Was der Volksmund Enteignung nennt, etwa im Kontext der sanktionierten russischen Oligarchen Gesperrte Vermögen Oligarchen enteignen? Gar nicht so einfach … , kommt nicht allzu häufig vor. Juristisch wird üblicherweise der Begriff «Einziehung» verwendet, «Enteignung» meint stattdessen Grundstücke, die für öffentliche Zwecke, beispielsweise den Bau einer Autobahn, gegen Entschädigung zwangsenteignet werden können (siehe mehr dazu bei Guider unten).

Laut Gesetz verfügt ein Gericht «die Einziehung von Vermögenswerten, die durch eine Straftat erlangt worden sind oder dazu bestimmt waren, eine Straftat zu veranlassen oder zu belohnen». Auf diese Weise soll dem Grundsatz «Strafbares Verhalten darf sich nicht lohnen» Rechnung getragen werden. Ist das Geld nicht mehr vorhanden, kann der Staat eine «Ersatzforderung» in gleicher Höhe stellen. Damit soll verhindert werden, dass derjenige, der das gestohlene Geld bereits verbraucht oder beiseitegeschafft hat, besser gestellt wird als jener, der noch darüber verfügt.

Ist diese Hürde der (nachgewiesenen) Straftat überwunden, sind nach schweizerischem Recht Einziehungen durchaus möglich. Das legt ein nicht repräsentativer Blick in folgende sieben Gerichtsurteile zu diesem Thema nahe. Dabei zeigt sich: Einen einwandfrei belegten Zusammenhang, dass das Geld aus der Straftat stammt, braucht es nicht immer.

Fall 1: Verkauf oder Nicht-Verkauf von Betäubungsmitteln

Ein Drogenproduzent hatte in einem hochspezialisierten Labor mehrere 100 Kilogramm Amphetamin hergestellt. Diese Produktionsmenge reiche für einen geschätzten Bruttoerlös von 2 bis 4 Millionen Franken, so das Gericht, und tatsächlich flossen dem Beschuldigten in der fraglichen Zeit auch rund 2,3 Millionen Franken zu. Doch weil ihm nur die Herstellung, nicht aber der Verkauf der Pillen nachgewiesen werden konnte, fiel für das Bundesstrafgericht die Einziehung «ausser Betracht» – ein Entscheid, den das Bundesgericht danach korrigierte. Der in Juristendeutsch «Vermögensvorteil» genannte Geldzufluss sei «unmittelbare Folge der illegalen Betäubungsmittelproduktion», das Geld hätte eingezogen werden müssen.

Ob es zum Zeitpunkt des abschliessenden Urteils noch vorhanden war, geht aus dem Urteil indes nicht hervor.

Fall 2: Ausgelagerte Vermögenswerte

Betroffenen nützt es in der Regel nichts, wenn sie ihre Vermögenswerte irgendwie auslagern oder verstecken, zum Beispiel in einer separaten Firma. Ob die Firma eigens dazu gegründet wurde oder ob es einen nachvollziehbaren Grund dafür gibt, spielt keine Rolle. Entscheidend sei, ob zwischen dem Beschuldigten und der Firma eine «wirtschaftliche Identität» bestehe, so das Bundesgericht in seinem Urteil:

Einem wegen Vermögensdelikten verurteilten Aargauer entzog das Bezirksgericht Laufenburg eine Vielzahl von Aktienzertifikaten sowie ein Wertschriftendepot bei einer Bank im Gesamtwert von mehreren 100’000 Franken, obwohl all dies formell gar nicht ihm gehörte, sondern einer Aktiengesellschaft. Diese AG gehöre ihm und seiner Ehefrau gemeinsam und diene der Verwaltung des ehelichen Vermögens, machte der Beschuldigte geltend. Im Strafverfahren hatte er aber vor Gericht ausgesagt, er sei Alleinaktionär der AG. Das genüge als Beleg für die «wirtschaftliche Identität», so das Bundesgericht; die Beschlagnahmung sei nicht willkürlich.

Fall 3: Ein geschenktes Haus

Einziehen kann man sogar Vermögenswerte von Drittpersonen, sofern diese davon wussten oder sie «ohne gleichwertige Gegenleistung» erworben haben (also geschenkt erhalten). Das hat aber Grenzen. Im Fall eines Versicherungsbetrügers, der seiner Ehefrau die Hälfte des gemeinsamen Hauses schenkte, gab das Bundesgericht letztendlich der Ehefrau recht.

Der Mann wurde 2017 unter anderem wegen gewerbsmässigen Betrugs zu einer bedingten Haftstrafe von 22 Monaten und zur Rückzahlung von knapp 307’000 Franken verurteilt. Mehr als zehn Jahre vorher hatte der Mann seiner Ehefrau seine Hälfte des ursprünglich gemeinsam gekauften Hauses geschenkt, um es dem Staat und/oder den Gläubigern zu entziehen. Das Haus gehörte ihr also ab 2006 ganz allein, trotzdem zog das basellandschaftliche Strafgericht die Hälfte des Verkaufserlöses (rund 150’000 Franken) des Hauses ein; die Ehefrau erhielt zunächst nur die andere Hälfte ausbezahlt.

Das Strafgericht argumentierte, dass das Ehepaar ab 2005 (also bevor die Haushälfte verschenkt wurde) «einzig von den ertrogenen Versicherungsleistungen» lebte und nur deswegen das übrige Vermögen nicht habe antasten müssen. Trotzdem sei die Liegenschaft «nicht durch die Straftat erworben» worden, und es gebe auch keinen direkten Zusammenhang zwischen der Liegenschaft und der Tat, so das Bundesgericht. Die Ehefrau des Betrügers erhielt deshalb den ganzen Verkaufserlös ausbezahlt, weil die Liegenschaft lange vor den Delikten ihres Mannes gekauft wurde und «ohne illegalen Mittelzufluss» in ihr Alleineigentum überging.

Fall 4: Illegal geputzt oder illegal aufgehalten?

Längst nicht in jedem Fall wird im Nachhinein eine Einziehung als rechtens beurteilt. So kann etwa eine wegen Schwarzarbeit verurteilte Frau ihren Lohn aus Putzarbeit behalten.

Die Frau wurde aus der Schweiz ausgewiesen, blieb aber illegal hier und arbeitete in verschiedenen Haushalten als Raumpflegerin. Bis zu ihrer Verhaftung hatte sie während fast neun Jahren monatlich rund 2400 Franken verdient. Die Behörden beschlagnahmten das anlässlich der Verhaftung sichergestellte Bargeld von 8600 Franken und wollten es zu Gunsten der Staatskasse einziehen. Das Bundesgericht hiess aber ihre Beschwerde dagegen gut: Die Arbeitsverträge an sich seien – trotz fehlenden Aufenthaltsstatus – nicht widerrechtlich gewesen, damit sei auch das Geld nicht aus einer Straftat stammend und eine Einziehung damit «nicht zulässig», so das Gericht.

Fall 5: Kein Auto für Raser

Für Aufsehen sorgen auch immer wieder Fälle, bei denen Rasern die Autos weggenommen werden. Beispielhaft ist etwa ein Fall, den das Kantonsgericht Basel-Landschaft verhandelte.

Ein 54-jähriger IV-Rentner wurde zu sechs Monaten unbedingt verurteilt, weil er wiederholt gerast war, mehrfach trotz Führerausweisentzug am Steuer erwischt wurde, mindestens einmal auch, nachdem bereits Anklage deswegen gegen ihn erhoben worden war. Vor Gericht sagte er, eine «innere Stimme» habe ihm befohlen, das Fahrzeug zu fahren. Die Behörden zogen einen Porsche 911 Carrera 4 und einen Mercedes-Benz E 500 ein und ordneten an, dass der Verkaufserlös an die Verfahrenskosten angerechnet würden. Dagegen wehrte sich der Raser – allerdings vergeblich. Die Einziehung der Fahrzeuge sei geeignet, die Allgemeinheit zu schützen und weitere Verstösse gegen das Strassenverkehrsgesetz zu verzögern, zu vermeiden oder mindestens zu erschweren.

Fall 6: Entwaffnung eines potenziellen Gewalttäters

Auch Waffen werden immer mal wieder eingezogen, speziell im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt. 

Nachdem sich eine Frau per Telefon über verbale Auseinandersetzungen mit ihrem Mann beklagt hatte, rückte die Kantonspolizei Aargau aus und stellte im Haushalt einen geladenen Revolver sicher; später kamen an anderen Orten noch eine Kalaschnikow und zwei Pistolen zum Vorschein. Wegen der Aggressionen gegen seine Frau wurde er mehrmals zeitweise vom gemeinsamen Wohnsitz weggewiesen, zudem wurden die Waffen beschlagnahmt. Ein psychiatrisches Gutachten ergab, dass bei dem Aargauer die Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung von Waffen bestehe. Obwohl er noch nie jemanden konkret mit einer der Waffen bedroht hatte, sah das Bundesgericht die Einziehung der Waffen als gerechtfertigte Massnahme an.

Fall 7: Drogen in einer Bar – und eine Pistole

Anders das Urteil im Fall eines Barbesitzers, dessen Lokal wegen Drogendelikten geschlossen wurde.

Im Zuge einer Hausdurchsuchung in der Bar wurde in einem unverschlossenen Nebenraum in einer Aktentasche eine Pistole gefunden. Der Barbesitzer wurde per Strafbefehl wegen Duldung von Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Busse von 300 Franken verurteilt, dazu kamen 400 Franken wegen «nicht sorgfältigen Aufbewahrens» der Pistole. Die von der Schaffhauser Polizei verfügte Einziehung war aber nicht rechtens, befand danach das Bundesgericht. Die Waffe sei gut verpackt ohne Munition aufbewahrt und in einem nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Nebenraum gelagert worden. Daraus ergebe sich bloss eine rein theoretische Gefahr, dass ein Barbesucher jemanden mit der Waffe hätte bedrohen können – das genüge nicht für eine Einziehung.

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Martin Müller, Redaktor
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