Am Dieseltriebwagen ABm 2/5 Nr. 9, Jahrgang 1914, frisst der Rost. Die dunkelgrüne Farbe blättert, das Auspuffrohr fehlt. Die Bewunderer fehlen auch.

Verloren und vergessen steht der Wagen im Aussenlager des Verkehrshauses der Schweiz in Rain LU. Hinter ihm reiht sich ein türkisblauer Erste-Klasse-Waggon von 1875, dahinter ein hölzerner SBB-Speisewagen von 1914. Auch sie tragen Rostflecken und sprödes Holz. Irgendwo, versteckt unter einer Plastikplane, steht die Dampflokomotive SCB 41.

Weil das Verkehrshaus der Schweiz für die Schienenveteranen keinen Platz mehr hat, stehen sie teils seit Jahren in Rain. Unter freiem Himmel, der Witterung voll ausgesetzt.

«Das ist, als liesse man die St. Galler Stiftsbibliothek verregnen», sagt Kilian T. Elsasser. Der ehemalige Konservator Schienenverkehr ist besorgt darüber, dass sein ehemaliger Arbeitgeber so mit der Sammlung umgeht. «Die Fahrzeuge erzählen wie keine anderen von den Errungenschaften der Schweizer Technikgeschichte.»

Innovative Unikate

Bestückt mit einem U-Boot-Motor der Firma Sulzer, durchquerte der Dieseltriebwagen 1924 das Val de Travers. Ein Sinnbild für den innovativen Schweizer Maschinenbau. Der Mischantrieb hielt dem Fortschritt nicht lang stand – genau das macht das Fahrzeug zu einem seltenen Zeitzeugen. Der hölzerne Speisewagen im Belle-Époque Auf den Spuren einer Postkarte von 1904 Wer war «M»? -Stil rollte als einer der Ersten seiner Art durch die Schweiz, der blaue Erste-Klasse-Waggon stammt aus den Anfangszeiten der Gotthardbahn. Solche Wagen gebe es in der Schweiz sonst keine mehr, sagt Elsasser.

Aufmerksam gemacht auf das Schicksal der Fahrzeuge hat ihn Pascal Troller. Der Oltner war verantwortlich für die Revision der letzten «überlebenden» Dampflokomotive der Schweizerischen Centralbahn, die in der Lokomotiv- und Maschinenfabrik Winterthur gebaut wurde – die SCB 41, die laut Troller nur mit einer Plastikplane abgedeckt im Aussenlager vor sich hinrostet.

660'000 Franken hatten private Gönner und öffentliche Institutionen für die Renovation zusammengelegt, vor rund einem Jahr wurde die Lok ans Verkehrshaus übergeben. Mit der Auflage, sie als «Bestandteil der nationalen Mobilitätssammlung» für die Nachwelt zu erhalten. Die SCB 41 steht unter Denkmalschutz.

Verkehrshaus erhält jährlich 1,5 Mio. Franken vom Bund

Dass das Verkehrshaus mit dem ungeschützten Abstellplatz die historische Substanz seiner Sammlung gefährdet, ist auch politisch brisant. Mit Betriebsbeiträgen unterstützt der Bund die Erhaltung, Bewahrung und Vermittlung des kulturellen Erbes der Schweiz. 1,5 Millionen Franken zahlt er dem Verkehrshaus jedes Jahr dafür.

Für Elsasser und Troller müsste dieses Geld zwingend für einen nachhaltigen Umgang mit der Sammlung verwendet werden. Dass Fahrzeuge von nationaler Bedeutung so eingelagert sind, werfe kein gutes Licht auf das Verkehrshaus.

Das Bundesamt für Kultur hat laut eigenen Angaben Kenntnis über den Sachverhalt und steht in Kontakt mit dem Verkehrshaus.

Ein Zelt solls richten

Auf Nachfrage des Beobachters meldet das Verkehrshaus, auf dem Gelände werde aktuell ein Rundbogenzelt mit kontrolliertem Klima aufgebaut. Wegen des Umbaus der Schienenhallen seien weitere Fahrzeuge nach Rain gebracht worden. Über eine Rückkehr nach Luzern könne erst nach dem Abschluss der Umbauarbeiten entschieden werden.

Für die Förderperiode 2021 bis 2024 muss auch das Verkehrshaus der Schweiz einen neuen Antrag einreichen. Ob und wie stark der Bund es weiter unterstützen wird, entscheidet sich im Sommer 2021.