In den Genuss einer Erbschaft kommen die meisten heute im Alter zwischen 50 und 64. Dabei könnten sie das Geld in jüngeren Jahren besser gebrauchen. Zum Beispiel um ein eigenes Geschäft aufzubauen oder um Wohneigentum zu finanzieren.
Erbvorbezüge, Schenkungen oder Darlehen sind daher für die Begünstigten eine schöne Sache, aber leider auch oft Grund für spätere Irritationen und Erbstreitigkeiten. Zu Konflikten kommt es vor allem dann, wenn bei sogenannten lebzeitigen Zuwendungen keine klaren oder überhaupt gar keine Abmachungen getroffen wurden. Die folgenden Beispiele zeigen, wie Sie es besser machen können.
Beispiel Erbvorbezug
Erhält ein Nachkomme einen Erbvorbezug , muss er sich den Betrag nach dem Tod des Erblassers an sein Erbe anrechnen lassen – und unter Umständen gar einen Teil davon an seine Miterben zurückzahlen. Geldbeträge werden dabei zum Nominalwert angerechnet, das heisst: Weder Verzinsung noch Kaufkraftschwund werden berücksichtigt. Anders verhält es sich bei Grundstücken.
Hier ist für die Ausgleichung der Verkehrswert zum Zeitpunkt der Teilung massgebend. Nehmen wir das fiktive Beispiel der Familie Hugentobler: Der Sohn erhielt im Jahr 1970 von seinem Vater für den Bau eines Hauses 600 Quadratmeter Land als Erbvorbezug, als der Quadratmeterpreis noch 120 Franken betrug. Der Tochter gab Vater Hugentobler 72'000 Franken bar als Erbvorbezug – schliesslich wollte er beide Kinder gleich behandeln. Als der Vater stirbt, ist der Quadratmeterpreis auf 600 Franken gestiegen. Was bedeutet, dass der Sohn diesen Betrag – 360'000 Franken – ausgleichen muss; die Tochter hingegen nur die 72'000 Franken, obwohl der Betrag dank einer geschickten Geldanlage mittlerweile gestiegen ist.
Besser: Rechtzeitig Anordnungen zur Ausgleichung treffen
Der Fall zeigt: Als die Erbvorbezüge gewährt wurden, hätte eine sorgfältige Ausgleichungsanordnung getroffen werden müssen. Denkbar wäre etwa gewesen, dass die Tochter in einem Erbvertrag gegenüber dem Vater und ihrem Bruder auf eine Ausgleichung einer allfälligen Wertsteigerung des Landes verzichtet hätte.
Oder der Vater hätte bei der Ausrichtung des Erbvorbezugs oder später in seinem Testament festhalten können, dass das Land dem Sohn gar nicht, nur zum damaligen Preis von 72'000 Franken oder zu einem anderen ihm gerecht erscheinenden Wert an seinen Erbanteil angerechnet werden soll. Eine solche Anordnung ist aber nur rechtens, wenn dadurch nicht der Pflichtteil der Tochter verletzt wird – ansonsten könnte sie diesen nachträglich einfordern.
Schliesslich hätte der Vater mit der Tochter bei Ausrichtung ihres Erbvorbezugs auch vereinbaren können, dass bei der Erbteilung ihre 72'000 Franken plus Zinsen auszugleichen seien. Kurzum: Eine juristische Beratung wäre auf jeden Fall ratsam gewesen.
Mustervorlagen «Erbvorbezug ausgleichen» bei Guider, dem digitalen Berater des Beobachters
Ob ein Erbvorbezug beim Tod des Erblassers ausgeglichen werden soll, hängt von der konkreten Situation ab. Wichtig ist jedoch, dass Sie dies schriftlich anordnen, um spätere Streitigkeiten zu verhindern. Mitglieder von Guider erhalten hierzu praktische Formulierungsbeispiele in der Mustervorlage «Befreiung von der gesetzlichen Ausgleichungspflicht im Erbfall» sowie in der Vorlage «Anordnung zur Ausgleichung von Erbvorbezügen und Schenkungen».
Beispiel Schenkung
Erhält ein Kind von seinen Eltern einen Geldbetrag oder Vermögenswert geschenkt, ohne dass von einem Erbvorbezug die Rede ist, kommt es für die spätere Ausgleichung darauf an, ob die Zuwendung Ausstattungscharakter hatte. Dies ist der Fall, wenn sie der Existenzbegründung, -sicherung oder -verbesserung dient, was in der Regel zutrifft. Diesfalls wird die Zuwendung einem Erbvorbezug gleichgestellt und muss ausgeglichen werden.
Bekommt Sohn Hugentobler von seinem Vater 20'000 Franken geschenkt, die er in die Gründung einer eigenen Firma steckt, dient das Geld der Begründung seiner Existenz und ist ausgleichungspflichtig. Kauft die Tochter hingegen für denselben Betrag ein zweites Auto, das sie nur zum Vergnügen fährt, sind diese 20'000 Franken nicht ausgleichungspflichtig. Sprich, die Tochter muss sich die Schenkung später nicht an ihr Erbe anrechnen lassen.
Besser: Schriftliche Vereinbarung zur Ausgleichung festhalten
Gerade dieses Beispiel zeigt: Gerechtigkeit bringt nur eine ausdrückliche schriftliche Regelung. Vater Hugentobler hätte etwa schriftlich anordnen müssen, dass auch die Schenkung an seinen Sohn nicht auszugleichen sei (siehe Mustervorlage bei Guider «Befreiung von der gesetzlichen Ausgleichungspflicht im Erbfall»). Allerdings gilt auch hier: Wenn der Pflichtteil eines anderen Geschwisters verletzt wird, kann dieses den Betrag nachträglich einfordern.
Bei gemischten Schenkungen klare Verhältnisse schaffen
Besondere Vorsicht ist auch bei sogenannten gemischten Schenkungen geboten − wenn also ein Teil der Zuwendung entgeltlich, der andere Teil unentgeltlich ist. Das kommt vor allem bei Liegenschaften vor, wenn die Eltern ihr Haus einem Nachkommen bewusst zu einem tieferen Preis als dem effektiven Verkehrswert übertragen. Für die Ausgleichung nach dem Tod der Eltern ist auch hier der Verkehrswert des Hauses zum Zeitpunkt der Teilung massgebend. Der Betrag, den der Nachkomme ausgleichen muss, berücksichtigt sowohl eine allfällige Wertsteigerung als auch den Umfang der Schenkung.
Das Problem dabei: Oft ist es schwierig, nach Jahren oder gar Jahrzehnten festzustellen, wie hoch der Verkehrswert bei Übertragung des Hauses − und damit die Wertsteigerung − war. Weiter erschwert wird die Berechnung, wenn in der Zwischenzeit renoviert oder umgebaut wurde. Es ist daher ratsam, zum Zeitpunkt der Übertragung ein Verkehrswertgutachten einzuholen, dieses als Basis zu nehmen und den geschenkten Teil als Erbvorbezug zu deklarieren.
Merkblatt «Hausübertragung an Kinder» bei Guider, dem digitalen Berater des Beobachters
Wenn Eltern ihr Haus zu Lebzeiten auf die Kinder übertragen wollen, stellen sich nicht nur Fragen zum Ausgleich des Erbvorbezugs, bzw. der Schenkung. Was sind etwa die Folgen, wenn die Eltern in ein Heim müssen und ihnen später das Geld zur Finanzierung fehlt? Mitglieder von Guider erfahren im Merkblatt «Lebzeitige Übertragung des Hauses auf die Kinder», worauf sie achten sollten.
Beispiel Darlehen
An diese Möglichkeit wird häufig nicht gedacht: Geld kann auch mittels eines Darlehens an die Kinder übertragen werden. Für einen Darlehensvertrag
braucht es
keine notarielle Urkunde
, eine schriftliche Vereinbarung ist aber zu empfehlen. Darin sollten die Laufzeit und die Kündigungsfristen festgehalten werden. Ist das Darlehen unkündbar und erst auf den Tod hin fällig, hat es praktisch die Wirkung eines Erbvorbezugs. In der Regel besteht aber folgender Unterschied: Das Darlehen bleibt im Vermögen des Darlehensgebers und kann im Bedarfsfall zurückgefordert werden.
Darlehen bei Steuererklärung richtig deklarieren
Bezüglich Steuern ist zu beachten, dass die meisten Kantone die Erbschaftssteuern für Nachkommen abgeschafft haben. Das gilt auch für Erbvorbezüge und Schenkungen. Bei einem Darlehen müssen jedoch die Eltern den Darlehensbetrag als Vermögen und die Zinsen als Ertrag versteuern
. Die Kinder ihrerseits können die Darlehensschuld beim Vermögen und die Zinszahlungen beim Einkommen abziehen. Dies im Gegensatz zur Schenkung oder zum Erbvorbezug, die von den Kindern als Vermögen zu versteuern sind.
Mustervorlagen und Checkliste zu Darlehen bei Guider, dem digitalen Berater des Beobachters
Mitglieder von Guider können unterschiedliche Mustervorlagen für Darlehensverträge sowie eine Checkliste herunterladen, ihren persönlichen Verhältnissen anpassen und ausdrucken.
Rechnungsbeispiele: So wird gerecht geteilt
Situation 1: Der Vater stirbt und hinterlässt 100'000 Franken. Tochter Monika hat vor sechs Jahren einen Erbvorbezug von 20'000 Franken erhalten, Sohn Reto noch nichts.
Nachlassvermögen | 100'000 | |
Erbvorbezug Monika | 20'000 | |
Total Aktiven | 120'000 | |
Erbanteil pro Kind (hälftig) | 60'000 | |
Monika erhält zu den bereits erhaltenen 20'000 noch 40'000 Franken aus dem Nachlassvermögen, Reto 60'000. |
Situation 2: Der Vater stirbt und hinterlässt 20'000 Franken. Tochter Monika hat vor sechs Jahren einen Erbvorbezug von 60'000 Franken erhalten, Sohn Reto noch nichts.
Nachlassvermögen | 20'000 | |
Erbvorbezug Monika | 60'000 | |
Total Aktiven | 80'000 | |
Erbanteil pro Kind (hälftig) | 40'000 | |
Reto erhält das Nachlassvermögen von 20'000 Franken, und Monika muss ihrem Bruder noch 20'000 Franken auszahlen. |
Erbvorbezug: Ungleichbehandlung der Geschwister erlaubt?
Mit ihrem Vermögen können Eltern grundsätzlich machen, was sie wollen. Sie können einem Kind einen Erbvorbezug, eine Schenkung oder ein Darlehen gewähren – müssen aber nicht. Es besteht kein Anspruch auf eine lebzeitige Zuwendung , selbst wenn die übrigen Kinder eine solche erhalten.
Erst nach dem Tod der Eltern stellt sich die Frage nach der Ausgleichung. Dann müssen die Kinder offenlegen, was sie bereits erhalten haben. Bestehen schriftliche Vereinbarungen, können Streitigkeiten vermieden werden.
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