Sie heisst «E», einfach «E». Sie kam in New York und zu früh zur Welt. Diesem Umstand verdankt sie ihren Namen. Ihre Eltern wussten, dass sie ihrem Mädchen einen Vornamen mit dem Anfangsbuchstaben «E» geben wollten. Als die Kleine plötzlich und zwei Monate zu früh da war, hatten sie aber noch keine Wahl getroffen. «E»s Vater erklärte den Kürzestnamen gegenüber dem BBC News Magazine kürzlich so: «Plötzlich hatten wir die Idee: Geben wir ihr den ersten Buchstaben, dann kann sie entscheiden, wofür er steht, wenn sie alt genug ist.»

«E» wäre als Name in der Schweiz kaum möglich, sagt Roland Peterhans, Leiter des Zivilstandsamtes der Stadt Zürich. «Wir würden die Eltern anrufen und sie darauf hinweisen, welche Probleme solch ein Name mit sich bringt.» Der schlichte Einzelbuchstabe auf der Identitätskarte würde Behörden im In- und Ausland irritieren und im Kindergarten und der Schule vermutlich Hänseleien auslösen.

Ein kategorisches Nein ist allerdings selten. Denn gesetzlich ist fast alles zulässig. Schlechte Chancen haben Namen nur, wenn «die Interessen des Kindes offensichtlich verletzt werden». So steht es in Artikel 37c, Absatz 3 der Zivilstandsverordnung. Laut Roland Peterhans gehören Städtenamen wie Berlin oder Madrid dazu, Paris allerdings sei eine Ausnahme. Denn Paris bezeichnet, neben der Hauptstadt Frankreichs, eine (männliche) Figur der griechischen Mythologie. Namensuntauglich sind auch Bezeichnungen von Gegenständen. Im englischen Sprachraum tut man sich damit leichter: Ob Früchte oder Tiere, egal. Die Tochter von Hollywood-Star Gwyneth Paltrow heisst Apple, Schauspielerin Kate Winslet gab ihrem Sohn Ende letzten Jahres den Namen Bear Blaze (Bär Feuer).

Ein Name, verschiedene Schreibweisen: Yanik, Yanick oder Jannik?

Die Namen der meisten Schweizer Kinder mögen etwas weniger spektakulär sein, an Einzigartigkeit fehlt es auch ihnen nicht. Teilte sich vor 100 Jahren das Gros der Neugeborenen eine Handvoll Namen, trägt heute eine Mehrheit der Kinder Namen, die nur wenige Male vorkommen. Zu dieser Entwicklung beigetragen haben die unterschiedlichen Schreibweisen, etwa von Yanik (oder eben Yanick oder Jannik etc). Aber nicht nur.

Gabriele Rodriguez beschäftigt sich seit 20 Jahren mit Namen. Sie arbeitet an der Universität Leipzig, die zu Vornamen forscht und eine Beratungsstelle für Namen führt. Dort klärt Rodriguez für Eltern die Bedeutung von Namen ab und hilft bei der Suche nach etwas Passendem. Sie sagt: «Eltern machen sich heute mehr Gedanken als früher und haben durch Internet und Globalisierung eine viel grössere Auswahl.» Rund eine halbe Million Vornamen stecken im System, auf das Rodriguez zugreifen kann. Jede Woche kommen neue hinzu. «Schakline» etwa, die eingedeutschte Version des französischen Mädchennamens Jacqueline. Oder Atlas (Titan aus der griechischen Mythologie) oder Jördis (nordische Göttin).

Die einen lassen sich inspirieren durch Games und nennen den Nachwuchs Zelda, nach der Prinzessin aus dem Action-Game «The Legend of Zelda», oder nach dem Jungen aus dem Dschungelbuch, Mowgli. Die anderen denken an Götter und wählen Poseidon und die dritten entscheiden sich für ihren Lieblingsdichter und der Jüngste wird ein Dante oder Joyce. Vielen Eltern sei es wichtig, ihrem Kind einen aussergewöhnlichen Namen zu geben, sagt Rodriguez. Aber nicht allen. Seit längerem sind die altdeutsch-germanischen Namen zurück: Ferdinand, Otto, Ida. Im Trend liegen ausserdem kurze Namen – in der Schweiz mehr als in den Nachbarländern.

Passt der Vorname zum Familiennamen?

Vier bis fünf Buchstaben, so lang waren die im letzten Jahr am meisten vergebenen Vornamen in der Deutschschweiz. Noah und Mia bleiben auf Platz 1. Wer wissen möchte, wie viele Menschen in der Schweiz aktuell gerade Sara, Ben, Oskar oder Sandra heissen, kann dies im Namen-Tool des Bundesamts für Statistik nachsehen. Die Tabellen und Grafiken zeigen beispielsweise, dass fast 87'000 Frauen mit dem Namen Maria hier leben und die Zahl der Peters bei 62'700 liegt. Maria und Peter sind damit die langfristigen Spitzenreiter.

Gabriele Rodriguez empfiehlt Eltern, bei der Namenssuche immer zu prüfen, ob sie sich vorstellen können, so zu heissen – und ob der Vorname zum Familiennamen passt. Sie rät zu international kompatiblen Vornamen, falls die Kinder das Heimatland dereinst verlassen sollten. «Ä, Ö, Ü im Namen machen es einem im Ausland schwer, und auch das „J“ wird in einigen Sprachen anders ausgesprochen als im Deutschen», sagt die Namen-Expertin. Das Buchstabieren von Vornamen werde aufgrund der vielen unterschiedlichen Schreibweisen allerdings sowieso Usus, ist Rodriguez überzeugt.

Mehr Geld für kurze Namen

Ob und wie sehr der Vorname die Persönlichkeit oder den Lebenslauf beeinflusst, darüber herrscht Uneinigkeit. Sicher ist: Es gibt immer wieder Studien und Befragungen, die einen Zusammenhang sehen.

So soll sich der Vorname auf das Einkommen auswirken. Die US-Jobvermittlungsplattform The Ladders will eruiert haben, dass kurze Namen mehr Geld bedeuten. Joe wäre also eine Möglichkeit. Oder besser Jo, denn jeder Buchstabe weniger erhöht das Jahresgehalt um durchschnittlich rund 3200 Franken.

Psychologen der Humboldt-Universität in Berlin nahmen sich dem Einfluss von Vornamen im Online-Dating  an. Sie fanden heraus, dass die Profile von deutschen, österreichischen und Schweizer Männern mit den positiv konnotierten Vornamen Alexander oder Lukas um ein Vielfaches häufiger von Interessentinnen angeschaut wurden als diejenigen von Kevins. Chantals hatten ebenfalls wenig Erfolg in der Plattform-Liebe, während sich die Namen Charlotte oder Hannah als attraktiv für Suchende erwiesen.

Auch die Lehrer scheinen nicht gefeit vor Vorurteilen. Im Rahmen einer Masterarbeit an der Universität Oldenburg befragte eine Studentin Lehrpersonen zu Vornamen: Justin, Kevin oder Marvin, Angelina oder Chantal schnitten schlecht ab, während die Lehrpersonen Charlotte, Marie oder Emma, Alexander, Simon oder Jakob mit eher freundlich und leistungsstark verbanden.

Wenn die Region eine Rolle spielt

Gabriele Rodriguez gibt allerdings zu bedenken, dass bei der Beurteilung von Vornamen immer mehrere Faktoren eine Rolle spielen, etwa die Zeit und die Region. Sie erinnert sich an einen jungen Mann, der aus dem Norden Deutschlands kam und dort mit seinem Namen – Malte – völlig zufrieden war. Als er aber in den Süden des Landes zog, schrieben ihn die Leute in Mails ständig als Frau an. «Ein Name kann in einer Region total üblich und beliebt sein, in einer anderen aber unbekannt und entsprechend irritierend», erklärt Rodriguez. Die Schweiz mit ihren Sprachregionen ist dafür ebenfalls prädestiniert: So sind die im Bündnerland sehr beliebten Namen Fadri oder Niculin im Unterland wenig bekannt. 

Laut Rodriguez ist auch die Zuordnung eines Vornamens zu einer Schicht sehr von der Region abhängig. So habe man den Namen Kevin einst der Unterschicht zuordnen können, «aber über die Jahre kann sich das verändern». 

So verliert auch Bär, der Vorname von Kate Winslets Jüngstem, etwas an hollywoodeskem Glanz, wenn man bedenkt, dass das deutsche Urs vom gleichen Tier abgeleitet ist. Ausserdem war laut Rodriguez «Bär» bis ins 12. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum als germanischer Rufname verbreitet. 

«E» fehlt es (noch) an breiter Streuung. Sie ist inzwischen 16 Jahre alt – und hat ihren Namen nie verlängert. Dem BBC News Magazine sagte sie: «Man gewöhnt sich daran, er wird Teil von einem.»

Vornamen-Tool

Das Tool ermöglicht Abfragen zur Häufigkeit von Vornamen in der Wohnbevölkerung der Schweiz, z.B. wie häufig ein Vorname in einem bestimmten Jahrgang oder in einer bestimmten Sprachregion vorkommt. Berücksichtigt werden die Vornamen der heute lebenden Wohnbevölkerung. Deshalb ist die Anzahl Vornamen der frühen Jahrgänge kleiner.

zum Vornamen-Tool

Quelle: Bundesamt für Statistik

Sie sind noch auf der Suche nach einem Namen?

Namen und Namensbedeutung: www.onomastik.com

firstname.de: www.firstname.de

beliebte-vornamen.de: www.beliebte-vornamen.de

vornamen.ch: www.vornamen.ch

baby-vornamen.de: www.baby-vornamen.de

babynamen-online.ch: www.babynamen-online.ch

Namensberatungsstelle: www.namenberatung.eu

Vornamen in der Schweiz: www.bfs.admin.ch

Umfrage-Ergebnisse: Wie stehen Sie zu Ihrem Namen?

Vom 5. bis 14. September 2014 hatten wir Sie an dieser Stelle zu den beliebtesten Namen befragt. So haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer geantwortet:

Was ist Ihr Geschlecht?
weiblich: 44 Prozent
männlich: 56 Prozent

Wie zufrieden Sind Sie mit Ihrem/n Vornamen?
73 Prozent der Befragten gaben an, zufrieden mit ihrem Namen zu sein. Nur gerade mal 9% sind wirklich unglücklich über ihren Namen.

Wenn Sie sich selber einen oder mehrere Vornamen aussuchen könnten, welche/r wäre/n das?
Besonders kreativ und erfinderisch waren bei dieser Frage die Teilnehmerinnen: Ela, Mia, Lynn, Jeanne, Anja, Raquel gehören zu den beliebtesten Namen. Besonders die ersten drei Namen sind bei Eltern in den letzten Jahren «modern» geworden und erfreuen sich grosser Beliebtheit.

Welche/n Vornamen haben Sie für Ihre Kinder ausgesucht oder würden Sie sich aussuchen?
Hier sind die Kriterien ähnlich: Immer beliebter sind aber auch Doppelnamen wie z. B. Michelle-Sarah oder Melanie-Katrin.

Warum finden Sie diese/n bestimmte/n Namen schön?
Natürlich wollen Eltern, dass die Namen ihrer Kinder von der Masse herausstechen, was neben dem Klang, der Kürze und der Bedeutung der häufigste Grund für die Namenswahl war. Aber auch auf traditionelle Namen wird gerne zurückgegriffen. Ein Teilnehmer gab sogar an, einen Namen besonders schön zu finden, weil dieser sich einmal in die Namensträgerin verliebte.

Welche/n Männer-, bzw. Frauen-Namen finden Sie sexy?
Unter den sexy Vornamen tauchen bei den Männern Jack, Mathias, Nolan, David und Liam auf, bei den Frauen Nathalie, Dora, Anna, Sophia und Jennifer.

Warum mögen Sie bestimmte Vornamen überhaupt nicht?
Namen, die den Teilnehmern nicht gefallen, sind meistens durch deren Namensträger vorbelastet, also mit denen negative Erlebnisse verbunden wurden oder einfach weil die Namen nicht mehr neuzeitlich sind.

Feiern Sie Ihren Namenstag?
Gerade mal zwei Personen gaben an, ihren Namenstag zu feiern. 23 Prozent gaben sogar an, nicht einmal zu wissen, an welchem Kalendertag ihr Name gefeiert wird.