Saskia K.: «Meine beste Freundin wurde nach fünf Jahren von ihrem Partner wegen einer anderen verlassen. Sie ist am Boden zerstört, und ich möchte ihr helfen. Meist frage ich nicht nach, damit sie sich nicht noch mehr in den Schmerz hineinsteigert. Ich versuche, abzulenken oder aufzuheitern, bin aber unsicher dabei.»

Einfühlendes Verständnis ist hilfreicher als Ablenken. Zwar wird der Schmerz in der Tat zuerst heftiger, wenn man ihn zulässt. Wenn Sie selber aber stabil und abgegrenzt genug sind, können Sie nachfragen und Ihrer Freundin zuhören, bis sie ruhiger wird. Das nämlich ist eine psychologische Erfahrung: Wenn man sich negativen Gefühlen zuwendet, lösen sie sich allmählich auf und werden nicht stärker, wie Laien befürchten. Darauf beruhen viele Psychotherapieformen. Ein guter Therapeut führt seine Klienten dorthin, wo die Konflikte stecken, und ist bei ihrer Auflösung ein gelassener Begleiter.

Die Gesprächstechnik der humanistischen Psychologie und Psychotherapie besteht darin, einem leidenden Menschen ganz einfach nichtwertend zuzuhören – damit Gefühle an die Oberfläche kommen und die Heilung einsetzen kann.

Bisher konnte man diesen Prozess nur belegen, indem man Therapierte beobachtete oder befragte. Jetzt ist Schweizer Hirnforschern auch ein biologischer Nachweis gelungen. Eine Studiengruppe um Uwe Herwig hat an der Universität Zürich 30 Freiwillige mittels Magnetresonanztomographie untersucht. Es zeigte sich mit diesem Verfahren, dass ein bewusstes Achten auf die eigenen Gefühle die Aktivitäten im sogenannten Mandelkern des Gehirns senkt. Diese Region steuert die emotionale Erregung. Die Zuwendung zu den Gefühlen wirkt also nachweislich beruhigend und nicht erregend.

Es ist nicht unbedingt nötig, dass man dabei ein benennbares präzises Gefühl wie Trauer, Wut, Neid oder Angst wahrnimmt. Es reicht bereits, wenn man die körperlichen Begleiterscheinungen deutlich spüren kann. Etwa den Klumpen im Bauch, die Verspannung im Nacken oder den Druck auf der Brust.

Bereits vor 30 Jahren hat der US-Philosoph und Therapeut Eugene Gendlin eine Technik entwickelt, wie man sich seinen Gefühlen bewusst nähern kann: das Focusing. Hier eine kurze Anleitung, zitiert nach dem Beobachter-Ratgeber «Freier leben – Neues wagen»: Es geht darum, sich Zeit zu nehmen – anfangs eine Viertelstunde, mit mehr Übung nur noch ein paar Minuten – und ohne Stress so lange in sich hineinzuhören und hineinzufühlen, bis sich ein Wort findet, eine Wortkombination, ein Symbol oder ein Bild.

  • Setzen oder legen Sie sich ruhig hin und entspannen Sie sich. Achten Sie auf jenen Bereich in Ihrem Innern, in dem Sie sich jeweils traurig, fröhlich oder ängstlich fühlen.

  • Achten Sie jetzt auf das Gefühl, das sich in den Vordergrund schiebt. Dringen Sie nicht ein, geben Sie ihm keinen Namen, sondern bleiben Sie mindestens eine halbe Minute einfach dran.

  • Lassen Sie jetzt langsam Bilder auftauchen, die zu diesem Gefühl passen.

  • Welche kurze, prägnante Formulierung umschreibt das Gefühl?

  • Testen Sie, ob die Wörter oder der Satz wirklich zum Gefühlten passen.

  • Schreiben Sie dieses Wort, mehrere Wörter oder einen Satz auf oder stellen Sie das Gefühlte grafisch dar.

Haben Sie einen passenden Ausdruck gefunden, stellt sich unmittelbar ein Gefühl der Erleichterung ein. Gendlin nannte es «body shift»: «Körperrutsch». Es fühlt sich an, als werde innerlich ein Gang geschaltet.

Die Technik kann helfen, ein inneres Chaos zu klären, und hat eine ähnliche Wirkung wie eine Meditation. Zugleich haben Sie den seelischen Fluss wiederhergestellt und sind einen Schritt weitergekommen.

Weitere Infos

Eugene T. Gendlin: «Focusing. Selbsthilfe bei der Lösung persönlicher Probleme»;  Rowohlt, 1998, 216 Seiten, 17.90 CHF

www.focusing.ch