Nur rasch eine Flasche Wein wollte Patrizia Stalder als Mitbringsel für ein Geburtstagsfest holen, da traf sie fast der Schlag: Ihr Kellerabteil war total leer geräumt – besenrein, von Weinflaschen keine Spur. Verschwunden waren auch die komplette Micky-Maus-Sammlung aus der Kindheit und eine Lampe, ein Hochzeitsgeschenk. «Alles, was mein Mann und ich im Keller deponiert hatten, weil es in der kleinen Wohnung an Platz fehlte, war weg», sagt die angehende Zeichnungslehrerin aus Basel.

Stalder informierte den Hauswart und rief die Polizei an. Diese empfahl, sich mit der Hauseigentümerin, der Basler Versicherung, in Verbindung zu setzen. Doch dort fühlte sich niemand zuständig: Die Mieterin wurde von einer Angestellten an die nächste verwiesen und schliesslich vertröstet, der Abwart werde sich schon um die Sache kümmern.

Doch auch zwei Wochen nach der Vermisstmeldung waren die Gegenstände von Patrizia Stalder und ihrem Mann Manuel Tolón nicht wieder aufgetaucht. Da übergab Stalder den Fall ihrem Bruder, der als Anwalt arbeitet. Dieser bat die Immobilienverwaltung der Basler Versicherung um «umgehende Unterstützung zur Aufklärung des Falles».

Jetzt will niemand schuld sein

Zur Aufklärung trug die inzwischen in Konkurs gegangene Reinigungsfirma Dammann-Vögtli bei. Das Unternehmen aus Basel hatte einen Monat zuvor im Wohnblock des Ehepaars ein Kellerabteil geräumt: das einer 90-jährigen Frau, die ins Altersheim gezogen war. Der Räumungstrupp erhielt den Kellerschlüssel von der Betreuerin der Betagten. Diese erinnert sich, dass sie den Schlüssel in der Wohnung in einem Schlüsselkasten gefunden hatte. Der Chef der Reinigungsfirma hingegen glaubt, das Kellerabteil sei ihm vom Hauswart zugewiesen worden. Die Immobilienverwaltung wiederum betont, der Abwart habe gar keine Kellerschlüssel.

Wie auch immer: Mit dem Schlüssel liess sich nicht nur der Kellerraum der betagten Frau öffnen, sondern auch der des Ehepaars Stalder-Tolón. Und die Reinigungsfirma erledigte die Arbeit gründlich: Bis aufs letzte Micky-Maus-Heft entsorgten die Mitarbeiter alles. «Uns fiel nicht auf, dass die gelagerten Gegenstände nicht einer alten Frau gehören könnten. Wären wir auf Kinderspielsachen gestossen, hätten wir die Räumung sofort gestoppt», verteidigt sich René Dammann von der Reinigungsfirma.

Inzwischen hatte auch die Basler Versicherung erfahren, was passiert war, und machte den Geschädigten ein Angebot. «Für den Verlust der von Ihnen aufgelisteten Sachen bieten wir Ihrer Mandantin eine einmalige Entschädigung von 100 Franken», schrieb die Immobilienbesitzerin dem Anwalt. Das Ehepaar Stalder-Tolón liess sich nicht abspeisen, zählte den Wert der vermissten Gegenstände zusammen und kam auf über 3'000 Franken.

Doch für diesen Schaden will niemand geradestehen. Die Betreuerin sagt, sie habe lediglich den Schlüssel übergeben. Die Reinigungsfirma sieht keine Schuld, weil der Schlüssel ins falsche Schloss passte, und die Basler Versicherung weist die Verantwortung von sich, «da wir in dieser Sache nicht involviert sind». Das Unternehmen geht sogar noch einen Schritt weiter und dreht den Spiess um: Das Ehepaar selbst treffe ein «erhebliches Mitverschulden». Es sei «allgemein bekannt, dass sich Kellerabteile mit Lattenverschlag nicht zur Lagerung wertvoller Gegenstände eignen, besteht doch das Risiko von Diebstahl oder Beschädigung».

Dem widerspricht der Basler Anwalt und Mietrechtsspezialist Jakob Trümpy. Eine Mietwohnung inklusive Keller müsse in einem vertragsgemässen Zustand übergeben werden. Im Klartext: «Der Mieter muss darauf zählen können, dass einzig sein Schlüssel in sein Kellerschloss passt.» Weil dies im Fall des Ehepaars Stalder-Tolón nicht so war, hafte der Vermieter, so Trümpy.

Die Basler Versicherung bleibt hart

Davon will die Basler Versicherung nichts wissen: «In erster Linie ist der ausziehende Mieter verantwortlich, mit klaren Instruktionen dafür zu sorgen, dass sein eigenes Kellerabteil und nicht das des Nachbarn geräumt wird», sagt Max Voegelin, Rechtskonsulent der Basler Versicherung. Der Vermieter könne nichts dafür, wenn in ein seriengefertigtes Schloss eines Kellerabteils auch ein anderer Schlüssel passe – das sei schlicht ein unglücklicher Zufall.

Inzwischen sind Patrizia Stalder und Manuel Tolón in eine grössere Bleibe umgezogen. Den Wein lagert das Paar jetzt nicht mehr im Keller, sondern in einem Schrank in der Wohnung.

Quelle: Derek Li Wan Po