«Bitte, bitte mach ihn richtig kaputt!», ruft ein junger Mann in Richtung Corona-Testerin. «Wart, ich halt ihn!», sagt ein zweiter übermütig. Schadenfrohes Gelächter vor der Teststation 5. Dort sitzt der Kollege der beiden. Sein Blick offenbart eine leichte Verunsicherung. Daneben lacht die Frau mit dem Wattestäbchen etwas verlegen. Lynn Pantano eilt zu ihrer Unterstützung herbei. «Ihr begleitet ihn? Gut. Dann weg da.» 

Resolut. Das müssen sie im Testzentrum «Pelikanplatz» in Zürich manchmal sein. Ein Gespür für den richtigen Umgang mit Menschen ist als Corona-Testerin unentbehrlich. Lynn Pantano hat ihn. Hier testet die 21-jährige Medizinstudentin hauptsächlich Partygänger und Leute, die reisen wollen. Direkt vor dem Nachtklub «Jade» in der Lounge des Kaufleuten, in der es eng, stickig und laut ist.

Es herrscht Hochbetrieb an diesem Samstagabend – wie so oft, seit die Klubs Ende Juni wieder öffnen durften. Nach einem negativen Testresultat gibt es das Covid-Zertifikat, das Einlass verschafft. An einem Tag wollen hier bis zu 400 Nasen einen Antigen-Schnelltest machen. Mühe mit den Bedingungen oder dem Partyvolk hat Pantano keine: «Die meisten sind lustig drauf. Ich mag das», sagt sie.

Wer fürs Testen geeignet ist

Nicht jeder darf testen. Valeria Dora wählt sorgfältig aus, wer Abstriche macht und wer administrative Aufgaben übernimmt. Ob eine Person eine abgeschlossene medizinische Ausbildung hat, ist der Leiterin des Testzentrums weniger wichtig: «Im Grunde kann jeder den Test machen. Entscheidend ist aber die Empathie», sagt sie.

So dürfen unter Doras Aufsicht in seltenen Fällen Studenten aus naturwissenschaftlichen Fächern testen. «Wenn wir nur Gesundheitsfachkräfte beschäftigen dürften, hätten wir niemals genug Personal», sagt Dora. 

Auch sie weiss mit den Leuten umzugehen. «Willkommen im Testzentrum! Bitte einmal hier unterschreiben, damit wir Ihnen in die Nase dürfen.» Dora grüsst immer nett, obwohl «sicher jeder Zehnte» sein Krankenkassenkärtchen nicht dabei hat. Das kostet jeweils zehn Franken extra.

Der Test ist gratis, weil die Kosten von 47 Franken der Bund übernimmt. Dora bringt den Kunden viel Geduld entgegen, kann aber klare Ansagen machen: «Maske hoch!» Da kennt sie kein Pardon. Selbst wenn die Schminke leiden muss.

«Ich möchte etwas Geld verdienen. Und ich will etwas tun, damit sich die Corona-Situation verbessert.»

Lynn Pantano arbeitet im Testzentrum im Pelikanplatz in Zürich

Lynn Pantano, Medizinstudentin. 

Quelle: Samuel Schalch

Ab ungefähr halb zehn macht Lynn Pantano Fliessbandarbeit. Alle zwei Minuten sitzt jemand anderes auf dem Stuhl vor ihr. Auf jeden Menschen geht sie ein, auch wenn schon der Nächste wartet. Ein junger Mann fürchtet um seinen Geruchsnerv: «Du musst wirklich aufpassen, gell? Ich habe eine verengte Nasenhöhle. Nein, wirklich!» Pantano beruhigt ihn und nimmt dann den Abstrich.

Neben den Besorgten gibt es die Unangenehmen, die zum Beispiel sexuelle Anspielungen machen. «Das geht bei mir in einem Ohr rein und beim anderen wieder raus», sagt Pantano. Kompliziert seien ab und zu Touristen:  «Einige wollen mir meinen Job erklären. In anderen Ländern funktionieren die Tests anders. Darum meinen manche, ich mache den Test falsch.» 

Wenig später kommt eine Frau, die für die Reise in ihr Heimatland ein Covid-Zertifikat benötigt. Die Körpersprache sagt: «Ich habe keine Zeit zu verlieren.» Dann legt sie etwas widerwillig den Kopf nach hinten. Lynn Pantano versucht den Nasen-Rachen-Abstrich durchzuführen. Doch die Frau zuckt zurück und hustet. «Au! Das tut mega weh, jetzt weine ich wegen dir. Blute ich? Ich habe Angst, dass es blutet.» Pantano erwidert ruhig: «Keine Angst, Da ist kein Blut. Sollen wir das andere Nasenloch zuerst versuchen? Wenn der Test ungültig ist, können wir Ihnen kein Covid-Zertifikat ausstellen.» Die Getestete spricht von einer Sauerei. Jetzt ist Pantano leicht genervt: «Wenn Sie nicht wollen, können sie gerne wieder gehen.»

Lieber warten als sich impfen lassen

Auch wenn er unangenehm ist: Der Test ist vor allem für Partygäste nicht das Hauptproblem. «Das Warten ist mühsam. Aber ich habe Verständnis», sagt etwa Sihana Aggner. Samstagabend sind bis Mitternacht spontane Tests möglich. So kann es zu Wartezeiten kommen. Bis das Resultat bekannt ist, verbringen die Getesteten nochmals 15 bis 20 Minuten im Wartebereich.

Mit einer Impfung liesse sich das Warten vermeiden. Für Aggner ist die kein Thema: «Ich werde mich nicht impfen lassen, nur um in den Ausgang gehen zu können. Ich habe Mühe mit diesem passiven Zwingen.» Viele Ausgehende vertreten ähnliche Standpunkte. Einige warten noch auf die zweite Impfung. 

Die Bilanz für diesen Samstag: Ein positiv getesteter 16-Jähriger, der in den Italienurlaub wollte. Die Zahl der Positiven kann stark variieren. Mal ist es einer, mal sind es acht. «Die Leute glauben manchmal kaum, dass sie positiv sind. Oft haben sie keine Symptome», sagt Dora.

Offiziell ist um Mitternacht Feierabend. Tatsächlich bleibt das Testzentrum so lange offen, bis alle Testwilligen an der Reihe waren. «Ich finde es wichtig, dass Kultur stattfinden kann», sagt Dora. Lynn Pantano darf schon gehen. Der Puls ist nach diesem Abend hoch. Wieso sie das macht? «Ich möchte etwas Geld verdienen. Und ich will etwas tun, damit sich die Corona-Situation verbessert.»

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