Beobachter: Welche vorgeburtlichen Tests haben Sie gemacht?
Arianne Zahnd: Bis jetzt nur die obligaten Ultraschalluntersuchungen. Ich hatte keine Ahnung, was in einer Schwangerschaft auf einen zukommt, und hatte mir vorher auch nicht gross Gedanken gemacht. Allerdings war dann alles ein bisschen merkwürdig, weil das Kind angeblich immer ungünstig lag. Ich weiss also nichts zur Wirbelsäule, ich weiss eigentlich gar nichts. Diese Ungewissheit ist unangenehm. Die Untersuchungen empfinde ich als reine Geräteamortisation, denn Konsequenzen haben sie keine. Ich bin jetzt in der 27. Woche schwanger, in diesem Stadium kann man nichts mehr unternehmen.

Beobachter: Wie war das bei Ihnen, Frau Steiner*?
Miriam Steiner
*: Ich hatte vor einem Jahr eine Fehlgeburt. Der erste Ultraschall damals war gut, und beim zweiten, in der elften Woche, stellte die Ärztin fest, dass der Embryo schon seit drei Wochen tot war. Ich brauchte viel Zeit, um das Ganze zu verarbeiten. Jetzt, in der zweiten Schwangerschaft, habe ich die Ärztin gewechselt. Die neue ist sehr genau beim Ultraschall, aber vor allem beruhigt sie mich und geht gut auf mich ein, weil sie meine Vorgeschichte kennt. Die Nackenfalte hat sie gemessen, aber auch wenn das Ergebnis auf das Downsyndrom hingedeutet hätte, hätte ich nicht abgetrieben. Mein Partner und ich waren uns einig, dass wir auch ein behindertes Kind akzeptieren würden.

Manuela Fellmann: Das war für mich auch klar. Ich gehöre mit meinen 46 Jahren eindeutig zu den Risikoschwangeren, und meine Frauenärztin hat mich über all die möglichen Untersuchungen aufgeklärt. Mein Partner und ich wollten aber keine Testerei. Da wir beide im Behindertenbereich arbeiten, wussten wir, was auf uns zukommen könnte.

Irène Dietschi: Meine erste Schwangerschaft war speziell, weil ich mir ein Virus eingefangen hatte, das dem Ungeborenen in der Frühschwangerschaft grosse Schäden zufügen kann. Eine Fruchtwasserpunktion drängte sich deshalb quasi auf; ich wollte wissen, ob das Virus auf das Kind übergegangen war oder nicht. Der Test fiel dann zum Glück gut aus. Ich muss aber gestehen, dass ich abgetrieben hätte, wenn das Kind schwere Behinderungen gehabt hätte. Bei der zweiten Schwangerschaft wollte ich wieder eine Gewebeentnahme machen, was dann aber nicht ging, weil das Kind falsch lag. In der dritten Schwangerschaft war ich 39 Jahre alt und habe deshalb den Ersttrimestertest gemacht, der zum Glück einen guten Quotienten aufwies, so dass weitere Tests nicht nötig waren. Ich bin sehr dankbar, drei gesunde Kinder zu haben.

Beobachter
: Frau Zahnd und Frau Steiner, Sie stecken noch mitten in der Schwangerschaft. Was haben die bisherigen Untersuchungen bei Ihnen ausgelöst?
Zahnd: Beim ersten Ultraschall war ich extrem nervös. Danach habe ich mir gesagt, ich kann nichts anderes tun, als es laufen zu lassen.

Beobachter: Hätten Sie die Tests besser bleibenlassen?
Steiner: Nein. Man weiss ja, dass es die Möglichkeit gibt, nachzuschauen, ob etwas nicht stimmt. Dieses Wissen hat so einen extremen Einfluss auf einen, dass man gar nicht anders kann, als die Tests zu machen.

Beobachter: Wie haben Sie in der ersten Schwangerschaft diese entscheidenden Wochen erlebt, Frau Dietschi?
Dietschi: Ich schwebte auf einer rosaroten Wolke und wurde durch das Virus dann brutal auf den Boden geholt. Weniger durch die Tests als durch die Bedrohung für das Kind. Das hat die ganze Schwangerschaft belastet.

Fellmann: Ich hatte vor meiner dritten Schwangerschaft eine Fehlgeburt. Dennoch hat es jetzt mit 46 nochmals geklappt. Aber es war schon auch belastend; ich bin nicht unbeschwert in die Schwangerschaft gegangen. Die Ultraschalluntersuchungen haben mich aber beruhigt. Man sah, das Kind ist da, es lebt. Aber die Angst, es könnte doch noch was passieren, sitzt einem bis zuletzt im Nacken. Vollkommene Sicherheit gibt es einfach nicht - auch wenn einem das die Tests suggerieren.

Dietschi: Bei den ganzen vorgeburtlichen Tests wird ja immer nur nach möglichen Krankheiten oder Defekten beim ungeborenen Kind gesucht. Darauf ist man als normale Frau gar nicht vorbereitet und kann eigentlich gar nicht entscheiden, was man tun soll, welche Tests sinnvoll sind und welche nicht. Die ganzen technischen Entwicklungen überfordern einen doch total - besonders in der ersten Schwangerschaft.

Beobachter: Wie wurden Sie von Ihren Ärztinnen informiert?
Fellmann: Sie hat ihre Arbeit gemacht und mich informiert. Mehr nicht. Als ich ihr im fünften Monat mitteilte, dass ich eine Hausgeburt möchte, wenn die Schwangerschaft komplikationslos verläuft, war sie nicht gerade begeistert. Aber schliesslich entscheide ja ich für mich.

Zahnd: Ich wurde standardmässig aufgeklärt.
Dietschi: Die Ärzte haben natürlich wahnsinnig Angst, dass sie belangt werden könnten, wenn etwas mit dem Kind nicht stimmt und sie dies übersehen. In Amerika ist diese Praxis in der Justiz gang und gäbe. Deshalb klären die Ärzte die Schwangeren über alles Mögliche auf und empfehlen x Tests, damit nachher niemand sagen kann, man sei nicht gewarnt worden.

Beobachter: Wurden Sie als Risikoschwangere von der Ärztin zu mehr Tests gedrängt?
Fellmann: Sie hat mich mehrmals dezidiert darauf hingewiesen, was ich alles machen könnte und sollte, aber ich bin standfest geblieben.

Steiner: Ich bin eigentlich eine Gegnerin von all diesen Tests. Denn ich plädiere für mehr Körperlichkeit, und die verliert man durch all die Geräte und Untersuchungen.

Beobachter: Wenn aber noch genauere Tests wie etwa die Präimplantationsdiagnostik (PID) auch in der Schweiz möglich wären, würden Sie diese nutzen?
Steiner: Nein, im Rahmen einer normalen Schwangerschaft finde ich das lächerlich. Diese Ergebenheit in den Fortschritt der Technik, nein.

Dietschi: Unter gewissen restriktiven Bedingungen soll man die PID zulassen. Gründe wären zum Beispiel schwere Erbkrankheiten wie Chorea Huntington. Diese Krankheit vererbt man mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit an seine Kinder weiter. Chorea Huntington bricht erst mit etwa 40, 50 Jahren aus und ist eine schlimme Demenzerkrankung. Dass man die seinem Nachwuchs ersparen will, verstehe ich und finde ich vollkommen nachvollziehbar.

Beobachter: Im Einzelfall ist die PID vielleicht nachvollziehbar. Kritiker warnen aber, die Einführung sei der Dammbruch für weitere Versuche.
Steiner: Stimmt. Das ist der Fortschritt der Technik. Davor kann man sich wohl kaum schützen.

Fellmann: Unter strengen Auflagen soll man die PID zulassen, das sehe ich so wie Frau Dietschi. Zugleich sollte aber eine natürliche Schwangerschaft und Geburt gefördert werden.

Steiner: Wir sind heute alle viel zu sehr Kopfmenschen. Wir müssen wieder lernen, auf unseren Körper zu hören.

Dietschi: Stimmt. Wir haben keinen Bezug mehr zu natürlichen Abläufen. Und dann wirst du schwanger und solltest ihn plötzlich wieder haben. Allerdings geben einem die Tests doch auch eine gewisse Sicherheit, wenn sie gut ausfallen.

Beobachter: Das ist aber ein Widerspruch. Einerseits Natürlichkeit, anderseits Sicherheit durch Tests.
Dietschi: Das ist ein Riesendilemma. Aber damit muss man irgendwie lernen umzugehen.

Die Gesprächsteilnehmerinnen

Arianne Zahnd, 31, 27. Woche schwanger, Drogistin und Ernährungs-Beraterin HF
Miriam Steiner (*Name geändert), 30, 27. Woche schwanger, Sängerin
Manuela Fellmann, 46, 3 Kinder (4 Wochen, 22, 18 Jahre), Sozialpädagogin
Irène Dietschi, 43, 3 Kinder (10, 7, 4 Jahre), Journalistin und Buchautorin