Wer vor zehn Jahren mit seinem Ersparten zur Bank ging, wurde vom Filialleiter hofiert. Einladungen zum Mittagessen waren keine Seltenheit, eine ausführliche Anlageberatung der Normalfall. Heute, argwöhnen viele Kundinnen und Kunden, werden Kleinanleger höchstens noch mit einem Prospekt und einem mitleidigen Lächeln abgefertigt.

Die Fusionen in der Bankenbranche, das grassierende Shareholder-Value-Denken und die Globalisierung hätten unangenehme Folgen für die gewöhnlichen Kunden, sagen Fachleute. Gehegt und gepflegt werde nur noch das so genannte «Private Banking», das Anlagegeschäft für Reiche.

Der Beobachter machte die Probe aufs Exempel: Werden Kleinanlegerinnen und Kleinanleger bei den Geldinstituten wirklich nur noch als ein arbeitsintensives und wenig Gewinn versprechendes Ubel betrachtet? Oder werden auch jene noch anständig und kompetent beraten, die mit einer relativ bescheidenen Summe am Bankschalter vorsprechen?

Das Positive vorweg: Die Mehrheit der getesteten Banken hat den Test bestanden und akzeptable bis gute Anlageempfehlungen abgegeben. Kaum einer der Berater liess durchblicken, dass 50'000 Franken für die Bank zu wenig interessant seien.

Erstaunlich: Mit der kleinen Bank Sparhafen – sie gehört zur Regionalbankengruppe RBA – hat eine Aussenseiterin das Rennen gewonnen. Die Grossbanken finden sich nur im Mittelfeld, das Schlusslicht bildet die Post.

So wurden die Banken getestet: Zwei Beobachter-Journalistinnen, beide um die 30 Jahre alt, sprachen unangemeldet bei zehn Banken vor und erzählten jeweils dieselbe Geschichte: Sie hätten 50'000 Franken geerbt, die sie nicht auf dem Sparkonto stehen lassen wollten. Vom Anlagegeschäft hätten sie aber praktisch keine Ahnung.

Was sich am Schalter oder im Besprechungszimmer abspielte, wurde protokolliert und benotet: Wie wurden die Testerinnen empfangen? Wie kompetent und persönlich war die Beratung? Was wurde als Anlage empfohlen? Und wie informativ sind die abgegebenen Unterlagen? In jedem der bewerteten Bereiche wurden zum Teil markante Fehlleistungen festgestellt.

  • Empfang:
    Schlecht abgeschnitten hat vor allem die Migros-Bank, wo die Testerinnen ohne jede Diskretion in der Schalterhalle von einem abweisend wirkenden Angestellten in zehn Minuten abgefertigt wurden. Der Mann wollte nicht einmal den Namen der Kundinnen wissen und nahm während des Beratungsgesprächs sogar Telefonate entgegen – ein absoluter Fauxpas.

  • Beratung:
    Als «unpersönliche Massenabfertigung» empfanden die Testerinnen das zwanzigminütige Gespräch bei der Coop-Bank. Erklärt wurde nur das Allernötigste; die Beraterin erkundigte sich nicht einmal nach dem Anlagehorizont.

  • Empfehlung:
    Hier hat die Credit Suisse gepatzert. Sie hat zwar zwei verschiedene Fonds vorgeschlagen, um das Risiko aufzuteilen. Bloss passen die beiden Fonds nicht zusammen, weil zwei verschiedene Strategien vermischt werden und die Anlage insgesamt zu konservativ ist.
    Punkto Rendite war der Post-Vorschlag unbrauchbar: Eine Hälfte der 50'000 Franken solle im Postsoleil-Fonds 5 angelegt werden, die andere Hälfte als Festgeld-obligation zu 41/8 Prozent. Damit wäre die Hälfte der Anlage zu einem ausgesprochen schlechten Zinssatz zehn Jahre lang blockiert. Beim Kauf von soliden Aktien darf mit ungefähr der doppelten Rendite gerechnet werden. Will die Post wirklich wie angekündigt zur Postbank werden, muss sie punkto Mitarbeiterschulung noch einige Anstrengungen unternehmen.

  • Unterlagen:
    Die Prospekte der Coop-Bank sind zwar schön bunt – doch was haben Orangen mit Anlagetipps zu tun? Abzüge gab es auch, weil detaillierte Angaben zu den Gebühren fehlen.


Merkwürdiges erlebten die Testerinnen bei der Alternativen Bank (ABS): Die Türen der ABS-Filiale Zürich waren verschlossen. Eine telefonische Nachfrage ergab: Die Zweigstelle ist derzeit «wegen Mutterschaftsurlaub» nicht besetzt. Die Beratung erfolgte deshalb telefonisch.

Die ABS-Empfehlungen sind nicht mit jenen der anderen Banken vergleichbar. Die Bank hat nach eigenen Angaben keinen Aktienfonds gefunden, der ihren ökologischen und sozialen Anforderungen genügt, das geerbte Geld solle stattdessen in Förder-Kassenobligationen angelegt werden. Gut gemeint, aber nicht zeitgemäss, urteilen die Beobachter-Geldexperten.

Ebenfalls nicht in die Wertung aufgenommen wurde die Bank Vontobel. Grund: Die noble Privatbank kümmert sich erst ab 250'000 Franken um Privatkunden. Trotzdem wurden die 50'000-Franken-Erbinnen nicht gleich abgewimmelt. Die beiden jugendlichen Testerinnen weckten beim Vontobel-Kadermann offenbar väterliche Gefühle: Er erläuterte die Absage charmant in einem zwanzigminütigen Gespräch und empfahl den Kauf von Aktienfonds bei anderen Banken.

Insgesamt positiv aufgefallen ist die Tatsache, dass die meisten Berater angemessen auf den Konflikt zwischen der Renditeerwartung und der Risikobereitschaft hinwiesen. Der smarte Profi der Credit Suisse brachte es auf den Punkt: «Wer gut schlafen will, kauft Obligationen. Wer gut essen will, kauft Aktien.» Einige Berater gingen auch auf die Situation der beiden Testerinnen ein und gaben Tipps für Kleinanlegerinnen. «Wenn Sie einmal an die Generalversammlung einer Ihnen sympathischen Firma wollen, müssen Sie nur eine einzige Aktie kaufen», riet etwa der Prokurist der Bank Sparhafen.

Banken fördern eigene Produkte
Ein Wermutstropfen bleibt: Ausser der Testsiegerin Sparhafen haben alle Banken nur Aktienfonds des eigenen Hauses empfohlen. Konkurrenzprodukte blieben unerwähnt – selbst dann, wenn sie vielleicht im konkreten Fall rentabler wären. Offensichtlich haben die Berater strikte Anweisungen, nur eigene Produkte zu verkaufen: ein Mangel, dem sich kritische Kunden mit gezieltem Nachfragen oder dem Besuch bei einem unabhängigen Finanzberater entziehen können.

Der Beobachter untersuchte auch die Renditeentwicklung der empfohlenen Anlagen. Benotet wurde dieses Kriterium allerdings nicht. Denn aus der bisherigen Rendite lässt sich nicht ablesen, wie viel sich künftig verdienen lässt. Zudem existieren einige der empfohlenen Fonds erst seit einigen Monaten und sind deshalb mit den bereits eingeführten Produkten nur schwer vergleichbar.

Sparhafen: Überzeugende Rendite
Dennoch lässt sich Interessantes herauslesen. So hätte die Testsiegerin Bank Sparhafen mit Sicherheit auch beim Renditevergleich gut abgeschnitten. Der von ihr empfohlene Swiss Stock Fund B rentierte in den letzten fünf Jahren mit 180 Prozent, und der Global Megatrend Stock Fund B hat dieses Jahr bereits um 15,4 Prozent zugelegt. Das ist ein Spitzenwert: Mehr als die Hälfte der von den anderen Banken offerierten Fonds weisen seit Anfang Jahr eine negative Renditeentwicklung auf.

Selbst wenn die Kurse nicht mehr im selben Tempo steigen, liegt die voraussichtliche Rendite noch immer deutlich über den mageren Zinsen auf dem Sparkonto. So könnten sich die beiden «Beobachterinnen» dank ihrer 50'000-Franken-Erbschaft zwar nicht gerade Luxusferien leisten, aber für ein warmes Getränk zwischendurch reichts locker. Ein Kaffee wurde den beiden nämlich bei keiner Bank offeriert.