Am Anfang stand ein Arbeitsunfall auf der Baustelle. Ismet Dautaj stürzte mit seiner Schubkarre und verletzte sich am linken Knie. Zum Arzt ging er erst nach einer Woche, als die Schmerzen das Arbeiten unmöglich machten. Das war im Mai 1993. Seither ist Ismet Dautaj arbeitsunfähig. «Schon nach einer Stunde Arbeit habe ich am ganzen Körper Schmerzen», klagt der Betroffene. Trotz ärztlichen Gutachten wartet Ismet Dautaj, Albaner aus dem Kosovo, noch immer auf seine IV-Rente – und auf die Ausweisung aus der Schweiz.

«Die Zeit nach dem Unfall ist die schlimmste meines Lebens gewesen», sagt der 35-jährige Vater von vier Kindern. Sein Knie lasse nicht einmal mehr einen langen Spaziergang mit seiner Familie zu.

Doch das ausserrhodische Verwaltungsgericht – und zuvor die kantonale IV-Stelle – lehnte eine Rente ab. Sie stützten sich dabei unter anderem auf ein psychiatrisches Gutachten der medizinischen Abklärungsstelle der IV.

Doch dieses Gutachten stammt ausgerechnet von einem Psychiater serbischer Abstammung. Das ist problematisch, denn seit Jahren schwelt zwischen Serben und Kosovo-Albanern ein ethnischer Konflikt. Gegenüber dem Beobachter mochte sich der Gutachter nur noch vage an die Untersuchung erinnern, die er im Sommer 1995 an Dautaj vorgenommen hatte. Aber eines weiss er ganz sicher: Sie sei «ohne Animositäten» verlaufen. Ganz anders hat der Albaner die Begegnung in Erinnerung: Dabei sei es «oft um Politik gegangen».

Gericht lässt sich drei Jahre Zeit
«Dieses Gutachten war sehr bedeutend für den Gerichtsentscheid», sagt Dieter Kehl, Dautajs Anwalt. Das Papier habe somit bis heute schwerwiegende Folgen für seinen Mandanten, obwohl es von anderen Psychiatern stark kritisiert worden war. So schrieb etwa ein Experte: «Dem psychiatrischen Konsilium fehlt eine klar erkennbare psychopathologische Befunderhebung.» Mit anderen Worten: Die Folgerungen des serbischen Psychiaters sind für ihn fachlich nicht nachvollziehbar.

Dautajs Antrag auf IV-Rente gelangte im Rekursverfahren an das Eidgenössische Versicherungsgericht in Luzern. Die dortigen Richter liessen sich drei Jahre Zeit, um ein Urteil zu fällen. Schliesslich forderten sie ihre Appenzeller Kollegen auf, den Beschluss nochmals zu prüfen. Dabei verwiesen sie auch auf die heikle Frage des psychiatrischen Gutachtens. Doch das kantonale Gericht liess sich nicht beirren: Statt einen unabhängigen Obergutachter zu beauftragen, forderte es denselben serbischen Psychiater auf, sein eigenes Gutachten nochmals zu überprüfen.

Dautajs Fall ist somit wieder dort, wo er sich unheilvoll zu verstricken begann. Falls der Psychiater an seinen damaligen Beurteilungen festhält, stehen die Chancen für Dautaj äusserst schlecht.

Inzwischen haben der Krieg im Kosovo und die Asylpolitik des Bundes die Lebensumstände von Ismet Dautaj weiter erschwert. Seine Frau und seine Kinder dürfen nur noch bis Ende Juli in der Schweiz bleiben. Er selbst hätte schon am 15. Dezember 1999 ausreisen sollen und kann nur dank dem Rekurs seines Anwalts und dank der Intervention des Beobachters vorerst in der Schweiz bleiben.