Endlich die «richtigen» Eltern oder Geschwister kennenlernen: Viele Adoptierte wollen das. Manchmal suchen auch Eltern, die vor Jahren ein Kind zur Adoption freigegeben haben, später den Kontakt.

Seit 2018 ist das leichter: Das Adoptionsgeheimnis wurde gelockert, die Suche nach den Wurzeln vereinheitlicht und vereinfacht. Seither läuft die Herkunftssuche und, falls gewünscht, die Begegnung in drei Schritten ab. Je nach Kanton kosten die Suche und die allfällige Begleitung durch Fachpersonen einige hundert Franken.

1. Informationen über die gesuchte Person beschaffen

Wer seine leiblichen Eltern, Geschwister oder sein leibliches Kind sucht – egal, wann die Adoption stattfand –, wendet sich an die kantonale Auskunftsstelle, auch Kantonale Zentralbehörde Adoption genannt. Das Bundesamt für Justiz führt eine entsprechende Liste.

Die Behörde beschafft sich die nötigen Unterlagen aus Archiven, um herauszufinden, wie die gesuchte Person damals geheissen und wo sie gewohnt hat. Via Einwohnerkontrolle findet sie sie dann im Normalfall rasch. Falls die gesuchte Person im Ausland lebt, werden in der Regel internationale Suchdienste eingeschaltet, die Erfolgsaussichten sind dann ungewiss. Adoption Leben mit der Lücke

Die Nachkommen von Adoptivkindern können übrigens keine Auskunft verlangen über ihre leiblichen Grosseltern und deren Nachkommen. Gleiches gilt für Adoptivkinder, die ihre Grosseltern suchen. Hilfe gibt es aber, wenn man ein zur Adoption gegebenes (Halb-)Geschwister sucht.

2. Gesuchte Person informieren und ihr Einverständnis zur Kontaktaufnahme einholen

Wenn die Person gefunden ist, wird sie informiert – und gegebenenfalls gefragt, ob sie Kontakt wünscht. Gewisse Behörden machen das selbst, andere ziehen dafür spezialisierte Suchdienste wie die Anlaufstelle Pflege- und Adoptivkinder Schweiz (Pach) bei.

Das Informieren über das Auskunftsgesuch ist eine heikle Sache. Vor allem wenn etwa aus den Akten hervorgeht, dass die gesuchte Person durch die Kontaktaufnahme in Gefahr oder in eine schwierige Situation geraten könnte. Oder falls ihr damals zugesichert wurde, es werde nie jemand von der Adoption erfahren. «Wir verschicken nie ein Kuvert mit einem Logo und halten uns auch im Text sehr allgemein», erklärt Susanne Imper von Pach. «Manchmal klingt unser Brief wie ein Bettelbrief – in der Hoffnung, dass die betroffene Person merkt, worum es geht, und sich meldet.» Am Telefon müssten sie selbstverständlich immer ganz sicher sein, dass sie mit der richtigen Person sprechen.

«Viele, die es gut haben in ihrer Adoptivfamilie, wollten auch einfach eine Lücke schliessen.»

Susanne Imper, Fachmitarbeiterin Adoption, Pach

Im besten Fall meldet sich die gesuchte Person, und man kann ihr erklären, worum es geht. «Auch in diesem Gespräch erwähnen wir nie den Namen der suchenden Person», sagt Susanne Imper. «Manchmal müssen wir zwei bis drei Anläufe nehmen, bis der oder die Gesuchte sich meldet – manchmal klappt es nie.» Dann könnten sie die suchende Person aber beraten, wie sie mit der Ablehnung umgehen könne.

«Falls beide Seiten sich kennenlernen wollen, raten wir meist zu einem ersten brieflichen, noch anonymen Kontakt, den wir vermitteln können», sagt Susanne Imper. Zentralbehörden oder spezialisierte Stellen begleiten auf Wunsch danach auch den persönlichen ersten Kontakt.

Merkblatt «Adoption» bei Guider

Beobachter-Abonnenten erhalten mit dem Merkblatt «Adoption» eine Übersicht, welche Voraussetzungen für eine Adoption erfüllt sein müssen und wirft Fragen auf, mit denen sich Eheleute, Konkubinatspaare und eingetragene Partner beschäftigen sollten.

3. Kontakt begleiten und beratend unterstützen

Das kann gehen wie im Fall eines Mannes, der volljährig geworden war und seine leibliche Mutter kennenlernen wollte. Zuerst habe sie mit beiden vorbereitend gesprochen, erzählt Susanne Imper – und das Treffen dann moderiert. «Dazu gehört, dass ich eingreife, wenn ein Thema für eine Seite zu früh ist. Wir haben uns auch nur mit Vornamen angesprochen, um eine gewisse Anonymität zu wahren.» Der Sohn erzählte vor allem, was er die letzten 20 Jahre so gemacht hatte, die leibliche Mutter musste oft schmunzeln, weil sie darin eigene Wesenszüge erkannte.

Nicht immer ist die Freude von Dauer. Gerade wenn die Erwartungen gross sind Traumatisierung Das Leiden der Adoptierten , folge oft die Ernüchterung, sagt Imper. «Dass die Mutter zum Beispiel ein ganz anderes Leben führt als man selbst. Dass man sich fremd ist und es ausser biologischer Verwandtschaft keine Gemeinsamkeiten gibt.» Viele, die es gut haben in ihrer Adoptivfamilie, wollten auch einfach eine Lücke schliessen und suchten nicht unbedingt eine Beziehung. «Anderen fällt eine Ablehnung sehr schwer.»

Der junge Mann und seine leibliche Mutter wollten schliesslich weiteren Kontakt und fanden, das gehe auch direkt. «Ich biete dann jeweils noch an, da zu sein, falls später noch Probleme oder Fragen auftauchen», sagt Susanne Imper.

Das dürfen Kinder und Eltern wissen
  • Ein volljähriges Adoptivkind hat ein Recht darauf, die Personalien seiner leiblichen Eltern zum Zeitpunkt der Geburt zu erfahren. Nicht jedoch die aktuellen Daten, falls sie keinen Kontakt wünschen. Informationen über leibliche Geschwister oder Halbgeschwister erhält man, sofern diese volljährig sind und der Bekanntgabe zustimmen.
  • Leibliche Eltern und deren direkte Nachkommen haben Anspruch auf identifizierende Informationen über ihr zur Adoption gegebenes volljähriges Kind respektive Geschwister oder Halbgeschwister, sofern es der Bekanntgabe zustimmt.
  • Zum persönlichen Kontakt braucht es immer das Einverständnis von Suchenden und Gesuchten.
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