Die Ermittler schlugen am 3. Februar zu. In der Schweiz und in Deutschland durchsuchten sie Büros und Wohnungen von rund 90 Firmen und deren Besitzern. Die Vorwürfe: Betrug, Geldwäscherei und unlauterer Wettbewerb.

Seit 2015 sollen diese Unternehmen mit ihrer Masche rund 10 Millionen Franken abgezockt haben. Die Schweizer Bundesanwaltschaft spricht von einer «sehr umfangreichen und komplexen Struktur des festgestellten Geschäftsmodells».

Sandra Stutz ist zufällig in dieses Geschäftsmodell hineingeraten. Sie hatte sich Anfang März 2020 mit einer Praxis für Lebensberatung in Zürich selbständig gemacht, nur wenige Tage bevor der Bundesrat den Shutdown verkündete. Die Kundschaft blieb aus, und im Herbst neigten sich Stutz’ finanzielle Mittel dem Ende zu.

Im Internet stiess sie auf die Interhypo Suisse GmbH. Der «Intermediär für aussergewöhnliche Finanzlösungen» (Eigenwerbung) garantiert einen Entscheid innert 24 Stunden. Und er verspricht, dass sich Finanzprobleme «ganz ohne Bank» lösen lassen. Erst weit unten auf der Website steht, dass Interhypo keine Kredite oder Darlehen vergibt, sondern lediglich «Finanzsanierungen zur Regulierung von Schulden und Verbindlichkeiten» vermittelt.

Zu höherem Kredit überredet

Sandra Stutz beantragte über das Online-Formular 30'000 Franken. Nach wenigen Stunden kam per E-Mail eine «Annahmeerklärung» – und eine Rechnung.

Als Erstes wollte die Firma für ihre Vermittlung an ein weiteres Unternehmen 2'265 Franken kassieren. Als Stutz absagte, überredete eine «Lara Engelmann» sie am Telefon zu einem höheren Kredit von 40'000 Franken, mit 167 Monatsraten à 280 Franken. Die «Vermittlungsgebühr» dafür: rund 3'000 Franken, zahlbar in zwei Tranchen an eine Firma im Thurgau.

Sie habe bei den Telefongesprächen mit «Lara Engelmann» immer wieder betont, dass sie einen Kredit und keine Schuldensanierung brauche, sagt Sandra Stutz. «Darauf riet man mir, einfach anzugeben, dass ich die 40'000 Franken meiner Mutter schulde. Dann bekäme ich das Geld.» Stutz unterschrieb, bezahlte die Gebühr – und wartete. Das Geld sollte von einer weiteren Firma kommen, der Garwoc Suisse AG in Stans NW. Doch die liess sich Zeit.

Schliesslich realisierte Stutz, welcher Masche sie aufgesessen war. Von den Monatsraten, die sie an die Garwoc Suisse AG überweisen sollte, zwackte diese 15 Prozent «Verwaltungsgebühren» ab und leitete den Rest an ihre Mutter weiter. Stutz hätte also fast 14 Jahre lang Geld über die Garwoc Suisse auf das Konto ihrer Mutter einbezahlt, dabei rund 6'000 Franken an Zinsen und «Verwaltungsgebühren» überwiesen, aber nie einen Kredit erhalten.

Involvierte Firmen dementieren Vorwürfe

Der Vorwurf, man habe Sandra Stutz einen Kredit zugesichert, sei «haltlos», sagt Martin Lempert, Inhaber der Interhypo Suisse. «Unsere Unternehmung und unser Geschäftsmodell sind unstrittig seriös und professionell.» Bei Garwoc erklärt Verwaltungsratspräsident Paul Martin Iten, man sei «ein Schuldenregulierer, kein Finanzintermediär», und halte sich seit je an Recht und Gesetz.

Garwoc ist mittlerweile in Liquidation. Zufall oder nicht: Wenige Tage nachdem der Beobachter die Recherchen aufnahm, erhielt Sandra Stutz von der Firma einen Teil ihres Geldes zurück.

Die Interhypo Suisse aber macht trotz der Razzia gegen Finanzsanierer weiter. Auf die Frage, ob die Polizeiaktion auch seine Firma betroffen habe, weicht Besitzer Lempert aus. Man kooperiere vollständig mit den Behörden und sei «sehr zuversichtlich, dass wir die Anschuldigungen zeitnah entkräften werden».

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