Martin Kraska muss ein guter Arzt sein. Unaufgefordert meldeten sich über ein Dutzend seiner Patienten beim Beobachter und lobten ihn: Tag und Nacht stehe der Arzt bereit und kümmere sich vorbildlich um seine Patienten, heisst es in den Briefen. Anders tönt es, wenn es um Kraskas Rechnungen geht. So wundert sich etwa Frank Jacobs, warum ihm der Arzt drei Rechnungen für einen Anruf schickte.

Vorletzten Frühling hatte Jacobs plötzlich Kreislaufprobleme. Seine Frau wählte die Nummer des Zürcher Notfallarztes. Statt Kraska nahm eine Stellvertreterin ab und rief die Ambulanz. Ein paar Wochen später flatterte die Rechnung ins Haus: Satte 156 Franken kostete das Telefonat. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein so kurzes Gespräch so viel kostet», sagt Jacobs. Er weigerte sich, das Honorar zu bezahlen, und verlangte von Kraska eine detaillierte Kostenaufstellung.

Viele verärgerte Patienten
Stattdessen erhielt er einige Monate später eine weitere Zahlungsaufforderung: 140 Franken für «erbrachte Leistungen» in einem späteren Zeitraum.

Jacobs’ Krankenkasse, die in Zug domizilierte Klug, beglich die Rechnungen, die Kraska direkt dem Versicherer zugeschickt hatte. Jacobs wiederum weigerte sich, das Geld der Kasse zu überweisen: Er zahle erst, wenn er wisse wofür.

Jacobs ist nicht der einzige verärgerte Kraska-Klient. Seit Jahren liegt die Zürcher Patientenstelle mit dem Notfallarzt im Clinch. Immer wieder beschwerten sich Patienten über Kraskas Rechnungen, sagt Ruth Dual, Leiterin der Patientenstelle. Auch die Schweizerische Patienten- und Versichertenorganisation (SPO) kennt den Arzt aus den Schilderungen empörter Patienten. «Es ist stossend, dass Kraska alle ihm zur Verfügung stehenden Positionen in Rechnung stellt», sagt SPO-Präsidentin Margrit Kessler.

Es dauerte ein halbes Jahr, bis Jacobs endlich eine Abrechnung für die geforderten 140 Franken bekam: «Kraska verrechnete mir sechs telefonische Beratungen, von denen ich nichts wusste.» Ein drittes Mal sollte Jacobs Fr. 66.40 für eine angebliche Behandlung zahlen.

Aufgrund von Frank Jacobs’ Intervention wurde schliesslich auch die Krankenkasse Klug aktiv. «Doktor Kraska teilte uns mit, dass er sehr wohl mit dem Patienten zu tun gehabt habe», erklärt Klug-Geschäftsleiterin Marianne Baumann. Der Arzt habe die Vermutung geäussert, Jacobs’ damaliger Gesundheitszustand sei möglicherweise der Grund, weshalb sich dieser nicht mehr erinnern könne.

Juristische Spitzfindigkeiten
Ein einziges Mal gelang es dem Beobachter, Martin Kraska telefonisch zu erreichen. «Wenn ich einer Krankenkasse Auskunft über einen Patienten erteilen muss, dann geht das auf das Konto dieser Person», begründete er seine Rechnungsstellung. Schriftlich wollte er das nicht bestätigen. Zu Jacobs’ Rechnungen weigerte er sich, Auskunft zu geben – trotz der Vollmacht, die ihm Jacobs zugestellt hatte.

Dafür schaltete sich Kraskas Anwalt ein, der den Beobachter mit juristischen Spitzfindigkeiten hinzuhalten versuchte. Erst Wochen später folgte eine Stellungnahme Kraskas. «Mein Mandant wiederholt einmal mehr: Seine Rechnungen seien korrekt und entsprechend den gesetzlichen Vorschriften sowie dem Tarif», schrieb der Anwalt dem Beobachter. Frank Jacobs weiss allerdings bis heute nicht, wie Martin Kraska auf den Betrag von 156 Franken für den Anruf gekommen ist.

Gegendartstellung

Dr. med. Martin Kraska schreibt:

Sibylle Stillhart berichtet über eine einzelne Rechnung von Dr. med. Martin Kraska und schreibt u.a. Folgendes: «Für einen Anruf verrechnete der Zürcher Notfallarzt Martin Kraska einem Patienten 156 Franken.» Das ist unzutreffend. Zutreffend ist, dass die diensthabende Stellvertreterin von Dr. Kraska im Rahmen der Noteinweisung des Patienten insgesamt acht Telefonate mit verschiedenen Stellen (Krankentransport, Spitäler, Ehefrau des Patienten) führen musste. Zusätzlich wurde ein Überweisungsschreiben zu Handen des Spitals übermittelt und der Austrittsbericht studiert. Der Zeitaufwand belief sich auf ca. eine Stunde. Die Abrechnung erfolgte korrekt nach Taxpunkten.

Laut Sibylle Stillhart «meldeten sich über ein Dutzend seiner Patienten beim Beobachter und lobten ihn: Tag und Nacht stehe der Arzt bereit und kümmere sich vorbildlich um seine Patienten, heisst es in den Briefen. Anders tönt es, wenn es um Kraskas Rechnungen geht.» Dies ist unzutreffend. Beim Beobachter haben sich innerhalb von rund zwei Wochen über 80 Patienten in über 24 Schreiben gemeldet. Kein einziger dieser Patienten hat sich über die Rechnungsstellung beklagt. Beklagt hat sich offenbar ein einziger akut erkrankter Patient.

Der Beobachter hält an seiner Darstellung fest.