Gedankenlos konsumieren, leichtsinnig Kredite aufnehmen und sich zahlungsunfähig erklären, wenn der Schuldenberg nicht mehr überblickbar ist. Bis 1996 war das die bequemste Art, seine Schulden abzuschütteln. Damals hatten jährlich weit über 5000 Personen diesen Weg gewählt und dadurch Verluste in Milliardenhöhe verursacht.

Das änderte sich mit dem revidierten Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz, das Anfang 1997 in Kraft trat. Es zielte unter anderem darauf ab, leichtfertigen Konkursen einen Riegel zu schieben. Tatsächlich sind die privaten Konkurse seither kontinuierlich zurückgegangen. Dieses Jahr werden es noch knapp 4000 sein.

Während es früher möglich war, sich vor dem Konkursgericht einfach zahlungsunfähig zu erklären, ist jetzt ein eigentlicher Antrag zu stellen. Der Richter kann ihn bewilligen, ablehnen oder – und das ist neu – eine private Schuldenbereinigung anordnen. Mit diesem Instrument soll Schuldnern geholfen werden, bei denen eine Chance besteht, dass sie ihre Schulden innert vernünftiger Frist – das heisst über etwa drei Jahre – abzahlen können. Für die Verhandlungen mit den Gläubigern ernennt der Richter einen Sachverwalter. Dies kann ein Treuhänder oder eine kantonale Fachstelle für Schuldenfragen sein.

Dem Schuldner bringt dies als Erstes eine Atempause von drei Monaten. Während dieser Frist, die auf sechs Monate verlängert werden kann, darf er nur für familienrechtliche Schulden – etwa Alimentenzahlungen – betrieben werden.

Einstimmigkeit zwingend
Getreu dem Motto «Besser den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach», verzichten Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderung, wenn sie überzeugt sind, bei einem Privatkonkurs mehr Geld zu verlieren. Allerdings kommt eine solche Vereinbarung nur zustande, wenn alle Gläubiger damit einverstanden sind. Lehnt auch nur einer den Vorschlag ab, ist die Schuldenbereinigung gescheitert.

Diese Erfahrung musste Samuel Amsler, Leiter der Aargauer Fachstelle für Schuldenfragen, bereits mehrmals machen. «Wenn die Cornèr-Bank unter den Gläubigern ist, gibt es meist Schwierigkeiten. Sie lehnt noch so gut begründete Vorschläge ab, auch wenn alle anderen zugestimmt haben», sagt er. In einem Fall beispielsweise hätte die Bank lediglich 14 Prozent des Visa-Card-Guthabens (600 Franken) abschreiben müssen, doch sie blieb unnachgiebig.

Amsler musste deshalb das gerichtlich aufwändige Nachlassverfahren einleiten, das vor allem für Firmen gedacht ist. Den Schuldner kostete dies zusätzlich Geld, das er zur Schuldentilgung hätte verwenden können. Für die Cornèr-Bank ging die Rechnung nicht auf: Sie erhielt schliesslich keinen Rappen mehr, als der Sanierungsplan von vornherein vorgesehen hatte.

Die unnachgiebige Haltung der Cornèr-Bank bekam auch der Beobachter zu spüren, als er sich für einen Arbeitslosen einsetzte. Seine Stellensuche war durch einen Privatkonkurs behindert. Deshalb wollte er mit den Gläubigern zu einem Abschluss kommen und offerierte ihnen 20 Prozent seiner Verlustscheinschulden. Zehn von elf Gläubigern stimmten dem vom Fürsorgeamt Riehen ausgearbeiteten Vorschlag zu – die Cornèr-Bank nicht.

Den Vorwurf einer generell sturen Haltung weist Cornèr-Bank-Chef Peter Brem zurück: «Wenn wir zur Ansicht gelangen, dass der Verzicht auf einen Teil unserer Forderungen in Anbetracht aller Umstände sinnvoll und gerechtfertigt ist, sind wir bereit, einem Sanierungsvorschlag mit Nachlass zuzustimmen.»

Eine Schuldentilgung bedeutet für den Betroffenen, den Gürtel enger zu schnallen. «Können vom Einkommen monatlich allerdings nur 100 bis 200 Franken abgezwackt werden, sind alle Versuche, ohne Konkurs aus dem Schlamassel herauszukommen, vergebene Liebesmüh», sagt Gerda Haber von der Fachstelle für Schuldenfragen der Stadt Zürich.

Bei Konkurs bleiben die Schulden
Die gesetzlich vorgesehene private Schuldenbereinigung kommt in der Praxis eher selten zum Zug. Die meisten Schuldner sind nämlich dermassen überschuldet, dass eine Sanierung nahezu ausgeschlossen ist. Bleibt also nur noch der Konkurs.

Wer allerdings glaubt, dadurch seine Schulden endgültig los zu sein, täuscht sich gewaltig. Kommt ein Konkursschuldner nämlich zu neuem Vermögen, können die Inhaber eines Verlustscheins ihr Guthaben einfordern. Die Betreibungsämter registrieren seit zwei Jahren eine starke Zunahme von Betreibungen, die auf Konkursverlustscheinen basieren.

Es liegt dann am Konkursschuldner, dem Gericht zu beweisen, dass er über kein neues Vermögen verfügt. Das heisst, er muss den Richter umfassend über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse informieren und ihm sämtliche Belege wie Lohnausweise, Bankauszüge, Steuerabrechnungen, Arbeitsverträge vorlegen.

Dabei wird genau untersucht, ob Vermögenswerte an Ehepartner oder Freunde übertragen wurden, um sie den Gläubigern zu entziehen. Es nützt dem Schuldner auch nichts, einfach in Saus und Braus zu leben und alles verdiente Geld auszugeben, um kein Vermögen zu bilden. Der Arbeitsverdienst stellt nämlich neues Vermögen dar, wenn er die für ein standesgemässes Leben nötige Summe übersteigt.

Den pfändbaren Betrag bestimmt der Richter. Er stützt sich dabei auf die kantonalen Richtlinien zur Berechnung des Existenzminimums. Ausgangspunkt ist der feste monatliche Grundbedarf für den Lebensunterhalt. Dieser wird durch Zuschläge für Wohnung, Unterhaltsbeiträge, Arzt- und Krankenkassenkosten den persönlichen Verhältnissen angepasst. Liegt das Einkommen nur knapp darüber, ist dies noch keine Vermögensbildung. Auch ein Konkursit hat Anspruch auf eine Lebensführung, die es ihm erlaubt, eine neue Existenz aufzubauen.

Das musste etwa eine Kreditbank zur Kenntnis nehmen, die wenige Monate nach Konkursschluss ihre Schuldnerin erneut betrieb. Sie verfüge über Einnahmen, die das tolerierte Einkommen überschreiten würden. Damit blitzte die Bank vor dem Bezirksgericht Zürich ab. Das Gericht befand, ein Schuldner dürfe nach einem Konkurs nicht auf den nackten Notbedarf beschränkt werden. «Er soll vielmehr einen normalen Lebenswandel führen können, der weder ärmlich noch übertrieben aufwändig ist und notwendige Anschaffungen erlaubt.»