Eltern erwarten sehnsüchtig den Tag, an dem es endlich so weit ist: kein Gaggi mehr saubermachen, kein Eincremen, kein Gebrüll beim Windelwechsel. Ohne Widerrede wird die Aufforderung «Geh doch noch aufs WC, bevor wir zum Grosi gehen» befolgt.

Manchmals klappts, manchmal nicht

Allerdings: Wie jedes Kind unterschiedlich lange braucht, um laufen zu lernen, so braucht jedes seine individuelle Zeit, um die Windeln hinter sich zu lassen. Die körperliche Reife und das Verständnis für den Zusammenhang zwischen Blasen-und Darmspannung und dem Entleeren müssen gegeben sein.

Oft landen die grossen Geschäfte zuverlässiger im Topf als die kleinen. Meist klappt es tagsüber, aber nachts «passiert» es gelegentlich doch noch. Ein gesundes Kind wird es früher oder später schaffen. Das kann sich aber bis ins sechste Lebensjahr hinziehen.

Grundregel für Eltern: Keinen Druck auf das Kind ausüben

Leider gibt es sie immer noch, die Verfechter der frühen Sauberkeitserziehung. Sie sind sich oft nicht bewusst, dass der von ihnen ausgeübte Druck einen hohen Preis von einem kleinen Kind abverlangen kann. Bei den noch unstabilen Erfolgen kann die kleinste Belastung zu einem Rückschlag führen.

So treten plötzlich Probleme in einem anderen Bereich auf: Einschlaf- oder Durchschlafstörungen, weil das Kind Angst hat, es könne ihm nachts ein «Missgeschick» passieren, oder es verweigert Besuche ausser Haus.

Wenn Sie rund ums grosse und kleine Geschäft so wenig wie möglich Aufhebens machen oder einfach zuwarten, geben Sie sich und dem Kind die Chance, den Schritt in wenigen Wochen hinter sich zu bringen.

Aber was, wenn die bereits angestaubten Windeln tatsächlich wieder aus der Schublade herausgekramt werden müssen?

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«Rückfälle» gehören dazu und haben verschiedene Ursachen

So pinkelte etwa der fünfjährige Tim wieder mehrmals am Tag in die Hose. Ein Grund für seinen «Rückfall» könnte sein, dass er gerade einen kleinen Bruder bekommen hatte. Auch traumatische Erlebnisse wie Trennung der Eltern, Tod einer nahen Bezugsperson oder auch Konflikte mit Freunden können bereits Gelerntes wieder verwischen.

Wenn eine körperliche Erkrankung wie etwa eine Blasenentzündung ausgeschlossen ist, ist es angezeigt, das Problem zu benennen und mit dem Kind zu überlegen, was ihm helfen könnte.

Kinder motivieren, ohne Windeln auszukommen

Es gibt auch spielerische Möglichkeiten: Wenn Sie zum Beispiel an «nassfreien» Tagen ein Sternchen in den Kalender kleben, kann das Ansporn sein, solche zu sammeln. Winkt dann bei einer zuvor festgelegten Anzahl Kleberli etwa ein Besuch im geliebten Schwimmbad, rückt das Ziel in Griffnähe.

Eine weitere Taktik: Fragen Sie das Kind jeden Abend, ob die Hose morgen trocken bleiben wird. Am nächsten Abend überprüfen und besprechen Sie das Ergebnis.

Kinder haben eigentlich keine Probleme, sondern nur Fähigkeiten, die sie erlernen und verbessern können. Vertrauen Eltern darauf, dass die Jüngsten es schaffen, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.

Bei Tim halfen allerdings weder Protokolle noch Belohnungen. Kurzfristig mussten wieder Windeln her. Aber als es dann darum ging, die Kindergärtnerin zu informieren, stopfte Tim die Windeln wieder in die Schublade und verkündete, er sei doch schon gross. Von da an klappte es wieder.

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Am 04. Dezember 2017 diskutierte Urs Gysling, Leiter des Beobachter-Buchverlags, mit Kinder- und Jugendpsychiater Dr. med. Kurt Albermann über psychische Entwicklungsstörungen bei Kinder und Jugendlichen.

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Motivierte Kinder
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