In seiner Amtszeit wurde Stéphane Lambiel zweimal Weltmeister und gewann eine olympische Silbermedaille. Sarah Meier holte sich bei den von ihm mitorganisierten Europameisterschaften in Bern den Titel. Doch nun droht Roland Wehinger, dem Präsidenten von Swiss Ice Skating (SEV), der Absturz. Am 14. April treffen sich die Delegierten des Verbands im Haus des Sports in Ittigen zu einer ausserordentlichen Versammlung. Die Traktandenliste lässt vermuten, dass dabei weniger Pirouetten und doppelte Rittberger als vielmehr knallharte Bodychecks zum Einsatz kommen werden. Das Thema: Die Jahresrechnung 2010/2011 und, damit eng verbunden, die Spesenrechnungen des Präsidenten.

Diese sind so hoch, dass der Tessiner Eislaufverband an der ordentlichen Delegiertenversammlung im September 2011 in St. Moritz den Antrag stellte, die Rechnung nicht zu genehmigen. «Eine grosse Mehrheit», so ein damals anwesender Delegierter, stimmte dem Antrag zu. Zudem beschloss man, eine Untersuchungskommission einzusetzen, welche den Vorwurf des allzu grosszügigen Umgangs mit Verbandsgeldern untersuchen sollte.

Deren Bericht liegt dem Beobachter vor, und die Vorwürfe sind happig. Präsident Roland Wehinger habe für seine eigentlich ehrenamtliche Tätigkeit zwischen 35'000 und 40'000 Franken Spesen pro Jahr verursacht, schreiben die drei Mitglieder der Untersuchungskommission: Allein für «Mittagessen mit reichlichem Alkoholkonsum» in einem Restaurant in unmittelbarer Nähe des Verbandssitzes in Ittigen seien im Verbandsjahr 2010/2011 fast 8000 Franken ausgegeben worden. Zudem hätten verschiedene Funktionäre das Spesenreglement nicht eingehalten. So hätten einzelne Vorstandsmitglieder statt die ihnen zustehenden Pauschalbeträge für auswärtige Verpflegung die tatsächlichen Kosten abgerechnet. «Wenn dabei allein der Hauptgang 35 Franken kostet und dazu Wein konsumiert wird, ist die Pauschale von 30 Franken schnell mal überschritten», sagt ein Insider ironisch.

Wie die meisten vom Beobachter kontaktieren Verbandsmitglieder äussert er sich nur anonym. Wer den Vorstand kritisiert, der riskiere, dass sein Verein für Wettkämpfe nicht mehr berücksichtigt werde oder dass die Athlethen benachteiligt würden, sagen mehrere Personen.

Das Sündenregister der – im Bericht nicht namentlich genannten – Vorstandsmitglieder ist jedoch noch länger: Auslagen für Barbesuche, Minibar-Konsumationen und weitere Extras seien als Spesen verbucht worden, heisst es in dem Bericht an die Delegierten. Zudem würden «grosszügig Geschenke gekauft, die ohne über die Empfänger Buch zu führen, verteilt werden. Die Empfänger konnten der Kommission auf deren Nachfrage hin nicht genannt werden.» Der frühere Finanzchef des SEV, Paul Heim, habe zudem wiederholt bemängelt, dass nur Kreditkartenbelege, nicht aber detaillierte Quittungen vorgelegt wurden, heisst es im Bericht weiter. Heim trat im August 2011 mit sofortiger Wirkung von seinem Amt zurück.

Der derart kritisierte Roland Wehinger schlägt nun drei Tage vor der Delegiertenversammlung zurück. In einer vierseitigen «Stellungnahme des Vorstands» kritisiert dieser die Untersuchungskommission. Diese sei nicht unabhängig und habe lediglich vier Konten überprüft. Aufgrund der Jahresrechnung 2010/2011 könne der Vorstand «nicht nachvollziehen, wie der Betrag von ca. CHF 35'000.- bis 40'000.- für Spesen durch den Präsidenten berechnet wurden.» Der Vorstand habe lediglich 13'712 Franken Spesen abgerechnet, heisst es in der Stellungnahme.

Eine gewagte Behauptung: Auf dem Konto «Aufwendungen des Vorstands» wurden gemäss Jahresrechnung 23'396 Franken verbucht. Dazu kommen «Repräsentationsspesen Delegationen» (23'478 Franken) sowie Ausgaben, die auf dem Konto «Allgemeine Unkosten» verbucht wurden – laut Insidern ebenfalls ein fünfstelliger Betrag «mit einer 2 oder 3 als erster Zahl». Alles in allem kommen so Spesen in der Höhe von mindestens 70'000 Franken zusammen – viel Geld für einen Verband mit knapp 10'000 Mitgliedern.

«Der Verband steht gut da», sagt Roland Wehinger. Eventuell sei bei der Abrechnung der Spesen der eine oder andere kleine Fehler passiert, etwa dass einmal eine Konsumation aus der Minibar fälschlicherweise als Spesen verbucht worden sei. «Aber es hat für den SEV keine Relevanz, ob der Präsident zum Mittagessen einen halben Liter Rotwein trinkt oder nicht.»

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Wehinger, der den SEV seit 1997 präsidiert, für undurchsichtige Abrechnungen rechtfertigen muss. Wehinger war bis zu seiner Entlassung 1995 Direktor der Schweizerischen Käseunion – und damit einer der mutmasslichen Mitwisser in einem grossen Schmiergeldskandal: Die Käseunion hatte jahrelang Käse nach Italien geliefert und dafür die italienischen Abnehmer kräftig geschmiert. Das Verfahren in der Schweiz wurde jedoch nach einer siebenjährigen Untersuchung eingestellt.

Beim Eislaufverband dürfte die Sache jedoch mit dem Bericht der Untersuchungskommission nicht ausgestanden sein. Die Behauptungen in der Stellungnahme des Vorstands, wonach die Kommission ihre Aufgaben nicht vollständig erledigt habe und voreingenommen gewesen sei, seien «eine Unterstellung», sagt Daniel Eichenberger, der Präsident der Untersuchungskommission. Die Kommission habe deutlich mehr Konti überprüft, als der Vorstand behaupte. Zudem könne sie ihre Aussagen belegen, und auch ihre Unabhängigkeit sei gewahrt.

«Grundsätzlich sollten die betroffenen Vorstandsmitglieder dringend ihre persönlichen Konsequenzen ziehen», heisst es im Bericht der Untersuchungskommission am Schluss – eine kaum verhüllte Rücktrittsforderung. Wehinger denkt nicht daran: Er sei bis 2013 gewählt und werde diese Amtsperiode erfüllen.

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