Die Pfadi zieht wie anno dazumal. Die Mitgliederzahlen sind so hoch wie seit 20 Jahren nicht mehr. Im Juli und August findet im Oberwallis das Bundeslager statt, Höhepunkt jedes Pfadi-Lebens. Es gibt ihn nur alle 14 Jahre. Was finden Kinder und Jugendliche in der Pfadi? Was soll die Uniform? Was hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert?

Melanie Widmer alias Mitis war acht, als eine Freundin sie zum ersten Mal in die Pfadi mitnahm. Heute organisiert sie als Rover (so heissen erwachsene Pfadis) das Bundeslager mit.


Beobachter: Melanie Widmer, was ist die Pfadi in fünf Wörtern?
Melanie Widmer
Erlebnis, Freundschaft, Lebenserfahrung, Spass, dreckige Schuhe. Das waren jetzt sechs Wörter. (lacht)


In der Pfadi heissen Sie Mitis. Warum braucht es einen Pfadi-Namen?
In der Pfadi soll man eine andere Person sein dürfen als daheim oder in der Schule. «Mitis» ist Lateinisch für sanft und mild, so war ich als kleines Wölfli (erste Pfadistufe). In der Pfadi habe ich aber auch gelernt, mal wild und frech zu sein.

Und wieso tragen Pfaderinnen und Pfader Uniformen?
Ursprünglich symbolisierte sie: In der Pfadi sind alle gleich. Heute ist sie vor allem Tradition und ein Erkennungsmerkmal. Auf unseren Uniformen zeigen wir mit Abzeichen und Anhängern, welche Lager wir besucht und welche Kurse wir gemacht haben. Das schafft Verbundenheit.
 

Hat die Pfadi etwas Militärisches?
Ich finde nicht. Der Engländer Robert Baden-Powell, der die Bewegung 1907 gründete, hat manche Rituale und Organisationsformen aus dem Militär übernommen, früher etwa das Antreten oder bis heute die Unterteilung in Gruppen und Abteilungen. Der Zweck der Pfadi war aber nie die militärische Ertüchtigung, sondern immer das gemeinsame Erlebnis in der Natur. Und dass die Jüngeren von den Älteren lernen, die ihnen Vorbilder und Freunde sind.

«Die Pfadi ist sehr ganzheitlich. Es geht nicht um eine ­bestimmte Fertigkeit wie beim Sport.»

Melanie Widmer, Pfadi-Leiterin

Warum ist die Pfadi heute so beliebt?
Wir treffen sicher den Zeitgeist. Draussen in der Natur sein, im Spiel etwas lernen – darum boomen ja auch die Waldkindergärten. Die Pfadi ist sehr ganzheitlich. Es geht nicht um eine bestimmte Fertigkeit wie beim Sport, sondern es werden alle Fähigkeiten gefördert: von der Fantasie über die Motorik bis zum Sozialen. Die Kinder lernen miteinander und voneinander. Das gefällt den Eltern und den Kindern.


Täuscht es, oder sind in der Pfadi vor allem Kinder aus Schweizer Familien und häufig aus dem Gymi?
Das Bild kann entstehen, es kommt jedoch auf die einzelnen Abteilungen an. Aber klar, unser Ziel ist es, so divers wie möglich zu sein. Der beste Weg ist über die Schule, dort erreichen wir am meisten Kinder und Eltern. Wir haben auch spezielle Angebote konzipiert, zum Beispiel Pfasyl. Hier können Kinder, die neu in der Schweiz sind, ein erstes Mal Pfadi-Luft schnuppern, ohne dass sie gleich in ein völlig anderes Umfeld eintauchen müssen. Pfadi lebt von Vorbildern: Wenn ein Knabe oder ein Mädchen hingeht, ziehen Freunde und Geschwister oft nach.

Eine Gruppe Pfadfinder schaut aus ihren Zelten, die am Waldrand auf Holzplattformen stehen

«Ein Grossprojekt wie das Bundeslager könnten Jugendliche nicht allein stemmen», sagt Leiterin Melanie Widmer.

Quelle: Blick

Worin hat sich die Pfadi verändert in den vergangenen Jahrzehnten?
Für die Kinder hat sich nicht viel geändert. In den Wald gehen, Rollenspiele, Feuer machen. Aber die Ausbildung der Leiterinnen und Leiter ist heute viel professioneller. Ein Samstagnachmittag in der Pfadihütte verfolgt ein klares Konzept. Sind wir betreuender geworden? Ich glaube, das wäre das falsche Wort. Aber überlegter, das schon.


Welche Rolle haben Erwachsene wie Sie?
Für den Pfadi-Alltag brauchts uns nicht. Da halten wir uns raus. Ein Grossprojekt wie das Bundeslager könnten Jugendliche aber nicht allein stemmen. Wir im Organisationsteam sind aber ebenfalls alle jung und stemmen das erste Mal einen Anlass dieser Grössenordnung. Wir sind vor allem in der Vorbereitung wichtig, dann für die Koordination im Hintergrund. Das Lagerleben gestalten die Pfaderinnen und Pfader. Ich freue mich, dann über das Lagergelände zu schlendern und in das Treiben einer ganzen Pfadi-Stadt einzutauchen.

Zur Person

Melanie Widmer mit Pfadi-Foulards

Melanie Widmer, 32, ist seit über 20 Jahren in der Pfadi und leitet die Medienarbeit beim Bundeslager 2022.

Quelle: Verein Bula 2021
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