Oliver Klaffke und Irène Dietschi Klaffke (beide 46) sind seit 1995 verheiratet, haben drei Kinder im Schulalter und einen Jagdhund. Sie wohnen im Solothurnischen und managen auch gemeinsam eine Firma.

Samstag, 26. Juni. Auf dem Familienkalender steht: «Mama & Papa – Kurs in Zürich». Ein ganzer Tag nur für uns beide! Die Zeit dafür freizuschaufeln hat uns einiges an Organisation abverlangt, weil auch die Agenden unserer Kinder − 13, 10 und 7 Jahre alt − an diesem Tag mit Aktivitäten bepackt sind. Doch nach so vielen Jahren Elternschaft bewältigt man diese Herausforderung mit links. Eine leichte Aufgabe, verglichen mit der Ehe. Für Oliver und mich ist nun also der «Brush-up für die Liebe»-Kurs angesagt, in dem es um «Paarkompetenzen» und die «Zufriedenheit in der Paarbeziehung» geht. Wir fahren zwar im Auftrag des Beobachters nach Zürich, aber zugegeben: Ich hoffe, dass wir auch persönlich profitieren werden. Noch vor wenigen Jahren hätte ich den Nutzen eines solchen Kurses wahrscheinlich wortreich in Frage gestellt. Wenn die Liebe stark genug ist, hat man so etwas nicht nötig. Hätte ich damals argumentiert. Inzwischen bin ich bescheidener geworden, um nicht zu sagen: demütiger.

Oliver und ich pflegen eine partnerschaftliche Beziehung, das heisst, wir tragen für die meisten Bereiche unserer Ehe die gemeinsame Verantwortung. Wir sind beide berufstätig, und mit einem eigenen Unternehmen verbringen wir auch einen Grossteil unserer Arbeitszeit zusammen. Dazu engagieren wir uns auch gleichermassen in der Erziehung unserer Kinder; natürlich jeder auf seine Weise – Musik oder Vorlesen sind eher meine Stärken, während für die Naturerlebnisse meist Oliver zuständig ist. In Haus und Garten pflegen wir eine einfache, aber effiziente Arbeitsteilung: ich drinnen, Oliver draussen. Auch nach 15 Jahren Ehe sind wir noch immer recht glücklich zusammen. Aber auch unsere Liebe wird häufig auf die Probe gestellt – nach meinem Geschmack stärker, als ich manchmal ertragen kann. Warum? Weil unter den unzähligen Aufgaben des Alltags die tiefer liegenden Fragen zugeschüttet werden. Hier gären sie und entwickeln sich zu Eiterbeulen, bis sie, oft aus nichtigem Anlass, hervorbrechen. 

Die Finanzen sind bei uns so eine Eiterbeule. Das Thema ist so konfliktbeladen, dass es, wenn es zur Sprache kommt, rasch in Streit ausartet und für emotionalen Schaden sorgt. Dabei sind wir finanziell nicht schlecht gestellt. Aber mir bereitet es allergrössten Stress, das Thema Geld auch nur anzuschneiden: Sind genügend Reserven da? Sind unsere Finanzflüsse in Ordnung, müssen Rechnungen bezahlt werden? So was delegiere ich lieber. Oliver fühlt sich im Stich gelassen, wenn ich mich dieser Verantwortung entziehe. «Die Qualität der Beziehung steht und fällt mit der Kommunikation», sagt unser Kursleiter zu Beginn des «Brush-up»-Tags. Es ist für mich offensichtlich, an welchen Stellen die Qualität unserer Beziehung nach unten gerissen wird, doch warum ist es so verflixt schwierig, daraus Konsequenzen zu ziehen?

Quelle: Christian Schnur

Weil einem im Alltag die geeigneten Werkzeuge dazu fehlen. Das wird mir klar, als wir unter der Anleitung des Kursleiters ein Paargespräch führen, bei dem Oliver mit der Sicherheit eines Schlafwandlers, der auf das geöffnete Fenster zusteuert, das Thema Finanzen wählt. Das Gespräch verläuft nach festgelegten Regeln: Oliver soll 30 Minuten lang seine Sichtweise schildern und dabei besonderen Wert darauf legen, seine Gefühle deutlich zu machen; dabei soll er von seinen Gedanken, Bedürfnissen und Erwartungen reden, ohne Vorwürfe zu formulieren. Meine Aufgabe besteht darin, aktiv zuzuhören, offene und wohlwollende Fragen zu stellen, bei Unklarheiten nachzufragen und zusammenzufassen. Bis zum Kloss im Hals und zu den unvermeidlichen Tränen dauert es bei mir gerade mal fünf Minuten.

Gefühle in Bezug auf Geld? Ja, die sind vorhanden, und sie hängen stärker, als mir je bewusst war, mit unserer Beziehung und unserer gemeinsamen Geschichte zusammen. Aber es ist das erste Mal, dass ich meine Gefühle diesbezüglich  benannt habe, vielleicht aus Angst vor den existentiellen Fragen, an die das Thema bei mir rührt: Bin ich sicher in der Gemeinschaft mit dir? Sind unsere Kinder getragen und geborgen? Ist es richtig, meine eigenen Bedürfnisse – etwa berufliche Ambitionen – hintenanzustellen? Ist unser «Wir» stark genug? Ein weiteres Gespräch an diesem Tag widmet sich der Problemlösung. In sechs Schritten lernen wir sehr pragmatisch, ein konfliktbeladenes Thema anzugehen und Lösungsschritte zu formulieren. Sogar das Datum für die Bewertung des Erfolgs ist bereits festzulegen – Oliver und ich einigen uns auf den 16. September 2010. Ob wir diesen Termin einhalten, ist noch nicht sicher, aber das macht nichts, denn die wichtigste Lektion habe ich gelernt: Es ist möglich, schwierige Situationen besser zu bewältigen. Die Tools sind da, ich kann jederzeit auf sie zurückgreifen. Diese Gewissheit bestärkt mich in jenem Gefühl, auf das es mir wirklich ankommt: dass ich Oliver auch heute wieder heiraten würde.

Ein Tag, der nichts anderem gewidmet ist als der Pflege der Partnerschaft, erscheint mir als grosser Luxus. Ein «Brush-up für die Liebe» vielleicht sogar als ein überflüssiger, denn die Liebe sollte ja auch ohne einen Auffrischungskurs den Alltagsstress überstehen. Aber dieser Samstag gehört jetzt Irène und mir, und ohne den Auftrag, für den Beobachter darüber zu berichten, hätten wir die Chance kaum genutzt. Eingespannt in Familie und das gemeinsame Unternehmen, verbringen Irène und ich zwar sehr viel Zeit miteinander. Doch lasse ich die letzten Wochen und Monate und – wenn ich ehrlich bin – sogar die letzten Jahre Revue passieren, gibt es immer weniger Möglichkeiten, um richtig miteinander zu reden. Irgendein kluger Kopf hat einmal gesagt, die Ehe sei ein langes Gespräch. Aber dazu fehlt uns im Alltag leider die Zeit, und das ausgerechnet heutzutage, wo vieles nicht mehr selbstverständlich ist, sondern besprochen und ausgehandelt werden muss. Jede Firma macht Meetings, damit die Dinge vorangehen, die Richtung stimmt oder man auf Krisen richtig reagiert. Das ist ganz normal. Ganz anders in der Partnerschaft. In einer Partnerschaft reden zu müssen hat den Anschein, dass es etwas zu flicken gibt und dass die Dinge nicht so laufen, wie sie sollen.

Die romantische Vorstellung vor 15 Jahren bei unserer Hochzeit, dass man sich blind verstehe und die Stürme des Lebens nebeneinander schweigend am Steuerrad meistern könne, war naiv und weltfremd. Obwohl ich das weiss, beschleicht mich bei der Zusage zum Seminar neben der Erwartung, dass es hilfreich sein könnte, das bange Gefühl: Das brauchen wir jetzt? So schlimm ist es schon? Was ich dann in Zürich erlebe, ist kein esoterisches Kuschelprogramm, sondern eher ein sehr pragmatischer Ansatz – ein Werkzeugkasten, der hilft, die Kommunikation zu verbessern. Als Mann sehe ich mich eher auf der analytischen und rationalen Seite, wenn es um die Lösung von Problemen geht, und mit «Gspüüri-Kram» kann ich herzlich wenig anfangen. Eine Methode, die vom Ansatz her auch in das Kommunikationstraining eines Unternehmens passen könnte, ist mir sehr sympathisch: feste Regeln, die Emotionen unter Kontrolle und am Ende eine Lösung. 

«Paarlife» hat für die verschiedenen Gesprächstypen eine Reihe von einfachen Regeln aufgestellt, damit der Dialog ruhig, konstruktiv und, wie Kursleiter Hans-Peter Dür es formuliert, «zivilisiert» bleibt. Man gibt es ja nicht gern zu, aber wenn man schon einmal die Möglichkeit hat, sich die Zeit zu nehmen, um über Dinge zu reden, fehlt es oft an der richtigen Technik, damit das Gespräch konstruktiv verläuft. Besonders wenn man für den Partner heikle Fragen streift und die eigenen wunden Punkte berührt werden, reagieren Irène oder ich eher emotional.

Wir probieren drei verschiedene Gespräche aus: Beim Problemgespräch geht es um Schwierigkeiten, die ein Partner ausserhalb der Partnerschaft hat, beim Wunschgespräch um ein Anliegen und beim Sachgespräch um etwas, was beide gemeinsam betrifft und bei dem es um eine Lösung geht. Eine der wichtigsten Regeln ist, dass ein Partner über die Sache aus seiner Sicht sprechen darf. Beim Sachgespräch sitzt Hans-Peter Dür als Moderator dabei. Lenkt das Feedback in die richtigen Bahnen, sorgt dafür, dass man keine Formulierungen wählt, die dem anderen etwas unterstellen, dass man nicht versteckte Vorwürfe einbaut. Vielleicht muss das Erfolgreiche einfach sein – die eigentlich recht simplen Regeln funktionieren gut. Man kann über das Thema Finanzen ruhig reden und die Emotionen ansprechen, die mit ihm verbunden sind: dass man sich ohne ein ausreichendes Sicherheitspolster unwohl fühlt; verständlich machen, welche Rolle Geld als Mass des Erfolgs spielt; welche Bedeutung Unabhängigkeit hat. Es ist erstaunlich für mich, dass ein scheinbar emotionsloses Thema wie die Finanzen so stark im Gefühlsleben verankert ist und dass beim Gespräch darüber plötzlich sehr Grundsätzliches zur Sprache kommt. «Jeder Konflikt lässt sich im Grunde auf ein wichtiges Lebensthema zurückführen», sagt Dür. 

Das Wissen, dass man über die Dinge reden muss, hatten wir. Uns fehlten bisher aber die Werkzeuge, mit denen wir auch bei heiklen Themen eine Lösung hätten finden können. Der Kurs hat uns vorangebracht; die Investition in eine bessere Kommunikationstechnik war es wert, den Tag von den Verpflichtungen der Familie freizuschaufeln. Denn in ruhiger Atmosphäre Lösungen zu finden, die beide tragen können, ist für die Liebe im Alltagsstress entscheidend. Das wusste bereits der biblische Prophet Amos vor knapp 3000 Jahren: «Können etwa zwei miteinander wandern, sie seien denn einig untereinander?»

Quelle: Christian Schnur

«Paarlife» ist ein Stresspräventionstraining, ein Angebot zur Partnerschaftspflege und zur Gesundheitsförderung. Das Training wurde 1994 von Guy Bodenmann, Professor für Psychologie an der Universität Zürich, entwickelt. «Paarlife» ist konfessionell neutral und steht allen Paaren offen. Angebote, Kosten, Anmeldung unter www.paarlife.ch