6,3 Milliarden Franken: Auf diesen Betrag belaufen sich aktuell die gesperrten Vermögenswerte von sanktionierten Russinnen und Russen in der Schweiz. Eine Stange Geld – das für den Wiederaufbau der kriegszerstörten Ukraine verwendet werden soll, wenn es nach dem Willen der SP geht. Die blockierten Gelder von russischen Oligarchen Sanktionen gegen russische Oligarchen Schweiz sperrt Milliarden soll als eine Art Reparationszahlung für den russischen Angriffskrieg und die Zerstörungen nach Kiew geschickt werden, fordert die SP in einer Motion vom Bundesrat.

Eine populäre Forderung, die in der Bevölkerung angesichts der grossen Solidarität mit den ukrainischen Flüchtlingen gewiss Unterstützung finden wird. Bloss: Ganz so einfach umsetzbar ist das Anliegen nicht. Dazu muss man Zweierlei wissen.

Nachweis von Straftaten

Erstens: Die Oligarchenvermögen sind vorerst nur blockiert, also quasi beschlagnahmt. Sie gehören weiterhin den Personen, die auf der Sanktionsliste stehen, diese können bloss derzeit nicht darüber verfügen. Konkret heisst das beispielsweise, dass eine sanktionierte Oligarchin keinen Zugriff mehr auf ihr Konto bei einer Schweizer Bank hat, weil die Bank auf Anordnung des Bundesrats das Konto gesperrt hat. Das Geld bleibt eingefroren, wo es ist, weder Bargeldbezug noch Überweisungen auf andere Konten sind möglich.

Zweitens: Um die Gelder (oder Liegenschaften oder sonstige Vermögenswerte, wie etwa Jachten und Gemälde) definitiv zu enteignen, braucht es nach schweizerischem Recht zwingend eine Straftat; das Geld müsste also aus einer kriminellen Handlung stammen. Dann – und nur dann – sind Enteignungen zulässig. Ansonsten gilt grundsätzlich laut Art. 26 der Bundesverfassung die Eigentumsgarantie.

Potentatengesetz kommt zur Anwendung

Nun mögen die Oligarchen zweifellos unter mysteriösen Umständen zu Reichtum gekommen sein, etwa im Zusammenhang mit Privatisierungen von ehemaligen Staatsbetrieben. Ob es sich aber um Straftaten handelt, dürfte laut Fachleuten nur schwer nachzuweisen sein. Vor allem müsste jeder Fall einzeln verhandelt werden, und eine Art «Sippenhaftung» gibt es hierzulande nicht. Unwahrscheinlich, dass einem schweizerischen Gericht der Nachweis einer Straftat gelänge, und ebenso unwahrscheinlich, dass es ein russisches Gericht tut.

Aber die Schweiz hat durchaus schon Vermögen aus dem Dunstkreis von autokratischen Herrschern eingezogen. Für sogenannte Potentatengelder gibt es sogar ein eigenes Gesetz, das etwa im Zusammenhang mit dem Arabischen Frühling angewendet wurde, auf Gelder aus dem Umfeld des ehemaligen ägyptischen Herrschers Husni Mubarak. Aber: Da ging es darum, aus Volksvermögen stammende Gelder nach einem Regimewechsel ins Herkunftsland zurückzuschicken.

In Russland gibt es jedoch keinen Regierungswechsel, und die Gelder sollen ja laut der SP-Forderung in ein anderes Land (in die Ukraine) fliessen, das mit einer möglichen Straftat am Ursprung der Gelder gar nichts zu tun hat. Darum ist dies keine taugliche gesetzliche Grundlage – aber das Potentatengesetz ist Basis für ein Verfahren, das derzeit läuft, um Gelder in die Ukraine zurückzuschicken, die nach der ukrainischen Revolution im Februar 2014 gesperrt wurden. Es geht um über 100 Millionen Franken, die bei engen Vertrauten des damals abgesetzten Präsidenten Viktor Janukowitsch beschlagnahmt wurden.

Wie auch immer die politische Debatte zu den Oligarchengeldern ausgeht: Enteignungen sind ein umstrittenes Thema, selbst wenn es einen klaren Zusammenhang zu einer Straftat gibt. Das zeigt ein Blick in verschiedene Schweizer Gerichtsurteile 7 Beispiele So haben Schweizer Gerichte zu Enteignungen entschieden .

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Martin Müller, Redaktor
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