Beobachter: Was heisst nach geltendem Schweizer Recht «lebenslänglich»?
Stefan Trechsel: In erster Linie heisst lebenslänglich: bis zum Tod. Natürlich kann jeweils niemand sagen, wie viele Jahre das sein werden. Jedes Mal, wenn jemand im Vollzug stirbt, war er rückblickend für den Rest seines Lebens hinter Gittern. Das Strafgesetz sieht aber vor, dass ein zu lebenslanger Zuchthausstrafe Verurteilter nach 15 Jahren Haft bedingt entlassen werden kann. Das ist denn auch die Regel. Nur ausnahmsweise bleibt jemand länger im Zuchthaus – zurzeit betrifft dies in der Schweiz nur eine Person.

Beobachter: Unter welchen Umständen kommt eine bedingte Entlassung in Frage?
Trechsel: Auf den möglichen Termin hin wird auf Gesuch des Verurteilten oder von Amtes wegen geprüft, ob man annehmen kann, der Betroffene werde sich in der Freiheit bewähren. Dabei wird auch die Frage der Sicherheit unter die Lupe genommen. Es können dem Verurteilten besondere Weisungen auferlegt werden – etwa, dass er an einem bestimmten Ort wohnt oder eine Arbeit annimmt. Zuständig ist nicht ein Gericht, sondern eine Verwaltungsbehörde.

Beobachter: Bei der Verurteilung von Sexual- und Gewaltverbrechern ertönt regelmässig der Ruf nach Verwahrung. Worin liegt der Unterschied zwischen Freiheitsstrafe und Verwahrung?
Trechsel: Die Grenzen sind zwar in der Theorie und im Gesetz scharf gezogen, in der Praxis ist der Unterschied aber nicht so gross. Bei der Freiheitsstrafe geht es grundsätzlich um den Ausgleich der Schuld, die sich der Täter durch das Delikt aufgeladen hat. Bei der Verwahrung geht es um die Therapie des Täters respektive um die Sicherheit der Allgemeinheit. Die Massnahme der Verwahrung ist von unbeschränkter Dauer. In regelmässigen Abständen muss aber geprüft werden, ob sie noch erforderlich oder ob die Gefährlichkeit des Täters weggefallen ist. Dies kann schon vor Ablauf von 15 Jahren der Fall sein, doch in der Regel dauert die Verwahrung länger als die Strafe. In früheren Jahren waren die Gerichte in der Anordnung von Verwahrungen sehr zurückhaltend, in neuerer Zeit kommt sie jedoch wieder vermehrt zum Zug.

Beobachter: Ist die nachträgliche Verwahrung von Verurteilten zulässig?
Trechsel: Nein, nicht nach geltendem Schweizer Recht. Ausnahme: Es handelt sich um einen geistig abnormen Verurteilten. Dann käme der fürsorgerische Freiheitsentzug in Frage.

Mehr zu Strafprozessordnung bei Guider

Wer beschuldigt wird, eine Straftat begangen zu haben, sollte sich unweigerlich mit der Schweizer Strafprozessordnung vertraut machen. Guider räumt für Beobachter-Abonnenten nicht nur beim Fachjargon der Gerichtssprache auf, sondern zeigt darüber hinaus mittels Checkliste, welche Punkte man generell beachten sollte, um in der Strafuntersuchung nicht unter die Räder zu kommen.