Warum braucht es überhaupt eine Reform der zweiten Säule?

Zum einen steigt die Lebenserwartung, und die Zinsen sind nach wie vor tief. Zum anderen sind Personen mit niedrigen Einkommen oder Teilzeitbeschäftigte heute schlecht versichert. Die zweite Säule ist darum nicht mehr zeitgemäss aufgestellt und die Finanzierung nicht nachhaltig gesichert

Was hat das Parlament nun beschlossen?

Der Mindestumwandlungssatz von aktuell 6,8 Prozent soll auf 6 Prozent gesenkt werden. Damit wird das bei der Pensionierung vorhandene Altersguthaben in eine lebenslange Altersrente umgewandelt. Je niedriger der Umwandlungssatz, desto niedriger die Rente. Bei 100’000 Franken PK-Vermögen gibt es neu statt 6800 Franken nur noch eine jährliche Rente von 6000 Franken. Den aktuellen Umwandlungssatz von 6,8 Prozent halten Fachleute für zu hoch. Solche Renten müssen deshalb durch eine versteckte Umverteilung von den Aktiven zu den Pensionierten mitfinanziert werden.

Das widerspricht dem Prinzip der zweiten Säule, nach dem alle für ihre eigenen Renten sparen. Um diese Rentenkürzung abzufedern, sollen gewisse Rentner und Rentnerinnen für die ersten 15 Jahrgänge (Übergangsgeneration) einen Rentenzuschlag erhalten. Es profitiert davon aber nur rund die Hälfte der Versicherten: Wer zum Zeitpunkt der Pensionierung über ein Altersguthaben von 215’100 Franken oder weniger verfügt, soll Anrecht auf den vollen Zuschlag haben. Für höhere Altersguthaben soll es stufenweise weniger Zuschlag geben. Rund die Hälfte aller Versicherten erhält gar keine Kompensation. Damit ist das Parlament nun deutlich weniger grosszügig, als es der Bundesrat ursprünglich vorgesehen hatte.

Aktuell sind nur Jahreslöhne ab 22’050 Franken im BVG versichert. Diese Eintrittsschwelle wird neu auf 19’845 Franken gesenkt. Damit sollen mehr Leute mit tiefen Einkommen in der zweiten Säule versichert werden.

Auch soll der Koordinationsabzug gesenkt werden. Im BVG wird nämlich nicht der ganze Lohn versichert. Vom Jahreslohn wird ein Koordinationsabzug von aktuell 25’725 Franken abgezogen – daraus ergibt sich der «versicherte Lohn». Neu soll es eine prozentuale Lösung geben. Das Parlament einigte sich auf einen Abzug von 20 Prozent des Jahreslohns. Das heisst: Bei einem Jahreslohn von 30’000 Franken beträgt der versicherte Lohn nicht mehr wie heute 4275 Franken, sondern 24’000 Franken. Beiträge und Leistungen würden entsprechend stark ansteigen.

Neu sollen die Altersgutschriften angepasst werden. Damit gemeint sind vereinfacht gesagt die Sparbeiträge (Lohnabzüge) für die Pensionskasse. Im Alter 25 bis 44 Jahre sollen sie neu 9 Prozent und im Alter 45 bis 65 noch 14 Prozent betragen. Heute liegen diese bei 7 Prozent (25 bis 34), 10 Prozent (35 bis 44), 15 Prozent (45 bis 54) und 18 Prozent (55 bis zur Pensionierung).

Die BVG-Reform benachteiligt ältere Menschen auf dem Arbeitsmarkt, kritisieren Gewerkschaften. Stimmt das? 

Eigentlich war es ein Ziel der Reform, die Chancen älterer Personen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Deshalb sollen die Altersgutschriften in der ältesten Altersklasse von 18 auf 14 Prozent gesenkt werden. Die Idee dahinter: Für Arbeitgeber würde es finanziell attraktiver, ältere Menschen zu beschäftigen. Nur: Aufgrund der Senkung des Koordinationsabzugs wird künftig ein höherer Lohnanteil versichert. Im Ergebnis steigen die Pensionskassenbeiträge – besonders im Tieflohnbereich – trotz der reduzierten Beitragssätze an. Das ist weniger attraktiv für die Arbeitgeber, die Versicherten können aber bis zur Pensionierung mehr Guthaben ansparen.

Was bedeutet die Reform für meine Pensionskassengelder? Wen betrifft es überhaupt?

Was die Reform für die individuellen Pensionskassengelder bedeutet, muss im Einzelfall betrachtet werden. Hier finden Sie eine Übersicht für verschiedene Lohn- und Altersklassen.
 
Von der Reduktion des BVG-Umwandlungssatzes sind allerdings nur etwa 10 bis 15 Prozent der Arbeitnehmenden betroffen. Die grosse Mehrheit ist in «umhüllenden» Vorsorgeplänen versichert. Diese gehen über das BVG-Minimum hinaus. Dort dürfen schon heute tiefere Umwandlungssätze als 6,8 Prozent angewendet werden. Die Leistungen der meisten Pensionskassen sind dennoch höher als die gesetzlichen Minimalleistungen. Unter dem Strich heisst das: Die meisten Arbeitnehmenden sind von der Reform gar nicht oder nur bedingt betroffen. Für sie spielt es keine Rolle, ob die gesetzlichen Minimalleistungen mit einem Umwandlungssatz von 6,8 oder 6 Prozent gerechnet werden. Ihre Pensionskasse zahlt sowieso eine höhere Rente aus als die BVG-Minimalrente.

Allerdings: Das gilt nicht für den Tieflohnbereich. Dort dürfte die Reform stark spürbar sein. Die Versicherten werden zu mehr Sparbeiträgen gezwungen, können dafür im Alter ein höheres PK-Vermögen erwarten. Das wird vermutlich für viele trotzdem nicht ausreichen, und sie könnten trotz der Reform auf Ergänzungsleistungen angewiesen sein.

Wie geht es nun weiter?

SP und Gewerkschaften haben bereits das Referendum gegen die Reform angekündigt. Die Vorlage wird also voraussichtlich vors Volk kommen. Widerstand kommt auch aus dem Gastgewerbe und dem Bauernverband. Dort ist das Personal hauptsächlich im Tieflohnbereich beschäftigt. Für die Arbeitgeber würden die Lohnnebenkosten mit der Reform erheblich ansteigen und besonders ins Gewicht fallen, da in diesen Branchen Kostendruck und tiefe Margen herrschen.