«Wir haben ein Leben lang gearbeitet und gespart. Und jetzt dünkt es mich, mein Geld werde benutzt, um gegen mich zu prozessieren.» Die Bilanz von Christina Brun ist bitter: Seit dreieinhalb Jahren wartet die Witwe darauf, zu erfahren, was mit ihrem Wohnrecht passiert. Sie möchte zurück in ihre alte Wohnung, in der sie vier Kinder grossgezogen und fast 50 Jahre verbracht hat. Doch kein Geringerer als der Konkursbeamte von Willisau LU stellt sich ihrem Wunsch entgegen. Die Geschichte mutet grotesk an: Sie hat die Züge einer Farce.

Erster Akt. Joseph Brun, Confiseur und Ehemann von Christina Brun, macht in den fünfziger Jahren aus einem alten Landhaus in Wolhusen LU ein stattliches Café. Als er die Liegenschaft an seinen Sohn verkauft, enthält der Vertrag eine Garantie: Die Eltern sollten lebenslang gratis im obersten Stockwerk wohnen dürfen - oder bei einem Wegzug eine monatliche Entschädigung von 1000 Franken erhalten.

Zweiter Akt. Frühling 2000: Der Sohn verkauft Wohn- und Geschäftshaus mitsamt den Garantien. Wenig später verlassen die Eltern Brun die Wohnung. Der neue Besitzer überweist den beiden monatlich die geschuldeten 1000 Franken. Ab Februar 2002 aber bleiben die Zahlungen aus - der Eigentümer ist Pleite gegangen. Die Liegenschaft ist Teil der Konkursmasse.

Dritter Akt. Es kommt die Stunde des Willisauer Konkursbeamten Othmar Müller. Ohne Wissen des Ehepaars Brun meldet er das Wohnrecht zur Löschung an. Der Grundbuchverwalter indes verweigert sich diesem Ansinnen: Das Wohnrecht sei mit dem Wegzug nicht gelöscht.

Im Interesse der Grossbank?
Vierter Akt. Othmar Müller gibt nicht auf: Er versucht, Joseph und Christina Brun zu zwingen, der von ihm verlangten Löschung zuzustimmen. Der Fall geht bis vor Obergericht, doch auch hier erhält er keine Unterstützung. Müller akzeptiert das nicht und gelangt ans Bundesgericht - der Entscheid steht hier noch aus.

Fünfter Akt. Januar 2005: Christina Brun wünscht, nach dem Tod ihres Mannes die alte Wohnung wieder zu beziehen. Ausserdem fordert sie die ausstehenden Entschädigungen ein. Aber Müller hat nach dreieinhalb Jahren noch immer kein Verzeichnis erstellt, welche Forderungen zu berücksichtigen sind; von Gesetzes wegen wäre er innert 60 Tagen dazu verpflichtet gewesen. Und er weigert sich, Christina Brun als gleichberechtigte Gläubigerin anzuerkennen. Wie kommt er nur dazu, derart vehement gegen sie vorzugehen?

Sechster Akt. Zur Beantwortung dieser Frage finden sich diskrete Hinweise. Ein Rundschreiben des Konkursamts Willisau an die Gläubiger enthält eine noble Adresse: die UBS. Die Grossbank ist Grundpfandgläubigerin der fraglichen Liegenschaft. Ein ungelöschtes Wohnrecht würde deren Wert erheblich mindern.

Siebter Akt. April 2006: Der Streitwert um das Wohnrecht beträgt heute rund 200’000 Franken - Gerichts- und Anwaltskosten machen davon rund 50’000 Franken aus. Ob sich der Konkursbeamte für die Interessen der Grossbank einspannen lässt? Müllers Antwort: «Selbstverständlich nicht!» Inwiefern er sich Fehler zuschulden kommen liess, werde noch gerichtlich abzuklären sein, sagt Bruns Anwältin: «Es wäre an der Zeit, dass sich die Konkursverwaltung auf ihre wirklichen Aufgaben konzentriert.»

Demnächst in diesem Theater: Hat Christina Brun überhaupt Anspruch auf das Wohnrecht? Zur Diskussion stand bei der ganzen Prozessiererei bisher lediglich die Frage, wer berechtigt ist, sich genau dieser Frage anzunehmen.