kaufte und renovierte; das Restaurant im Seeland, wo man die Spargeln, die man essen möchte, auf dem Feld selber stechen darf – oder der australische Cabernet-Sauvignon namens «Jeanneret», von dem die Kellnerin in Sydney nicht wusste, wie man ihn ausspricht.

Gepflegtes Stadtberndeutsch
Für seine gepflegte Sprache bekommt Jeanneret von Zuhörerinnen und Zuhörern viele Komplimente – ein klassisches Stadtberndeutsch, das man eigentlich unter Heimatschutz stellen sollte. «Ich habe mir den sauberen Dialekt aus Notwehr zugelegt, nachdem ich als Sohn eines französischsprachigen Vaters und einer Appenzeller Mutter von den Kollegen für mein Kauderwelsch gehänselt worden war.»

Die Kindheit hat auch kulinarische Spuren hinterlassen. Angesichts des bescheidenen Budgets, das der Familie fürs Essen zur Verfügung stand, war es jedes Mal ein Gaumenfest, wenn die Grossmutter aus Le Locle zu Weihnachten einen Vacherin Mont d’Or mitbrachte, den die Mutter mit einem selbst gemachten Zopf auftischte. Jeannerets sind dieser Tradition bis heute treu geblieben.

Zu rüsten gibt «Rolis Peterlisuppe» nicht viel. Bleibt also Zeit, um die Aussicht aus der Attikawohnung auf die Berner Altstadt zu geniessen. Und fürs Reden. Jeanneret zieht Parallelen zwischen Beruf und Privatleben, deren Grenzen unscharf sind. «Ich bin neugierig auf die geografische und die historische Herkunft von Produkten. Das ist wahrscheinlich eine verirrte Form der Recherche.» Dadurch bekommt das Essen, bekommen Getränke, Gewürze und Zutaten eine Geschichte.

Hat es nun ein T oder nicht?
Und dann holt unser Gastgeber aus zu einem Kurzreferat über den Wermut «Noilly Prat», dessen Produktionsstätten in Südfrankreich er besucht hat. «Die Einheimischen lassen das Schluss-t nicht weg, wie man es vermuten könnte, sondern sprechen es aus», sagt Jeanneret. Doch das ist ihm egal, er redet trotzdem vom «Neui Pra». Wahrscheinlich ist das die authentische berndeutsche Übersetzung.

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